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Besuch in der Türkei
Merkel fordert Ende russischer Angriffe in Syrien

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die russische Beteiligung am Krieg in Syrien scharf verurteilt. Nach einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglo in Ankara sagte Merkel, die Luftangriffe müssten sofort beendet werden. Am Nachmittag kam sie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu Gesprächen zusammen.

08.02.2016
    Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara.
    Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. (TURKISH PRESIDENT PRESS OFFICE/dpa)
    Auch Davutoglo betonte, die russischen Angriffe seien für den aktuellen Flüchtlingszulauf an der türkischen Grenze verantwortlich. "Russland ist sehr weit von Friedensabsichten entfernt," sagte er. Merkel zeigte sich "erschrocken und entsetzt" über das, was an "menschlichem Leid durch Bombenangriffe entstanden ist, auch von russischer Seite." Sie verwies auf die UN-Resolution, wonach Angriffe auf Zivilisten sofort eingestellt werden müssten. Deutschland und die Türkei wollten in New York beim UN-Sicherheitsrat auf die Einhaltung der Resolution dringen.
    Merkel und Davutoglu vereinbarten bei den Gesprächen die weitere Kooperation zwischen Deutschland, der Europäischen Union und der Türkei in der Flüchtlingskrise. So wolle man verstärkt gegen Schlepperbanden vorgehen, sagten die beiden Regierungschefs. Dabei sei eine Kooperation zwischen der türkischen Küstenwache und der Grenzschutzagentur Frontex möglich, so Merkel. Und auch die NATO könne die Überwachung auf dem Wasser unterstützen. Die Bundeskanzlerin betonte aber gleichzeitig, dass man dann aber auch legale Wege für Flüchtlinge schaffen müsse.
    Sie sagte außerdem, dass jetzt schnelle Hilfen für die Flüchtlinge in der Türkei auf den Weg gebracht werden müssten. Dafür sollten die drei Milliarden Euro genutzt werden, die Europa der Türkei versprochen hatte. Merkel war erst Mitte Oktober in der Türkei gewesen. Zum Auftakt ihrer heutigen Gespräche in Ankara wurde sie von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu mit militärischen Ehren empfangen. Am Nachmittag traf sie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in dessen Palast.
    Kritik von den Grünen an Russland
    Währenddessen hat sich die Lage an der türkisch-syrischen Grenze verschärft. Mindestens 35.000 Syrer sind vor den Kämpfen um Aleppo in Richtung Türkei geflohen, berichten Korrespondenten der BBC. Hilfsorganisationen versorgen demnach die Menschen mit Zelten, Decken und Nahrung und weiten auch sonst ihre Bemühungen aus. So werde aktuell ein weiteres Lager aufgebaut. Ein Flüchtling sagte der Nachrichtenagentur Reuters, das türkische Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan habe zu Beginn der Krise versichert, die Türken seien "Brüder der Syrer". Jetzt wisse man nicht mehr, wohin.
    Erdogan hatte am Wochenende erklärt, die Schutzsuchenden würden "wenn nötig" aufgenommen. Doch bliebe der Grenzübergang Öncüpinar in der Provinz Kilist vorerst geschlossen. In den vergangenen Tagen waren zehntausende Menschen vor einer durch russische Bombenangriffe unterstützten Regierungsoffensive aus der umkämpften syrischen Provinz Aleppo zur türkischen Grenze geflohen. Hilfsorganisationen fürchteten eine neue humanitäre Katastrophe.
    Russland wolle mit seinen Angriffen "Flüchtlingswellen nach Europa auslösen", sagte Grünen-Parteichef Cem Özdemir bei MDR Info:
    Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte die Türkei auf, die Grenze zu Syrien zu öffnen. Man müsse den Menschen helfen, sagte der stellvertretende EU-Parlamentspräsident im Deutschlandfunk. Aus seiner Sicht leistet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrer Türkei-Reise keinen ernsthaften Beitrag zur Bewältigung der Krise. Wiederholte Reisen in die Türkei seien kein Ersatz für eine eigene organisierte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.
    Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen kritisierte den Besuch Merkels in der Türkei. Sie sagte im Deutschlandfunk, Merkel falle vor der Türkei auf die Knie. Sie mache sich mit ihren "ständigen Bücklingen" an Menschenrechtsverletzungen der türkischen Regierung mitschuldig. Eine gemeinsame Politik mit Erdogan, der eine "personifizierten Fluchtursache" sei, sei zum Scheitern verurteilt.
    Türkei: Knapp drei Millionen Syrer aufgenommen
    Hintergrund von Merkels Besuchs in Ankara ist der Ende November zwischen der EU und der Türkei vereinbarte Aktionsplan. Die Regierung in Ankara sagt darin unter anderem zu, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug hat die EU der Türkei mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge im Land versprochen. Diese Finanzhilfen müssten neu verhandelt werden, hatte Davutoglu vor den deutsch-türkischen Regierungskonsultationen erklärt.
    Die Türkei gehört mit nach eigenen Regierungsangaben knapp drei Millionen Flüchtlingen neben Jordanien und dem Libanon zu den Ländern, die die meisten Menschen aus Syrien aufgenommen haben. Zugleich ziehen viele Flüchtlinge über die Türkei weiter in die EU.
    (bor/cvo/fwa)