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Betörende Blockflöte

Zum 300. Jahrestag seines Todes oder anlässlich seines 360. Geburtstages erschienen jetzt sechs der zwölf Sonaten op. 5 von Arcangelo Corelli beim französischen Label Eloquentia. Es ist eine Einspielung mit dem Blockflötisten Luis Beduschi und dem Cembalisten Philippe Grisvard aus dem Jahre 2010, die wir Ihnen in dieser Sendung vorstellen wollen.

Von Christiane Lehnigk | 30.06.2013
    Arcangelo Corelli
    aus: Sonate Nr. 4 op. V
    3. Vivace con variazione di Johan Helmich Roman
    Luis Beduschi, Blockflöte
    Philippe Grisvard, Cembalo



    Luis Beduschi und der Cembalist Philippe Grisvard haben es als spannendes Abenteuer aufgefasst, ihre Beschäftigung mit den populären Kirchensonaten von Arcangelo Corelli, die in Amsterdam unter dem Titel erschienen: "Sonate a violino e violone o cimbalo. Rom 1. Januar 1700" und eine Widmung an die preußische Kurfürstin Sophie Charlotte von Hannover enthielten. Doch mit Sicherheit sind die zwölf Sonaten, bei denen erstmals Kirchen- und Kammersonaten unterschieden wurden, schon in den 1680er- bis 1690er-Jahren, wenn nicht früher komponiert worden. Aber wahrscheinlich schien es Corelli, aus Markt strategischen Gründen wirkungsvoller, sie zur Jahrtausendwende erscheinen zu lassen. Und in der Tat wurde diese Sammlung unvergleichlich erfolgreich und sie ist die einzige Veröffentlichung in der Musikgeschichte, die seit über 300 Jahren immer wieder, ununterbrochen neu aufgelegt wurde. Allein im 18. Jahrhundert finden sich 35 Neuauflagen in ganz Europa und noch unzählige Abschriften.

    Und sie haben auch noch eine pädagogische Bedeutung, denn bis heute gehört für Geiger eine der Sonaten aus op. 5 neben einer von Johann Sebastian Bach zu den Pflichtstücken beim Hochschulexamen im Fach Alte Musik. Mit op. 5 und den Concerti grossi op. 6 erreichte Corelli eine ungeheure Popularität und beeinflusste mit seinen virtuosem Stil maßgeblich die Entwicklung der modernen Violintechnik des 18. und 19. Jahrhunderts. 1710 veröffentlichte dann Estienne Rogier eine erste Ausgabe, in der in den langsamen Sätzen auch die "originalen" Verzierungen von Corelli beigefügt sein sollen. Doch da diese immer nur ganz sporadisch aufgeführt sind, stellt sich die Frage, so der Geiger Stefano Montanari, ob der Verleger das so als Anregung für die eigene Fantasie des Interpreten konzipiert hat, ob er noch nicht so versierte Spieler schonen wollte oder ob er einfach nur das aufgeschrieben hat, an das er sich noch von Corellis Spiel her erinnern konnte. Das sei jedoch nicht so wichtig, wenn man op. 5 einfach als eine historische Grundlage für Stil und Ausführung der damaligen Zeit nimmt, was auch auf die Gestaltung des Basso continuo zutrifft.

    Luis Beduschi hingegen hält trotz Zweifel an der Authentizität der Ornamente fest, da sie so einheitlich und außerordentlich elegant seien und einen starken Bezug zur inneren Struktur der Stücke hätten. Und in keinem anderen Werk der Zeit wurde die Kunst der freien Ornamentierung so deutlich dargestellt, ganze Generationen von Geigern haben auf diese Kunst Bezug genommen.

    Schon bald wurden Corellis Sonaten Gegenstand zahlloser Bearbeitungen, ausgezierter Transkriptionen und Variationen, an denen sich auch Bläser und Cembalisten versuchten. Luis Beduschi hat zusammen mit Philippe Grisvard ein Arrangement erarbeitet, das zum einen dem Stil der Zeit geschuldet ist, zum anderen, nach der Aufführungspraxis des Barock, auch der eigenen Fantasie einen Raum lässt. Das Experiment ist aufgegangen und es ist eine betörende Aufnahme geworden, die, vor allem in den ganz langsam angelegten Sätzen, eine Klangwelt schafft, in der sich die Blockflöte entfalten kann.

    Kleine, eingefügte Präludien geben dann auch dem begleitenden Cembalo Raum für virtuose Passagen. (Musikbeginn unter Text)

    Arcangelo Corelli
    aus: Sonate Nr. 6 op. V
    1. Preludio + Grave
    Luis Beduschi, Blockflöte
    Philippe Grisvard, Cembalo


    Bereits 2010 erschien eine Einspielung, auf der sich ein Flötist mit Corellis op. 5 auseinandersetzte. Maurice Steger, der Star unter den Blockflötisten hatte da zusammen mit dem English Concert ein Programm mit Konzerten eingespielt, die von Italienern in England nach op. 5 komponiert wurden. Und obwohl Corelli, der die meiste Zeit seines kurzen Lebens in Rom verbrachte, niemals in England gewesen war, wurde er gerade dort regelrecht angebetet und es gab keine der zahlreichen Laien-Musikensembles, die nicht wenigstens ein Corelli-Stück in ihrem Programm haben mussten. Und die Bearbeitungen ab Geminiani überboten sich an den virtuosesten Verzierungen, die kaum noch zu spielen waren.

    Luis Beduschi kann sich durchaus mit Maurice Steger messen lassen, auch wenn er im Ausdruck etwas zurückhaltender ist und nicht so ins Extreme geht, wie sein Schweizer Kollege. Doch die große Leichtigkeit, mit der er scheinbar mühelos diese virtuose Musik mit Geschmack und Respekt zelebriert, macht die auch klangschöne Aufnahme zu einem einzigen Genuss.

    Arcangelo Corelli
    aus: Sonate Nr. 3 op. V
    2. Allegro
    Luis Beduschi, Blockflöte
    Philippe Grisvard, Cembalo


    Der Blockflötist Luis Beduschi, Jahrgang 1977 ist italienisch-brasilianischer Abstammung und studierte an der renommierten Schola Cantorum in Basel, an der er dann später, ebenso wie an der Freiburger Musikhochschule selbst unterrichtete. Weitere Studien führten ihn nach Mailand zu Pedro Memelsdorff, wo er sich auch mit mittelalterlicher Musik auseinandersetzte. Seit 1994 ist er in der Schweiz beheimatet und pflegt, auch als Dirigent, ein breit gefächertes Repertoire, das von Alter Musik über brasilianische Romantik bis zum Rock 'n' Roll reicht. Nebenher machte er noch einen Master an der Pariser Sorbonne.

    Er arbeitete schon mit vielen erfolgreichen Ensembles zusammen, wie mit La Morra, Café Zimmermann oder den Swiss Baroque Soloists, konzertiert von Neuseeland bis Sankt Petersburg und spielte schließlich mit seinem eigenen Ensemble "Armonia e Invenzione" 2009 seine erste CD für das Label Eloquentia ein.

    Philippe Grisvard ist ihm bei dieser Aufnahme ein kongenialer Partner am Cembalo. Gisvard, Jahrgang 1980, stammt aus Nancy und erlernte erst Klavier und Oboe, bevor der sich der Alten Musik zuwandte und in die Cembaloklasse von Anne-Catherine Bucher ging. Auch er studierte dann an der Basler Schola Cantorum bei Jesper Christensen und Edoardo Torbianelli, spielt in vielen angesehenen Ensembles, darunter seit 2002 im "La Cetra Barockorchester Basel" und lebt heute in Paris. Sein Part in dieser Sonateneinspielung ist von großer Kenntnis der Musik der Zeit geprägt und einer liebevoll, kunstvoll eingerichteten Begleitung, die das Spiel der beiden zu einem homogenen Ganzen werden lässt.

    Zur bekanntesten Sonate aus op. 5 gehört die d-Moll Sonate Nr. 5, hier versehen mit einem Prélude von Ferdinando de' Medici und einem Interludio von Johann Mattheson. Da die CD schon an ihre zeitliche Begrenzung gekommen ist, wurden bei der Gigue die Wiederholungen weggelassen. Die kann man sich aber im Internet oder mit dem Barcode im Booklet herunterladen. Diese "Giga con variazioni" enthält Auszierungen der Komponisten Cattaneo und Valentini.

    Arcangelo Corelli
    aus: Sonate Nr. 5 op. V
    5. Giga
    Luis Beduschi, Blockflöte
    Philippe Grisvard, Cembalo



    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die neueste CD des Blockflötisten Luis Beduschi und des Cembalisten Philippe Grisvard vor, die den Sonaten op. 5 von Arcangelo Corelli in eigenen Transkriptionen gewidmet ist. Erschienen ist die Aufnahme jetzt beim französischen Label Eloquentia im Vertrieb von Harmonia Mundi.


    Diskografie

    "Corelli: Sonatas op. V"
    Luis Beduschi, flute
    Philippe Grisvard, harpsichord
    Eloquentia EL 1341