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Beton, Beton, Beton als Wachstumsmodell - "das reicht ja nicht"

Der Finanzpolitiker Joachim Poß fordert eine genaue Ausgestaltung der Konditionen, zu denen Spaniens Banken gerettet werden. Ein "Sonderweg" mit Ausnahmen könne zum Berufungsfall für andere Länder in Not werden, warnt der Sozialdemokrat.

Joachim Poß im Gespräch mit Sylvia Engels | 10.07.2012
    Silvia Engels: Die Finanzminister der Euro-Gruppe haben in der Nacht lange verhandelt. Anschließend war direkt mehreres klar: zum Beispiel, dass Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Ministerpräsident, vorerst Chef der Euro-Gruppe bleibt. Weitreichendere Folgen kann aber der zweite Beschluss haben: 30 Milliarden Euro sollen an die spanischen Banken fließen, das erste Geld soll schon bald fließen. Wir erreichen Joachim Poß, er ist Fraktionsvize der SPD im Bundestag. Guten Morgen, Herr Poß.

    Joachim Poß: Guten Morgen.

    Engels: Wenn Sie diese ersten Beschlüsse hören, ist das etwas, was die SPD so mitträgt?

    Poß: Das können wir erst sagen, wenn wir wirklich die Substanz der Bedingungen kennen, insbesondere im Blick auf die Rekapitalisierung der spanischen Banken. Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht sagen, aber das wird sich ja in den nächsten Stunden und Tagen herausstellen, welche Konditionierungen denn vorgenommen worden sind für diesen Fall. Darüber hinaus ist der erste Punkt, die Personalie, nun natürlich auch zu kommentieren. Das ist ein vorläufiges Ende eines unwürdigen Gezerres, das wir da erlebt haben, bei dem sich Frau Merkel und Herr Schäuble unglaublich blamiert haben meines Erachtens, und das muss auch deutlich festgehalten werden.

    Wir können nur hoffen, dass der nächste Anlauf, wenn Juncker dann nach Ankündigung zurücktritt, was ich auch alles für nicht sehr glücklich halte, dass der nächste Anlauf dann etwas eleganter verläuft und man auch klüger vorgeht. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist für Deutschland und auch für die Euro-Zone, wenn jemand aus dem stärksten, dem wirtschaftlich stärksten Staat die Repräsentanz an dieser Stelle übernimmt.

    Engels: Sehen Sie also, nachdem ja Jean-Claude Juncker angekündigt hat, nur noch für einige Monate diesen Euro-Gruppen-Vorsitz anstreben zu wollen, diesen Streit nach wie vor als nicht gelöst an?

    Poß: Der Streit ist nicht gelöst und wir werden ja erleben, wie es in den nächsten Wochen dann weitergehen wird. Das ist ja ein Rücktritt mit Ankündigung, nach allen Erfahrungen sind das nicht die glücklichsten Rücktritte und Rückzüge, die da stattfinden. Ich hoffe nicht, dass die Autorität, die wir ja benötigen in der Euro-Gruppe, auch des Sprechers, weiter schwindet, um zu konstruktiven Lösungen zu kommen, denn das ist doch ein Problem in der Euro-Gruppe, dass die Vielfalt verhindert, dass man rechtzeitig in der Meinungsbildung so weit ist, um handeln zu können.

    Engels: Dann schauen wir jetzt noch einmal auf diesen zweiten Aspekt, nämlich die ersten Hilfszahlungen für die spanischen Banken. Sie haben eben angesprochen, man muss erst die Ergebnisse konkret abwarten, man muss erst sehen, welche Bedingungen an diese Hilfszahlungen, von denen ja die ersten schon in diesem Monat fließen sollen, geknüpft sind. Welche Forderungen haben Sie denn da?

    Poß: Es muss, glaube ich, wirklich klar sein, wie denn anschließend eine solche Bank oder die Banken denn geführt werden, wie sich dann staatlicher Einfluss bemerkbar macht. Das ist sicherlich die eine Frage. Die zweite Frage ist die – die kennen wir auch aus Deutschland -, wie sieht es denn dann aus mit den Manager-Vergütungen? Das ist ja offenkundig ein Punkt, der schon angesprochen wurde in den Fällen, wo man hilft.

    Und es gibt eine Reihe weiterer Bedingungen: Ist das eben eine Ausnahme und wie wird sie ausgestaltet? Oder ist das dann der Berufungsfall für andere Länder, der sich dann auftun kann, für was weiß ich, Irland, Slowenien, andere, die Bankenprobleme haben, ebenfalls einen Sonderweg einzufordern? Und ist es die Lösung für Spanien, die wir wirklich brauchen? Das Bankenproblem ist ein großes Problem in Spanien, wie wir wissen, aber ich habe auch den Eindruck, dass das Wirtschaftsmodell ja kein überzeugendes ist. Die Spanier kannten über Jahrzehnte jetzt nur ein Wirtschaftsmodell: Beton, Beton, Beton, und das reicht ja nicht. Auch an der Ecke, glaube ich, muss es weitergehende Überlegungen geben.

    Engels: Sie monieren, dass diese Ausgestaltung der Hilfe für die spanischen Banken nicht ganz klar ist. Es gab ja auch im Vorfeld Streit darüber, ob klar ist, wer denn für diese Hilfsgelder haftet. Muss das der spanische Staat sein und ist das gesichert?

    Poß: Genau das ist ja eine der Fragen, die unklar sind. Wenn solche Staaten mit betroffen sind, sind sie an der Gesamtfinanzierung mit beteiligt? All das sind die Dinge, die womöglich heute Nacht geklärt werden konnten. Nur da kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts Näheres zu sagen. Also das müssen wir auf jeden Fall wissen, das werden wir uns sehr sorgfältig anschauen. Ansonsten haben wir natürlich Bedenken, was den Weg angeht, einen solchen Weg einzuschlagen, der nicht über die Länder führt, die in Hilfsprogrammen stecken, mit strengen Konditionierungen, der also einen Sonderweg eröffnet. Und welche Konsequenzen wird dieser Sonderweg haben, welche Konsequenzen wird er denn dann zum Beispiel im Blick auf die Europäische Zentralbank haben? Man muss ja da alles im Zusammenhang sehen. Und werden solche Sonderwege nur eingeschlagen, weil man eben nicht die Kraft hat, in anderen grundsätzlicheren Fragen wie zum Beispiel der partiellen Vergemeinschaftung von Schulden und so weiter zu konstruktiven Lösungen zu kommen.

    Engels: Haben wir denn mit diesem Beschluss, der ja zumindest von der Euro-Gruppe stehen bleibt, dass diese 30 Milliarden Euro konkret fließen sollen, jetzt den Status erreicht, dass klar ist, dass es eine Sondersitzung des Bundestages zu diesem Thema im Sommer geben wird?

    Poß: Wenn ich das richtig verstanden habe, was Herr Schäuble gesagt hat, soll ja wohl am 20. die Euro-Gruppe sich erneut damit beschäftigen. Das setzt ja wohl voraus, dass wir spätestens am 19. im Deutschen Bundestag uns mit dem Fall auseinandersetzen werden.

    Engels: Und auf der anderen Seite hat Spanien ja immer beklagt, dass jetzt zuletzt wieder die Zinsen am Kapitalmarkt so angestiegen sind, dass das Land Refinanzierungsprobleme bekommen hat. Heißt: gibt es überhaupt eine Alternative, als Spanien zu helfen?

    Poß: Also es geht, glaube ich, nicht um die Hilfe an sich, sondern es geht wirklich um die Konditionen der Hilfe und welche Rückwirkung das auf das Gesamtgebilde hat, auch im Blick auf andere Länder, ob Sonderwege, die eingeschlagen werden, der Sache nach wirklich begründet werden können. Das ist die entscheidende Frage, vor der wir da stehen, und die können wir dann erst auch abschließend beurteilen, wenn wir alle Informationen haben, die ja offenbar in neun langen Stunden heute Nacht hin- und hergewendet worden sind. Das muss ein Parlament ja erst mal nachvollziehen können. Wir wissen, dass da schon eine Problematik liegt.

    Engels: Das klingt aber so, dass am Ende die SPD sich Hilfen für Spanien doch nicht verweigern wird?

    Poß: Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Wir haben Probleme mit dem Weg an sich, haben das ja in den letzten Tagen durchaus deutlich gemacht, Sigmar Gabriel hat auch etwas in einem Interview dazu erklärt. Und ob die Argumente, die heute Nacht in der Debatte der Euro-Finanzminister gefunden wurden, so stark sind, um diese Bedenken zu überwinden, das bleibt abzuwarten, das kann man jetzt, zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht sagen. Jedenfalls die europapolitische Gesinnung der SPD kann nicht festgemacht werden an einer Positionierung, die wir in dieser Frage einnehmen werden. Wir erwarten schon, dass die Regierung da allein handlungsfähig ist, auch im Deutschen Bundestag.

    Engels: Joachim Poß, SPD-Fraktionsvize, zuständig für Finanzfragen. Erste Einschätzungen waren das zu den nächtlichen Ergebnissen von Brüssel. Da müssen wir noch Konkreteres abwarten. Aber vielen Dank, dass Sie schon mal erste Einordnungen geliefert haben.

    Poß: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Der SPD-Finanz- und Haushaltsexperte und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß
    Joachim Poß (SPD) (picture alliance / dpa)