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Betreuungsgeld
Die Diskussion geht weiter

Herdprämie und weiterer Ausbau der frühkindlichen Betreuung? Auch nachdem das Betreuungsgeld vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden ist, will die Diskussion in Bayern über das Für und Wider nicht abreißen.

Von Michael Watzke | 23.07.2015
    Das Bundesverfassungsgericht verhandelt in Sachen Betreuungsgeld.
    Das Bundesverfassungsgericht verhandelt in Sachen Betreuungsgeld. (picture alliance / dpa - Uwe Anspach)
    "Mama, Mama, Papa! Ui!"
    Klara, 19 Monate alt, lernt gerade sprechen.
    Klaras Mutter, Cornelia Sebald aus München, wollte nach der Geburt ihrer ersten Tochter eigentlich schnell wieder arbeiten.
    "Da kam aber schon Kind Nummer 2 sehr schnell. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, so schnell wieder zu arbeiten mit zwei kleinen Kindern."
    Der kleine Fabian, zwei Monate alt, nuckelt zufrieden an der Brust seiner Mutter. Für ihn bekommt Cornelia Sebald noch kein Betreuungsgeld. Für Klara schon. Und das wird zumindest in Bayern auch so bleiben, kündigt die CSU an.
    "Ich bin sehr beruhigt, dass Bayern das so handhabt, denn es gab ein Versprechen. Die Eltern haben damit gerechnet. Insofern finde ich es positiv, dass der Freistaat Bayern es weiterzahlen möchte."
    Was Cornelia Sebald ärgert: Dass in der Diskussion um das Betreuungsgeld der Eindruck vermittelt werde, dass Frauen nur deshalb ihre Berufs-Karriere unterbrächen, weil sie 150 Euro Betreuungsgeld vom Staat bekommen. Dafür sei die Prämie zu gering, sagt die Grafik-Designerin. Trotzdem freue sie sich jeden Monat über den Zuschuss.
    "Ich empfinde jeden Cent, der in junge Familien fließt, als gut angelegt. Sie brauchen jede Menge Kleider, man soll sie fördern, sie brauchen Babykurse."
    Klara braucht jetzt vor allem Aufmerksamkeit. Es ist neun Uhr in der Früh, sie will essen und spielen gleichzeitig. Am besten mit ihrem kleinen Bruder und ...
    "Mama".
    Ortswechsel. In der Kinderkrippe des Bayerischen Landtags räumen acht Kinder und drei Betreuerinnen die Spielzeuge weg. Gleich gibt es Frühstück. Julika Sandt bringt ihre Tochter Katharina, 17 Monate alt, in die Raupengruppe.
    "Ich hab das Glück, dass meine Tochter hier in der Landtagskrippe untergebracht ist. Hier geht sie sehr, sehr gerne hin. Wir haben damals auch noch mal in die Erzieherinnen-Ausbildung investiert. Da muss man auch weiterhin ansetzen."
    Damals, vor 2013, als die FDP-Politikerin Julika Sandt noch als Abgeordnete im bayerischen Landtag saß. Damals kämpfte sie in der schwarz-gelben Landesregierung gegen das Betreuungsgeld. Vergeblich. Sandt empfindet die Entscheidung der Karlsruher Verfassungsrichter als späte Genugtuung.
    "Ich halte es für viel viel wichtiger, Krippenplätze auszubauen. Die meisten Leute müssen arbeiten und es ist einfach wichtig, dass wir eine gute Qualität in den Kinderkrippen haben. Hier ist das der Fall, hier gehe ich gerne hin mit meiner Tochter.
    Nur 300 Meter von der Landtags-Krippe entfernt, im Plenarsaal des Maximilianeums, diskutieren die Abgeordneten über die Zukunft des Betreuungsgeldes in Bayern. Zuständig ist jetzt Emilia Müller, die bayerische Sozialministerin. Sie kommt auf Krücken in den Landtag, vor einigen Wochen hat sie sich das Becken gebrochen. Genau wie damals die Kanzlerin, lacht Müller. Apropos Kanzlerin: Von Angela Merkel hätte Müller gern die Bundesmittel für das bayerische Betreuungsgeld.
    "Ich als Sozialministerin bin der Auffassung, dass wir das Betreuungsgeld in der bewährten Art fortführen. Meine Hoffnung ist, dass der Bund uns dabei natürlich finanziell unterstüzt."
    Selbst in Bayern sind sich nicht alle einig
    Ein frommer Wunsch. Bisher hat sich die Kanzlerin nicht geäußert. Überhaupt ist es erstaunlich still bei der CDU, wenn es um die Betreuungsgeld-Forderungen der bayerischen Schwesterpartei geht. Eine klammheimliche Freude ist nicht zu verkennen. Bei Markus Rinderspacher dagegen ist die Freude nicht klammheimlich. Der Fraktions-Chef der bayerischen SPD grinst bis zu den Ohrwascheln, als er in den Plenarrsaal tritt. Rinderspacher will den Rückenwind aus Karlsruhe bis nach Bayern tragen.
    "Wir werden sondieren, welche direktdemokratischen Möglichkeiten es gibt - Volkentscheid, Volksbegehren - das Betreuungsgeld zu stoppen mit der Maßgabe, dass man das dafür vorgesehene Geld in den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung steckt."
    Ein Volksbegehren gegen das Betreuungsgeld? Was Besseres, sagt die CSU-Sozialpolitikerin Kerstin Schreyer-Stäblein, könne ihrer Partei gar nicht passieren.
    "Weil es genau darum geht, Eltern Geld wegzunehmen. Wir haben derzeit viele Familien, die Betreuungsgeld nehmen. 73 Prozent derer, die beantragen können, nehmen das Betreuungsgeld. Da geht es um Neiddebatte."
    Allerdings gibt es auch in der CSU Stimmen, die das Betreuungsgeld kritisch sehen. Etwa die von Annika Popp, Bayerns jüngster Bürgermeisterin aus dem oberfränkischen Leupoldsgrün. Sie erlebt in ihrer Gemeinde, dass die "Herdprämie" – wie Kritiker sie nennen – bei manchen Eltern falsche Anreize schaffe.
    Das Problem ist einfach, dass diese Wahlfreiheit missbraucht wird. Und da sagt man, dass bei manchen die Kinder besser im Kindergarten oder im Hort aufgehoben wären, die kriegen dann das Geld und blieben zu Hause und stecken es in andere Sachen. So ist das natürlich nicht gedacht."
    Das Betreuungsgeld als Sprachlern-Bremse? Etwa bei Kindern mit Migrationshintergrund? Kerstin Schreyer-Stäblein hält dagegen.
    "In der Altersklasse, von der wir reden, da geht es nicht um Deutschförderung. Das sind die ganz, ganz kleinen Kinder, da geht es um Bindung. Und Deutsch kann keine Fragestellung sein, Krippe ja oder nein.!
    Bei Familie Sebald lernt Tochter Klara weiter Deutsch – ganz nebenbei beim Puzzlespielen. Mit anderthalb Jahren, wie die meisten Kinder. Cornelia Sebald findet, dass die ganze Diskussion über das Betreuungsgeld vollkommen überfrachtet sei. Es gehe nicht um Bildungskonzepte und auch nicht um die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Es gehe einfach um 150 Euro pro Monat für Familien.
    "Insofern verstehe ich die ganze Aufregung einfach nicht."