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Betreuungsgeld ja - aber nur für ein Jahr und doppelt so hoch

Neuer Vorschlag beim Betreuungsgeld: Statt für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes 150 Euro monatlich, könnte man 300 Euro nur während des zweiten Lebensjahres zahlen. Gespart würde nichts - aber Familienpolitikerin Bettina Wiesmann verspricht sich dadurch eine schnellere Rückkehr der Eltern ins Berufsleben.

Das Gespräch führte Jürgen Liminski | 26.04.2012
    Jürgen Liminski: Es gibt zurzeit jeden Tag Gelegenheit, an die Rahmendaten für das Betreuungsgeld zu erinnern. Es geht nur um zwei Jahre des Kindes, das zweite und dritte Lebensjahr, es geht außerdem nur um die Kinder, die nicht in einer Krippe betreut werden, und es geht ferner um 100 Euro ab 2013 und 150 Euro ab 2014 – Beträge, die in anderen Ländern doppelt und dreimal so hoch sind, etwa in Frankreich und in Norwegen. Und schließlich: Ein Krippenplatz kostet etwa zehnmal so viel, nämlich 1000 Euro im Monat. Und zu guter Letzt: Es gibt noch gar kein Gesetz, man diskutiert also über das Prinzip. Die Debatte auch gestern im Bundestag wird auf emotional hohem Niveau geführt, das muss bei Prinzipien in Deutschland wohl so sein. Aus der CDU sind zur Besänftigung der Kritiker einige Kompensationsvorschläge gemacht worden. Eine echte Kompromisslinie war bis jetzt noch nicht zu erkennen. Ich bin nun verbunden mit Bettina Wiesmann, sie ist die familienpolitische Sprecherin der CDU im hessischen Landtag und hat vielleicht einen Kompromiss auf Lager. Guten Morgen, Frau Wiesmann.

    Bettina Wiesmann: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Frau Wiesmann, wie sieht Ihr Kompromissvorschlag aus?

    Wiesmann: Unser Kompromiss besteht darin, dass wir uns auf das zweite Lebensjahr der Kinder fokussieren wollen. Wir denken, es wäre richtig, wenn das Betreuungsgeld in Höhe von 300 Euro pro Monat, also in doppelter Höhe im Vergleich zum bisher vorliegenden Vorschlag, im empfindlicheren zweiten Lebensjahr der Kinder gezahlt würde – einmal, um tatsächlich die Bindungsvoraussetzungen für gute Bildung später leben zu können, andererseits aber auch, um den Eltern, die sich im zweiten Jahr dann intensiver um die Kinder kümmern, einen schnelleren Rückweg in die Vollerwerbstätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus denken wir auch, man sollte den Kita-Besuch, die Tagespflege nicht ausschließen, aber dafür als Voraussetzung, als einzige Voraussetzung, eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit in dieser Zeit vorsehen auf vielleicht 20 oder 30 Stunden pro Woche, wie es ja auch im Elterngeld heute der Fall ist.

    Liminski: Ein Gegenargument, Frau Wiesmann, sind die Kosten. Wenn ich Sie richtig verstehe, kostet dieses Betreuungsgeld Zwei – nennen wir es mal so – nicht weniger als das diskutierte. Wo soll da gespart werden?

    Wiesmann: Ich glaube, es sollte an dieser Stelle nicht gespart werden. Eine Konzentration dieser Leistung auf einen kürzeren Zeitraum, dafür in entsprechend deutlicherer Höhe, kann natürlich an sich nichts einsparen. Ich denke, es ist eine gute Investition in gute Entwicklungen unserer ja so wichtigen und nicht so irrsinnig zahlreichen Kinder, auf die wir nicht verzichten können. Im Übrigen ist diese Leistung, dieses Vorhaben, ja Teil des Ausgabenprofils dieser Bundesregierung, nämlich des Koalitionsvertrages, und deshalb denke ich, an der Stelle ist die Spardiskussion gar nicht die richtige, hier zu führen.

    Liminski: Ein Detail des klassischen Betreuungsgeldes ist bekannt geworden, hat zugleich wütende Reaktionen hervorgerufen: Hartz-IV-Empfänger sollen leer ausgehen. Wäre das bei Ihrem Vorschlag anders?

    Wiesmann: Das wäre in meiner Vorstellung nicht anders. Ich halte diese Anrechnung für richtig. Es gibt sie im Elterngeld ja auch, da hatten wir auch eine wichtige Diskussion dazu. In meinen Augen geht es dabei um die Wahrung des Lohnabstandsgebots. Es darf nicht sein, dass durch das Kumulieren mehrerer Sozialleistungen, die in sich alle berechtigt und richtig sind, in Summe ein Anreiz entsteht, dass diejenigen, die zeitweise oder auch für längere Zeit nicht am Erwerbsleben teilnehmen konnten, dann auch abgehalten werden, sich darum wieder zu bemühen.

    Liminski: Sie denken an das Lohnabstandsgebot?

    Wiesmann: Das ist das, was ich meine. Es ist eine Abwägung, aber ich glaube, an dieser Stelle gebührt der Rückkehr von Menschen in die Erwerbstätigkeit aus einer schwierigen Situation, wo dies nicht unter allen Umständen möglich ist und nicht immer möglich ist, der Vorrang gegenüber der gleichwohl sehr wichtigen Unterstützung und Anerkennung für Eltern in der frühkindlichen Betreuung.

    Liminski: Ein weiteres Gegenargument ist, dass Kinder aus sozial schwachen Familien wegen des Betreuungsgeldes auf die Errungenschaften der Kitas verzichten müssten. Da hat Ihr Vorschlag aber keine Lösung.

    Wiesmann: Ich glaube, dass der Generalverdacht nicht angebracht ist. Es ist die überwiegende Mehrzahl von Eltern, die sich ganz hervorragend ausgesprochen engagiert und sehr verantwortungsbewusst um die Erziehung ihrer Kinder kümmert, und darin natürlich einen großen Beitrag auch zu ihrer Bildung leistet. Es gibt Familien, die dies weniger gut können und vielleicht auch darin versagen, aber sie kommen aus allen Schichten. Das sind Deutsche wie Familien mit Migrationshintergrund, das sind gut betuchte teilweise genauso wie solche, denen es vielleicht sozial gesehen weniger gut geht. Ich glaube, man muss diese Gruppe mit anderen Maßnahmen in den Blick nehmen, Familienunterstützung gewähren in Form von beispielsweise Familienhebammen, Familienzentren, Aufsuchen der Elternarbeit, jedenfalls gezielt auf diese Menschen und ihre Bedürfnisse, ihre Unterstützungsbedürfnisse eingehen.

    Darüber hinaus würde ich sagen: Der Fokus, den wir vorschlagen, aufs zweite Lebensjahr gegenüber den Jahren zwei und drei der Kinder, gibt natürlich auch auf diesen Punkt in gewisser Weise eine Antwort, weil der kürzere Zeitraum einer stärkeren Erziehung auch im häuslichen Kontext natürlich auch ein geringeres Risiko des Fernbleibens von Bildungsangeboten, die teilweise auch sinnvollerweise außerhalb der Familie stattfinden, bedeutet.

    Liminski: Wenn das Betreuungsgeld im Bundestag nun scheitern sollte – die Gegner sind ja sozusagen kaum zu besänftigen -, wäre es dann auf Landesebene möglich? Es gibt ja hier und da ein Landeserziehungsgeld.

    Wiesmann: Das gibt es in der Tat. Ich weiß es von Thüringen, ich weiß es von Bayern. Ich glaube, da müssen die Länder dann selbst entscheiden, wie sie damit umgehen. Ich streite selbst sehr engagiert dafür, dass wir hier eine bundesweite Lösung bekommen, wie es ja auch durch den Koalitionsvertrag angelegt ist. Es ist ja auch das Elterngeld, an dessen Grundzügen ich auch ja vorschlage, das Betreuungsgeld anzulehnen, eine bundesweite Leistung. Es sind auch die Anstrengungen, die wir zu Recht und mit Überzeugung unternehmen, um die Kinderbetreuungsinfrastruktur auszubauen, ja eine bundesweite Anstrengung. Insofern glaube ich, es wäre richtig, in diesem Kontext auch eine bundesweite Lösung für das Betreuungsgeld zu finden.

    Liminski: Haben Sie denn Ihren Vorschlag schon mal in Berlin, konkret im Familienministerium unterbreitet?

    Wiesmann: Viele wissen von diesen Vorschlägen, es gibt ja auch noch andere. Natürlich ist die Bundesministerin als eine derer, die zu allererst mit der ganzen Frage ja intensiv befasst ist, darüber auch orientiert. Ich glaube, die Diskussion ist im Gange, und ich denke auch, dass sie momentan vielleicht im Fluss ist, und würde mich sehr freuen, wenn unsere hessischen Überlegungen Berücksichtigung finden könnten.

    Liminski: Ein neuer Vorschlag zum Betreuungsgeld, diesmal aus Hessen, und zwar von der familienpolitischen Sprecherin der CDU im hessischen Landtag, Bettina Wiesmann, vorgestellt hier im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Wiesmann.

    Wiesmann: Sehr gerne! Vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.