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Betreuungsgeld
"Rückmeldungen der Familien sind positiv"

Viele Menschen müssten in der Betreuung ihrer Kinder flexibel sein, sagte die CSU-Politikerin Angelika Niebler im DLF. Genau für diese Familien sei das Betreuungsgeld eine gute Sache. Im Übrigen zeige die Nachfrage, dass es großen Bedarf am Betreuungsgeld gebe. Kritik am System lässt die Chefin der Frauenunion Bayern nicht gelten.

Angelika Niebler im Gespräch mit Peter Kapern | 29.07.2014
    Angelika Niebler (CSU), Vorsitzende der Frauen-Union Bayern, spricht am 19.10.2013 in Regensburg während der Landesversammlung zu den Delegierten
    Angelika Niebler, Chefin der Frauen-Union Bayern, will ein Ende der Debatte ums Betreuungsgeld. (Armin Weigel/dpa)
    Die Familienstrukturen in Deutschland seien vielfältig und unterschiedlich, sagte die CSU-Politikerin Angelika Niebler im Interview mit dem Deutschlandfunk. Das Betreuungsgeld trage dieser Tatsache Rechnung und sei für Eltern, die in der Betreuung ihrer Kinder eine flexible Lösung benötigten, optimal. Die Rückmeldungen seien durchweg positiv, so die Chefin der Frauenunion Bayern, die viel im Land unterwegs ist.
    Eine Studie, die belegt, dass das Betreuungsgeld überwiegend von bildungsfernen Eltern und Familien mit Migrationshintergrund abgerufen werde, lässt Niebler so nicht gelten: "Ich stelle das nicht fest, was in dieser Studie belegt ist." Das Betreuungsgeld sei nicht integrationsfeindlich.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Wir schauen auf ein Thema der Innenpolitik, ja, auch die gibt es noch: Ein falscher Anreiz, der gerade solche Eltern dazu bringt, ihre Kinder ausschließlich zu Hause zu erziehen, für die öffentliche Bildungs- und Betreuungsangebote dienlich wären – so eines der zentralen Argumente der Gegner des sogenannten Betreuungsgeldes. Nachdem eine Studie ihnen dabei offenbar recht gibt oder zumindest weitere Argumente liefert, war die Debatte darüber kurzfristig wieder aufgeflammt. Die Koalition will aber an dem Modell festhalten – vereinbart ist vereinbart. Weshalb die Befürworter des Betreuungsgeldes sich auch von der jüngst bekannt gewordenen Studie nicht beeinflussen lassen, darüber hat mein Kollege Peter Kapern mit der CSU-Europaabgeordneten Angelika Niebler gesprochen. Sie ist auch Vorsitzende der Landesfrauenunion in Bayern.
    "Betreuungsgeld ist beschlossene Sache"
    Peter Kapern: Frau Niebler, die Forscher kommen also zu dem Ergebnis, ich zitiere: "Befürchtungen, das Betreuungsgeld trage zu einer sozial ungleichen Inanspruchnahme von frühkindlicher Bildung bei, seien gerechtfertigt", Zitat Ende. Denkt die CSU jetzt beim Betreuungsgeld um?
    Angelika Niebler: Ich denke, da ist keine Notwendigkeit da. Wir haben über anderthalb Jahre das Thema Betreuungsgeld intensiv diskutiert, Argumente für und gegen abgewogen. Es ist beschlossene Sache. Und ich kann aus meinen eigenen Erfahrungen nur schildern: Ich bin ja viel gerade als Landesvorsitzende im Freistaat Bayern unterwegs, und unisono bekomme ich von vielen Müttern und Vätern die Rückmeldung, dass das Betreuungsgeld eine gute Sache ist und auch angenommen wird. Und ich denke, das muss man auch respektieren, dass die Familienstrukturen in ganz Deutschland einfach unterschiedlich sind. Da mag es ... In einigen Fällen mag das Betreuungsgeld genau die richtige Alternative sein, um eben flexibel auch Lösungen zu ermöglichen, die man über eine klassische Kindertagesstätte nicht haben kann, und dafür ist es ja eigentlich auch vorgesehen gewesen.
    "Es ist keine integrationsfeindliche Maßnahme"
    Kapern: Aber Frau Niebler, das kommt mir jetzt so vor, als wollten Sie da etwas leichthin echte, harte Daten, die Forscher erarbeitet haben in mehr als 100.000 Befragungen, etwas leichthin vom Tisch wischen. Also die kommen beispielsweise zu dem Ergebnis, dass ein Viertel aller Migrantenfamilien sagt: Wir schicken unser Kind nicht in eine Kita wegen des Betreuungsgeldes. Das sind doch die Problemfälle der 2030er-Jahre, Jugendliche ohne ausreichende Sprachkenntnisse, ohne Berufsperspektive. Das lässt sich doch jetzt schon absehen.
    Niebler: Also ich kann Ihnen noch nochmals klar sagen, ich habe auch mich umfassend umgehört, und wenn Sie die große Nachfrage auch nach dem Betreuungsgeld sehen: Ich stelle halt bei den Strukturen, die wir gerade in Bayern haben, immer wieder fest - nicht nur in Bayern übrigens, ja, auch in anderen Bundesländern, in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg, das Kindergeld ist ja doch sehr breit auch nachgefragt worden, ich stelle eben gerade das nicht fest, was hier in dieser Studie belegt ist, und insofern glaube ich nicht, dass es also hier zwingend wäre oder dass der Beschluss zwingend ist, zu sagen, es würde hier eine integrationsfeindliche Maßnahme hier beschlossen worden. Nein, im Gegenteil: Das, was ich erlebe, ist, dass mir Mütter und Väter sagen: Ich brauche eine flexible Lösung, beispielsweise, wenn ich hier Frühschicht habe, ob das jetzt im Klinikbereich ist oder ob das im Erziehungsbereich ist, ich brauche Kinderbetreuung ab 6.30 Uhr in der Frühe, da finde ich nirgendwo eine Kindertageseinrichtung, die mir das bieten kann. Dafür ist das Betreuungsgeld geeignet und da wird es auch nachgefragt. Und diese Flexibilität, die man eben mit diesem Instrument schaffen will, ich glaube, dass die ihren Zweck erfüllt. Das haben die Zahlen gezeigt.
    Kapern: Es ist immer gut, Frau Niebler, wenn man mit Politikern zu tun hat, die ein offenes Ohr haben für das, was die Menschen sagen. Aber bei allem Respekt vor Ihrem offenen Ohr: Das kann ja möglicherweise eine wissenschaftliche Studie noch nicht ersetzen. Vielleicht kommen Sie deshalb zu anderen Ergebnissen, weil Sie keine wissenschaftlichen Methoden anwenden, wenn Sie sich mal hier und da umhören.
    "Betreuungsgeld wird sehr wohl nachgefragt"
    Niebler: Also ich glaube nicht, dass man anhand wissenschaftlicher Methoden beurteilen kann, was die Bedürfnisse von Familien, von jungen Vätern und Müttern bei uns im Lande sind, ...
    Kapern: Aber man kann herausfinden, welche Wirkungen das hat.
    Niebler: Entschuldigen Sie bitte, Entschuldigen Sie bitte. Das kann man gerne machen. Das Betreuungsgeld gibt es ja jetzt noch nicht so lange, dann lassen Sie das doch erst mal greifen. Ich kann nur sagen: Bevor das Betreuungsgeld hier in Kraft getreten ist, hat es ja viele gegeben, die behauptet haben, übrigens auch sehr renommierte Forscher, die behauptet haben, dieses Betreuungsgeld würde völlig am Bedarf vorbeigehen und wird nicht nachgefragt. Jetzt haben wir Zahlen, die belegen, dass es sehr wohl nachgefragt wird, dass es ein Bedürfnis, einen Bedarf dafür gibt. So, jetzt kommt halt die nächste Studie. Mit der muss man sich sicher noch mal ganz kritisch auseinandersetzen. Aber ich bleibe dabei - es ist ja nun so, dass ich in diesem Lande unterwegs bin und mit vielen Kollegen auch dieses Thema diskutiere: Das, was ich von den Menschen vor Ort an Rückmeldungen habe, belegt eben, dass ein Bedarf da ist und dass man dankbar dafür ist, dass es neben den staatlichen Einrichtungsstellen eben auch noch zugelassen wird und auch ein Stück weit anerkannt wird, dass Kinderbetreuung auch zu Hause in den Familien stattfindet.
    "Diese Studie lasse ich so nicht gelten"
    Kapern: Mehr als 50 Prozent aller Familien ohne Berufsabschluss sagen dieser Studie zufolge: Unsere Kinder bekommen keine frühkindliche Erziehung in den Kindertagesstätten wegen des Betreuungsgeldes. Das heißt doch im Umkehrschluss: Das Betreuungsgeld zementiert in Deutschland die soziale Deklassierung und verhindert den sozialen Aufstieg, oder?
    Niebler: Herr Kapern, ich sage noch einmal: Diesen Eindruck habe ich nicht gewonnen. Und wenn Sie die Zahl noch mal nachschauen, wird wirklich breit nachgefragt, und ich stelle auch nicht fest, dass ausschließlich von bildungsfernen Schichten hier das Kindergeld wird, sondern eben genauso auch von Familien, die einfach eine flexible Lösung brauchen und die auch den Anspruch erheben, ihre Kinder halt zu Hause selbst zu erziehen. Und das muss man auch ein Stück weit respektieren. Und da lasse ich auch eine Studie, die mir anderes vermitteln will, lasse ich in diesem Falle so nicht gelten.
    Klein: Die CSU-Politikerin Angelika Niebler zum Betreuungsgeld, mit ihr sprach mein Kollege Peter Kapern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.