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Betroffene zu Beteiligten machen

Ab 2020 soll ein Tunnel die deutsche Ostseeinsel Fehmarn mit Dänemark verbinden. Die Anwohner auf deutscher Seite befürchten Nachteile für Umwelt und Gesundheit . Damit sie nicht zu "Wutbürgern" werden, sollen sie nun in einem Dialogforum in die Planung einbezogen werden.

Von Dietrich Mohaupt | 06.09.2011
    Stuttgart 21 - der Begriff hängt wie ein Damoklesschwert über den Planungen für die feste Fehmarnbeltquerung. Vor allem die Straßen- und Schienenanbindung des geplanten Tunnels auf deutscher Seite hat schon zu massiven Protesten in der ganzen Region zwischen Fehmarn und Bad Schwartau geführt. Die Bewohner der Ferienorte an der Ostseeküste befürchten erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen und Folgen für den Tourismus durch eine neue Bahntrasse, auf der allein bis zu 150 Güterzüge täglich rollen könnten. Da macht schon mal das Wort vom "Wutbürger" die Runde. Auch bei Bodo Gehrke, Anwohner an einem der möglichen Trassenverläufe, wächst die Wut langsam aber sicher:

    "Die Gefahr ist da, die kann ich bei mir selber beobachten, weil immer wenn wir Impulse setzen, Gutachten machen lassen und so weiter, laufen wir fast wie ins Leere. Es wird einfach weitergeplant, weitergeplant, weitergeplant obwohl nichts geklärt wird. Das ist ein guter Grund, wütend zu werden."

    Und genau dieser Wut soll das Dialogforum den Boden entziehen. Bürgerbeteiligung heißt das Stichwort. Die Fehler von Stuttgart 21 wolle man auf jeden Fall vermeiden, betont der von der Landesregierung eingesetzte Schlichter Christoph Jessen. Als ehemaliger Botschafter Deutschlands in Dänemark geht der 64-Jährige mit reichlich diplomatischer Erfahrung an die heikle Aufgabe - eine norddeutsche Variante von Heiner Geissler will er auf keinen Fall sein.

    "Wir wollen eben kein Stuttgart 21 - der Geißler ist gekommen, als das Kind in den Brunnen gefallen war. Wir sind vorher dran, wir wollen im Grunde mitwirken, dass der Brunnen so gestaltet wird, dass kein Kind reinfallen kann."

    Ein Faden, den Verkehrsminister Jost de Jager in seiner Einführungsrede nur allzu gerne aufnahm. Er appellierte an den Willen zur Kooperation:

    "In Schleswig-Holstein muss es uns doch gelingen, den weiteren Weg zur Fehmarnbeltquerung möglichst miteinander zu beraten und zu planen. Und dafür machen wir Betroffene zu Beteiligten, es geht darum dass Bedenken nicht nur vorgebracht werden können, sondern vor allem, dass sie in die Planungen eingebracht werden können."

    Schöne Worte - ohne allzu viel Substanz, so die Kritik der Projektgegner. Insgesamt 13 Bürgerinitiativen haben sich zur Allianz gegen eine feste Fehmarnbeltquerung zusammengeschlossen - und die hatte schon im Vorfeld des Dialogforums eine massive Einmischung der Landesregierung beklagt. Unabhängig sei dieses Forum nicht, kritisierte Malte Siegert als Sprecher der Allianz:

    "Es geht darum, dass das Land Schleswig-Holstein diesen Prozess dirigiert und ihn auch instrumentalisiert im Zuge des beginnenden Wahlkampfes mit Blick auf den 6. Mai 2012, da wird in Schleswig-Holstein ja wieder gewählt. Es nimmt der Minister für Wirtschaft an diesem Forum teil, obwohl zugesagt wurde, dass eigentlich kein Minister teilnehmen soll - wenn man so anfängt, dann muss man sich nicht wundern, wenn einem von vorneherein so ein Forum um die Ohren fliegt."

    Für weitere heftige Diskussionen sorgte die Frage der Finanzierung des Dialogforums - pro Jahr sollen die Landesregierung und Sponsoren dafür 100.000 Euro aufbringen, zu wenig für weitere externe Gutachten, kritisierte Malte Siegert. Ob man unter diesen Umständen überhaupt weiter an dem Dialogforum teilnehmen könne - das müsse man genau prüfen, verkündete er zum Abschluss der Auftaktveranstaltung. Für den Wirtschaftsminister und designierten Spitzenkandidaten der CDU für die kommende Landtagswahl, Jost de Jager, sind das nur die üblichen Randerscheinungen. Alltag bei einer Bürgerbeteiligung:

    "Das ist ein mühsames Geschäft - es war uns allen klar, dass ein solches Dialogforum Arbeit ist, das ist deutlich geworden. Auf der anderen Seite ist aber auch deutlich geworden dass die Teilnehmer bereit sind, tatsächlich an konkreten Lösungen auch mitzuwirken und insofern gehe ich mit einem guten Gefühl aus dieser Sitzung heraus."

    Und offenbar mit dem ganz festen Glauben: Stuttgart 21 ...

    " ... davon sind wir Lichtjahre entfernt."