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Beziehungen EU-Türkei
Wichtige Partner füreinander

Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sind zwar belastet, aber außer den Österreichern scheint derzeit niemand explizit das Ende der Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei zu fordern. Beide Seiten sind sich einig, dass sie einander brauchen. Das Stichwort der Politik heißt deshalb Normalisierung.

Von Annette Riedel | 03.09.2016
    Ein Gruppenfoto der EU-Außenminister während eines Treffens in Bratislava.
    Ein Gruppenfoto der EU-Außenminister während ihres Treffens in Bratislava. (dpa/picture-alliance/Jakub Gavlak)
    Verbale Abrüstung, zurück zum Dialog miteinander, an Stelle des Beschwerens übereinander – dieses Motto scheinen sich die EU-Außenminister in Bratislava gegeben zu haben für das Treffen mit dem türkischen Europa-Minister Celic. Man strebe eine "Normalisierung" des Verhältnisses an, sagte der slowakische Außenminister Lajcak am Morgen.
    "Wir sind wichtige Partner füreinander, die Türkei und die EU sind international bedeutende Akteure. Es ist gut, dass wir uns treffen, dass wir über die Probleme reden. Ich bin sicher, die Beziehungen werden jetzt wieder besser."
    Auch EU-Erweiterungskommissar Hahn sieht es so. "Das ist immer wichtig, sich auszutauschen, dass wir informiert werden, dass wir informieren, über die Sichtweisen und ich denke, wir sind hier auf einer sehr guten Gesprächsebene."
    Was aber nicht heißt, dass die Kritik an dem verstummt, was den meisten in der EU als Maßlosigkeit der Türkei erscheint beim Umgang mit Verantwortlichen oder mutmaßlichen Sympathisanten des gescheiterten Militärcoups. Der belgische Außenminister Reynders war der nicht der einzige, der darauf verwies, dass man den Putschversuch von Anfang an genauso verurteilt habe, wie man danach die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien anmahnen müsse bei den türkischen Reaktionen darauf. "Die Reaktionen müssen verhältnismäßig sein. Es ist normal, dass es Sanktionen gibt, aber wenn man die Massenverhaftungen sieht, ist das schon beunruhigend."
    Flexibilität bei der Umsetzung signalisiert
    Wenngleich außer den Österreichern momentan niemand explizit das Ende der Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei zu fordern scheint – so verwies Reynders aber doch noch einmal auf die "Rote Linie" für die EU: Würde die Türkei die Todesstrafe wiedereinführen, wäre das das Ende ihres Weges nach Europa."Si la Turquie devais reprendre le chemin de la peine de mort, c’est la fin du chemin Européen."
    Die EU-Außenminister begrüßen sehr, dass die Türkei angekündigt hat, Beobachter des Europarats zuzulassen, wenn es um die juristische Aufarbeitung des Putschversuchs geht.
    Niemand unter den Außenministern äußerte in Bratislava Zweifel daran, dass der Flüchtlingsdeal mit der EU auch von Ankara aus nicht zur Disposition steht. Bei der Erfüllung ausnahmslos aller Kriterien, um die verabredete Visa-Freiheit für türkische Bürger in der EU zu bekommen, könne es von den Europäern in der Sache kein Entgegenkommen geben, sagte EU-Kommissar Hahn. Schon allein wegen der Glaubwürdigkeit der EU, wenn dieses Thema ja auch mit weiteren Partnern verhandelt wird. Allerdings signalisierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok, Flexibilität auf der Zeitschiene, sollte Ankara dies wünschen. Die Zustimmung des Europaparlaments zur Visafreiheit ist zwingend. "Sie wollen mit Europa im Gespräch bleiben. Sie möchten den Flüchtlingsdeal halten, aber sehen auch, dass sie wegen des Putsches zur Erfüllung der 72 Kriterien – insbesondere der letzten zur Anti-Terror-Gesetzgebung – mehr Luft und Zeit brauchen."
    Türkischer Kampf gegen IS begrüßt - aber auch Besorgnis
    An der Aufkündigung des Flüchtlingsdeals könne auch Ankara jedenfalls nicht gelegen sein. Und auch nicht daran, es sich mit der EU zu verscherzen, auf deren Konto immerhin 70 Prozent aller ausländischen Investitionen in der Türkei gingen. Von "Erpressungspotenzial" für Ankara durch den Flüchtlingsdeal könne also keine Rede sein.
    Zu den Themen, bei denen man jenseits des Flüchtlingsproblems zwingend mit der Türkei im Gespräch bleiben muss, gehört der Kampf gegen den IS in Syrien. Da hat die Türkei zuletzt ihr militärisches Engagement verstärkt. Was etwa Bundesaußenminister Steinmeier zugleich begrüßt und besorgt. Wie Elmar Brok auch. "Ich bin der Auffassung, dass die Türkei den Kampf gegen ISIS fortsetzen soll – das begrüße ich, dass sie das machen. Aber sie dürfen nicht in die kurdischen Gebiete Syriens einmarschieren, zumal diese Kurden auch gegen ISIS kämpfen."
    Dieses Thema dürfte im Gespräch mit dem türkischen Europaminister am Vormittag ebenfalls von den EU-Außenministern angesprochen worden sein.