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Beziehungen zwischen EU und USA
Brückenbauer für Trump

Portugals Außenminister Augusto Santo Silva kann sich eine Vermittlerrolle seines Landes vorstellen, um den sich anbahnenden Konflikt zwischen der EU und den USA aufzufangen. Bislang konnte sich das portugiesische Parlament jedoch nicht einmal auf eine gemeinsame Haltung zum Einreiseverbot des US-Präsidenten verständigen.

Von Tilo Wagner | 09.02.2017
    Interview mit dem portugiesischen Außenminister Augusto Santos Silva am 11.11.2016.
    Hat sich als Brückenbauer zwischen den USA und der EU ins Gespräch gebracht: der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva. (imago / Lichtgut)
    Die portugiesischen Parteien wollten eigentlich ein klares Zeichen setzen und das Einreiseverbot von US-Präsident Donald Trump für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verurteilen. Doch dann stritt das Parlament über die genaue Formulierung einer solchen Resolution. Am Ende stimmten die Abgeordneten über fünf verschiedene Vorschläge ab, und keiner wurde einstimmig angenommen. Auch die Portugiesen tuen sich schwer damit, wie sie sich gegenüber der neuen US-Regierung verhalten sollen.
    "Trumps Politik hat schwere Folgen für die Gesellschaft, und alle Staaten müssen geschlossen dagegen demonstrieren, sonst wird alles nur noch schlimmer", findet eine junge Frau in Lissabon. Ein älterer Herr mahnt, dass Portugal keine Alleingänge gehen dürfe, sondern mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten an einem Strang ziehen solle. Vor einer allzu harten Haltung hat diese Lissabonnerin aber trotzdem Angst: "Ich hoffe nur, dass wir dann nicht solche harten wirtschaftlichen Konsequenzen zu spüren bekommen wie Mittel- oder Lateinamerika."
    Portugal als Vermittler
    In einem Interview mit der Wochenzeitung "Expresso" verweist der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva auf eine mögliche neue Rolle für Portugal: Sein Land könnte ein Vermittler sein, um einen sich anbahnenden Konflikt zwischen der EU und den USA zu entschärfen.
    Und das kommt nicht von ungefähr. Carlos Gaspar vom "Portugiesischen Institut für internationale Beziehungen" erinnert an ein Bild des großen portugiesischen Dichters Fernando Pessoa: Die Vorstellung, dass Portugal das Gesicht Europas sei, das dem Atlantik zugerichtet ist, gehöre zu den identitätsbildenden Mythen der portugiesischen Nation. Die Beziehungen zu den USA, so Gaspar, seien auch im 21. Jahrhundert von essentieller Bedeutung für die kleine iberische Nation:
    "Portugal ist hinsichtlich seiner Verteidigungs- und Sicherheitspolitik so abhängig von den USA wie kaum ein anderes europäisches Land. Portugal ist zuständig für ein großes Gebiet im Atlantik und kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn die Sicherheit dieser maritimen Zone gemeinsam mit den nordatlantischen Partnern garantiert werden kann."
    Neue strategische Bedeutung der Atlantikinseln
    Das erklärt auch, warum sich die portugiesische Regierung zusammen mit anderen westlichen Mittelmeerstaaten auf einem Treffen in Porto zu Beginn der Woche für eine stärkere Präsenz der NATO im Süden Europas stark gemacht hat.
    Hinter der Hoffnung auf eine Annäherung zwischen Lissabon und Washington steckt aber noch ein anderer Aspekt: Unter Präsident Obama ist die amerikanische Präsenz auf der US-Militärbasis Lajes auf den Azoreninseln drastisch reduziert worden. Doch die neue, nationalistische Strategie von Donald Trump könnte der Militärbasis auf den portugiesischen Atlantikinseln eine neue Bedeutung geben, sagt der Politologe und Amerika-Experte Bernardo Pires de Lima:
    "Wenn sich ein Staat mehr auf sich selbst konzentriert, dann ist ihm das, was in der Nähe liegt, wichtiger, als das, was in der Ferne liegt. Konkret könnte der neuen US-Regierung der Atlantik wichtiger werden als zum Beispiel der Pazifik, das Mittelmeer oder der Nahe Osten, denn der Atlantik bildet die unmittelbare Grenze. In diesem Fall könnten die Azoren für die USA wieder eine weitaus größere strategische Bedeutung haben."
    Nicht nur Potugal will vermitteln
    Die Militärbasis war zuletzt nicht viel mehr als eine Tankstelle für amerikanische Flugzeuge und Kriegsschiffe im Atlantik. Doch Lissabon und Washington haben bereits in der jüngeren Vergangenheit über neue Nutzungsmöglichkeiten nachgedacht, zum Beispiel über den Bau eines neuen Forschungszentrums der NASA.
    Noch hat die portugiesische Regierung nicht genau erklärt, wie ihre Vermittlerrolle zwischen Washington und Brüssel aussehen könnte. Der Politologe Bernardo Pires de Lima glaubt, dass die portugiesische Diplomatie ihren Einfluss in Washington ohnehin überschätzt:
    "Portugal hat sich selbst seit Jahren eine Vermittlerrolle in akuten internationalen Krisen zugeschrieben, und der jetzige Außenminister macht mit dieser Politik weiter. Portugals Diplomatie baut auf den Einfluss von portugiesischstämmigen Republikanern in Washington wie dem Abgeordneten Devin Nunes. Tatsächlich soll Nunes in der Phase der Transition von Obama zu Trump sehr aktiv gewesen sein. Aber Fakt ist, dass er nun in der Regierung Trump keine Rolle mehr spielt. Deshalb halte ich die Erwartungen in Lissabon für überzogen."
    Auch was die Bereitschaft der anderen europäischen Staaten betrifft, Lissabon als Vermittler zu sehen: Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat der US-Regierung nach einem Telefonat mit Trump eine ganz ähnliche Vermittlerrolle angeboten.