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BGH stärkt Position von VW-Kunden
"Sehr deutliche Richtungsangabe des Gerichts"

VW-Kunden müssen weiter auf ein Grundsatz-Urteil im Abgasskandal warten - die Verhandlung am Bundesgerichtshof ist geplatzt. Doch der BGH habe klar gemacht, dass Haftungsansprüche wegen illegaler Abschalteinrichtungen bestünden, sagte Jutta Gurkmann vom Bundesverband der Verbraucherzentrale im Dlf.

Jutta Gurkmann im Gespräch mit Jasper Barenberg | 22.02.2019
VW-Logo und Richterhammer
Mit seinem Hinweisbeschluss im VW-Abgasskandal stärkt der Bundesgerichtshof die Position der Verbraucher (imago )
Jasper Barenberg: Am Telefon ist jetzt Jutta Gurkmann. Beim Bundesverband der Verbraucherzentrale leitet sie den Bereich Verbraucherpolitik. Schönen guten Tag, Frau Gurkmann!
Jutta Gurkmann: Schönen guten Tag, Herr Barenberg.
Barenberg: Frau Gurkmann, die ersten Einschätzungen lauten jetzt von vielen Beobachtern, damit steigen jetzt die Chancen von Dieselbesitzern auf Schadenersatz. Sehen Sie das auch so?
Gurkmann: Das würden wir jetzt erst mal auch so sehen, in der Tat. Es handelt sich hier zwar um einen Gewährleistungsfall, und Sie wissen ja, die Musterfeststellungsklage, die wir gegen VW führen, basiert primär auf deliktischen Schadenersatzansprüchen. Wir werden deswegen auch uns den Hinweisbeschluss genauer anschauen, sobald er veröffentlicht ist, und sehen, was genau da verwendbar ist für uns. Aber der BGH hat doch durchaus sehr deutlich zu erkennen gegeben, dass es hier auch Haftungsansprüche gibt, wenn man illegale Abschalteinrichtungen verwendet.
BGH sieht grundsätzlich Schadenersatzansprüche oder Gewährleistungsansprüche
Barenberg: Darf ich das Argument noch mal umdrehen oder diese Neuigkeit für die bisherigen Verfahren. Es gab ja schon sehr viele Verfahren auf verschiedenen Gerichtsinstanzen. Bisher musste man sagen, die Chancen sind nicht sehr groß, weil in den meisten Fällen VW recht bekommen hat oder VW-Händler. Da verschiebt sich, da ändert sich jetzt gerade etwas?
Gurkmann: Wir haben ja ganz viele Fälle, kurz vor einer Verhandlung vor einem Ober- oder jetzt zum ersten Mal höchstgerichtlich in einer anderen Version stattfindenden Verhandlung. Die Verhandlungen wurden kurz vor Stattfinden abgesagt. Man habe sich geeinigt und der Kläger muss dann die Klage zurücknehmen, und das wurde dann häufig von VW so verargumentiert, dass es keine Ansprüche gebe und deswegen das Verfahren nicht weitergeführt wurde. Aus unserer Sicht war das immer anders. Die Klagen wurden zurückgenommen, weil man sich geeinigt hat. Das heißt aber auch, man hat sich zur Zufriedenheit der Verbraucher geeinigt. Das kann aus unserer Sicht natürlich nur stattgefunden haben, wenn es auch Ansprüche gab. Wir haben jetzt durch diesen Hinweisbeschluss endlich auch von einem höchsten Gericht, nämlich von dem höchsten deutschen Gericht die Aussage, dass man grundsätzlich durchaus hier Schadenersatzansprüche oder Gewährleistungsansprüche sieht.
Barenberg: Nur, dass die Interessierten das richtig verstehen und ich auch. Wenn Sie von einem Hinweisbeschluss reden, wenn ich lese, es handelt sich um eine vorläufige Rechtsauffassung, dann müssen wir auch immer noch sagen, das kann sich auch noch mal ändern.
Gurkmann: Ja, aber ein Hinweisbeschluss ist schon eine sehr deutliche Meinung. Ja, es kann sich noch ändern, wenn tatsächlich die Rechtslage durch neues Vorbringen sich völlig anders darstellen würde. Aber Hinweisbeschlüsse sind schon eine sehr deutliche Richtungsangabe des Gerichts.
"Wir sind schon sehr glücklich mit diesem Hinweisbeschluss"
Barenberg: Man hat ja auch ein bisschen durchgehört, dass die Verfahren bisher nicht zum obersten Gerichtshof gekommen sind, weil sich Autohersteller und Kläger geeinigt haben. Meistens ist da auch Geld im Spiel gewesen. Warum ist es für Sie so wichtig, dass bald einmal ein Fall am BGH verhandelt und dann auch entschieden wird?
Gurkmann: Wie gesagt, wir sind schon sehr glücklich mit diesem Hinweisbeschluss, weil es auch eine Äußerung ist, die eine Richtung zumindest anzeigt. Aber sobald natürlich der BGH einmal entschieden hat, auch in einem Deliktfall möglichst, dass Ansprüche bestehen, hat das eine ganz erhebliche Signalwirkung für andere Fälle.
Barenberg: Was erhoffen Sie sich jetzt für die Zukunft?
Gurkmann: Wir erhoffen uns natürlich, dass es in unserem Verfahren auch gut läuft, dass auch, wenn wir weitermachen, unsere Schadenersatzansprüche durchgehen und damit auch ganz, ganz viele weitere Verbraucher zu ihrem Recht kommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.