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Bhutan
Im Himalaya geht's aufwärts

Das glücklichste Land der Welt hatte einst die schlechteste Fußball-Nationalmannschaft der Welt. Doch nach einer schier endlosen Serie von Niederlagen, zeigt Bhutan in der WM-Qualifikation Anzeichen eines Leistungsanstiegs. Die Fans sind begeistert.

Von Jürgen Kalwa | 30.08.2015
    Spieler der Fußball-Nationalmannschaft von Bhutan nach einem Sieg über Sri Lanka.
    Spieler der Fußball-Nationalmannschaft von Bhutan nach einem Sieg über Sri Lanka. (picture alliance / dpa / M.A.Pushpa Kumara)
    och oben in den abgeschiedenen Tälern des Himalaya gibt es ein ungewöhnliches Land von der Größe der Schweiz. Es ist ein Königreich, in dem der Buddhismus für ein starkes spirituelles Fundament sorgt. Und wo das Gefühl herrscht, dass man anders ist und das Anderssein auch bewahren möchte.
    Es sei denn, es geht um Fußball. Dann zeigt man in Bhutan sehr gerne, dass man dazugehört. Mit FIFA-Banner. Und mit FIFA-Fanfare. Selbst bei nicht ganz so wichtigen Turnieren wie Anfang Juli in Paro. Der Stadt, mit deren Flugplatz Bhutan Anschluss an den Rest der Welt hält. Die Bedingungen hier, in über 2000 Metern Höhe, sind nicht ideal. Der Rasenplatz zum Beispiel ist holprig und durchsetzt mit Stellen, an denen kein Gras mehr wachsen will. Nicht zu reden vom Spielniveau.
    Aufmerksamkeit durch einen gutwilligen Holländer
    Vom bhutanesischen Fußball weiß der Rest der Welt denn auch so gut wie nichts. Oder wenn dann nur, weil ein gutwilliger Holländer vor dreizehn Jahren einen kuriosen Plan in die Tat umsetzte: "The Other Final". Bhutan, damals Platz 202 der FIFA-Rangliste und damit Vorletzter, empfing die Mannschaft aus Montserrat, Platz 203. Schlusslichter unter sich.
    Der Film, der das denkwürdige Ereignis und das komplizierte Drumherum festhielt, wurde 2005 beim "11mm Fußballfilmfestival" in Berlin übrigens mit dem Publikumspreis bedacht. Er ist tatsächlich eine Werbung für Fußball. Für jene Art von Fußball, der etwas bewegt.
    Wer das FIFA-Ranking durchgeht, wird nämlich feststellen, dass sich in Bhutan seitdem einiges getan hat. Die Nationalmannschaft, die nach dem 4:0-Sieg von 2002 über die Kariben jahrelang so gut wie jedes Spiel verlor und - was noch deprimierender ist - dabei so gut wie kein einziges Tor erzielte, steht neuerdings sehr viel besser dar. Auf Platz 164. Es gibt Gründe, sagt der Generalsekretär des bhutanesischen Fußballverbandes, dessen Namen - Ugyen Wangchuk - er lieber selber aussprechen sollte. "My name is Ugyen Wangchuk."
    Wir treffen uns zum Interview im "House of Football" in der Hauptstadt Timphu. Gleich neben dem Chanjiji Football Ground mit seiner Kunstrasenspielfläche. Eingeweiht 2005 dank der Unterstützung der FIFA. "Wir haben dann mit dem Trainingscenter angefangen. 90 Prozent der Nationalmannschaft von heute kommen daher. Wir werden noch mehr heranbilden. Vielleicht haben die die Chance, außerhalb des Landes zu spielen."
    Bhutanesischer Ronaldo
    So wie der 19-jährige Chencho Gyeltshen, der neulich in der Vorausscheidung für die laufende WM-Qualifikation das höher eingeschätzte Sri Lanka fast im Alleingang ausschaltete. "Ich nenne ihn den bhutanesischen Ronaldo. Er sieht ihm sogar ein wenig ähnlich. Und er spielt so wie Ronaldo, er ist schnell, dribbelt gerne und schießt so viele Tore wie möglich."
    Einer alleine wird allerdings nicht reichen. Denn nun warten in der WM-Qualifikationsgruppe C der asiatischen Konföderation gleich vier Gegner von einigem Format: China, Hongkong, die Malediven und in dieser Woche in Doha das ultrareiche Katar, das mehr und mehr Fußballer aus Afrika ins Rennen schickt, die einfach eingebürgert werden. Auf jeden Fall hatte der Erfolg gegen Sri Lanka bereits Auswirkungen. Die neuen Nationaltrikots sind ein Renner.
    Trikots innerhalb von fünf Minuten ausverkauft
    "Wir haben vermutet, wir würden 500 oder 600 Hemden verkaufen und haben 1500 Stück herstellen lassen. Nach dem Spiel gegen Sri Lanka waren die innerhalb von fünf Minuten verkauft. Also mussten wir nachbestellen. Wir haben gesehen, dass es viele Fans gibt. Jetzt unterstützt fast jeder unsere Mannschaft und unser Land. Das bringt alle Leute zusammen."
    Was mehr ein logistisches, denn ein philosophisches Problem ist. Die 700.000 Einwohner von Bhutan leben in einer unwegsamen Landschaft mit einem dürftig ausgebauten Straßennetz, das im Sommer, wenn der Monsun kommt, immer wieder von Erdrutschen außer Gefecht gesetzt wird.
    Tatsächlich können sich die Menschen im mutmaßlich glücklichsten Land der Welt auch über Kleinigkeiten freuen. Zum Beispiel dann, wenn die Spieler mal wieder verlieren. So wie im Juni zuhause gegen China, als die Mannschaft sich eines dieser typischen Resultate einhandelte: ein 0:6. Die Fans feierten im Stadion und feierten hinterher in den Straßen der Hauptstadt. Warum auch nicht? Das Team hatte bis zur 45. Minute ein torloses Unentschieden gehalten.