Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Biblioteca Apostolica Vaticana
Vatikandiplomatie auf dem Nebengleis

Die Annäherung zwischen den USA und Kuba kam wesentlich durch die Vermittlung des Vatikans zustande. Beim Verhältnis zu China beißt sich aber auch der Heilige Stuhl die Zähne aus - hier wird der Leiter der Biblioteca Apostolica Vaticana zum Hilfsdiplomaten.

Von Jan-Christoph Kitzler | 13.07.2016
    Eine rote Fußmatte liegt am Eingang der Bibliothek des Vatikans
    Am Eingang der Bibliothek des Vatikans (dpa / picture alliance / Fabio Frustaci))
    Die Bibliotheca Apostolica Vaticana gehört zu den bedeutendsten Bibliotheken der Welt. Die ältesten Handschriften des neuen Testamentes lagern hier, wertvolle, unbezahlbare Bücher und rund 80.000 Manuskripte. Wertvolle Sammlungen zur Kunst- und Medizingeschichte. Jeder kann hier forschen, der qualifiziert ist und eine wissenschaftliche Empfehlung hat.
    Diese Bibliothek gehört nicht der katholischen Kirche, sondern der Menschheit, sagt ihr Leiter, der französische Erzbischof Jean-Louis Bruguès. Und gleichzeitig öffnet diese Bibliothek Wege, wo keine waren.
    "Die Kultur schafft es, Brücken zu bauen, wo andere menschliche Aktivitäten vor allem Grenzen setzen oder Gegensätze schaffen. Die Kultur ist der einfachste, direkteste Weg der Kommunikation zwischen Völkern und Zivilisationen. Die Kultur ist die Originalsprache der Menschheit."
    Aber: Auch in der katholischen Kirche hat man eine gewisse Erfahrung damit, wenn die normale Sprache versagt. Das Verhältnis zu einigen Staaten ist mehr als angespannt, es herrscht eisiges Schweigen. Und so ist es auch zum Beispiel mit einigen orthodoxen Kirchen. Jean-Louis Bruguès dachte, als er 2012 die Leitung der Vatikanischen Bibliothek übernahm, dass er sich vor allem um das Management kümmern müsste. Tatsächlich ist er so eine Art Diplomat geworden, der, abseits der offiziellen Kanäle, für Annäherung sorgt:
    "Die diplomatische Dimension, vielleicht ist das nicht das richtige Wort, wird immer stärker. Ich bin von Regierungen und auch von Patriarchaten in Belgrad, Bukarest und Sofia eingeladen worden, und jetzt warten wir auf einen Anruf aus Mazedonien."
    Denn zu den Schätzen des Vatikans gehören auch viele Dokumente über andere Länder, andere Religionsgemeinschaften, die es nur noch hier gibt. Als Hitlers Truppen zum Beispiel die Nationalbibliothek von Belgrad niederbrannten, verlor die serbische Nation auch einen Teil ihres kulturellen Gedächtnisses, nur ein Beispiel, wo der Vatikan helfen kann:
    "Sie haben einen wichtigen Teil ihrer Erinnerung verloren, also bitten diese Völker, diese Kirchen die Vatikanische Bibliothek, ihnen dabei zu helfen, einen Teil der verschwundenen Erinnerung zu rekonstruieren."
    1.200 chinesische Manuskripte als Schlüssel
    Und über diese Art der Hilfestellung lassen sich dann auch die offiziellen Beziehungen verbessern. Der Leiter der Vatikanischen Bibliothek war schon zu Gast in Kuba, dessen Regierung nicht gerade brennend katholisch ist. Inzwischen hat auch Papst Franziskus das Land besucht.
    Ein vielleicht besonders weißer Fleck für die vatikanische Diplomatie ist China. Dort wird die katholische Kirche teilweise unterdrückt. Und auch wenn Papst Franziskus wiederholt erklärt hat, er würde das Land gerne besuchen: Die Beziehungen zwischen China und dem Vatikan sind mehr als nur schwierig. Aber auch in diesem Fall wird Erzbischof Bruguès zum Hilfsdiplomaten:
    "Wir haben in unserer Bibliothek 1.200 Manuskripte der letzten beiden chinesischen Dynastien. Es gab die Anfrage, diese zu digitalisieren und die Kopien nach Peking zu schicken. Aber seit sechs Monaten haben wir keine Nachrichten mehr aus China."
    Vielleicht auch, weil Bruguès zwei Forderungen gestellt hat. Die Chinesen sollten die Digitalisierung bezahlen und, wahrscheinlich schwieriger, eine Ausstellung mit den vatikanischen Dokumenten machen. So ganz hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich auch die Beziehungen zu China mithilfe der Biblioteca Apostolica Vaticana verbessern lassen. Und während er das sagt, lächelt er fein und diplomatisch.