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Biden-Kabinett
Top-Genetiker wird Minister

Unter Donald Trump hatten wissenschaftliche Berater im Weißen Haus einen schweren Stand. Präsident Joe Biden will das ändern. Er hat den renommierten Genforscher Eric Lander zum obersten Wissenschaftsberater ernannt und bietet ihm - erstmals in der US-Geschichte - einen Platz am Kabinettstisch.

Von Michael Lange | 20.01.2021
Eric Lander ist Professor an der Harvard Medical School.
Stimme der Wissenschaft im Weißen Haus: Eric Lander, Professor an der Harvard Medical School und Gründer des Broad-Instituts für Molekulargenetik wird US-Wissenschaftsminister. (GETTY IMAGES NORTH AMERICA)
Die neue US-Regierung unter Joe Biden will verstärkt auf Rat aus der Wissenschaft hören. Bereits im Wahlkampf hatte der neue US-Präsident immer wieder verkündet, die Einschätzung von Experten solle künftig wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Sein Vorgänger Donald Trump hatte viele Entscheidungen - etwa zur Bekämpfung der Corona-Pandemie - aus dem Bauch heraus getroffen und die Fakten mitunter so verdreht, dass seine Wissenschaftsberater im Hintergrund nur den Kopf schütteln konnten. Mit Eric Lander holt sich Joe Biden nun einen Spitzenforscher an seine Seite und ernennt ihn zum Minister für Wissenschaft und Technologie.

Wer ist Eric Lander?

Der renommierte Forscher ist Gründer und Direktor des Broad-Instituts für Genomforschung, das in der Molekulargenetik zur Weltspitze zählt. Wenn er bei Konferenzen eine Bühne betritt, spürt man sofort seine Energie und Tatkraft. Er ist ein Vollblut-Wissenschaftler, der weiß, was er sagt und was er will. Es wird ihm ein großes Ego nachgesagt, und das ist auch spürbar, wenn man ihm begegnet. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er fast schon wie eine Naturgewalt, ständig in Bewegung. Nach einem Vortrag sieht seine Kleidung oft etwas derangiert aus, das Hemd hängt dann schon mal aus der Hose. Gleichzeitig wirkt er ein wenig aus der Zeit gefallen: Mit Schnauzbart und Lockenkopf, ganz im Stil der 1980er-Jahre.

Was hat er als Wissenschaftler geleistet?

Eric Lander war einer der bekanntesten Köpfe hinter dem Human-Genom-Projekt, bei dem zwischen 1990 und 2003 das menschliche Erbgut erstmals vollständig erfasst wurde. Er war damals um die 40 Jahre alt, hatte Mathematik studiert und war dann in die Biologie gewechselt. Im Human-Genom-Projekt stand er als relativ junger Wissenschaftler noch in der zweiten Reihe, galt aber als guter Organisator und Mastermind im Hintergrund. Schon damals konnte er sich gegenüber prominenten und streitbaren Köpfen wie James Watson, Craig Venter oder Frances Collins behaupten. Später gründete er dann ein eigenes Forschungsinstitut, aus dem das Broad-Institut für Genomforschung hervorgegangen ist. Bis heute leitet Eric Lander als Präsident dieses Institut.

Welchen Ruf hat das Broad-Institut?

Das Broad-Institut gilt weltweit als beste Adresse in der Molekulargenetik. Betrieben wird es von zwei Spitzenuniversitäten: Der altehrwürdigen Universität Harvard und der technischen Elite-Universität MIT. Der Forschungstempel steht an einer Hauptstraße mitten in der Universitätsstadt Cambridge, Massachusetts. Unten eine repräsentative Eingangshalle mit langer Treppe in den Forschungsolymp. Darüber: Unzählige übervolle Labore und meist kleine Büros - und Eric Lander bislang immer mittendrin. Er ist kein Chef, der von seinem Büro aus alles koordiniert. Er wuselt gern durch die Gänge, verschafft sich vor Ort einen Überblick und schaut den meist jungen Wissenschaftlern über die Schulter.

Hat Eric Lander Erfahrung im Politikbetrieb?

Eric Lander ist einerseits ein Überflieger und Genie, dem es nie schnell genug gehen kann. Andererseits betont er stets, er sei vor allem Lehrer. Auf seinem Twitter-Account bezeichnet er sich selbst als Genetiker, Mathematiker und Lehrer. Bis vor kurzem hielt der 63-jährige Professor am MIT noch die Anfängervorlesung für junge Studierende. Mit Begeisterung erklärt er denen die Grundlagen moderner Biologie – ohne technische Hilfsmittel, mit Kreide an der Tafel. Aber er ist natürlich auch ein versierter Wissenschaftsmanager mit politischer Erfahrung. 2008 berief ihn Präsident Barack Obama in sein Beratergremium. Eric Lander bezog dort Position für mehr Grundlagenforschung, aber auch für den Natur-, Umwelt- und Klimaschutz.

Was kann die Wissenschaft von dieser Personalie erwarten?

Eric Lander ist und bleibt auf jeden Fall ein Vollblut-Wissenschaftler, der klar Position bezieht. Wissenschaftliche Ungenauigkeiten oder Fehler lässt er nicht durchgehen. Und er hat Selbstbewusstsein genug, um auch einem US-Präsidenten in die Parade zu fahren, wenn er das für nötig hält. Mit Eric Lander am Kabinettstisch wird die Stimme der Wissenschaft in Washington deutlich vernehmbar sein.