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Fünf "Denker" für Venedig

Die spannende Frage, welche Künstler Deutschland bei der Biennale in Venedig vertreten, ist gelüftet: Im Deutschlandfunk erklärte der Kommissar des deutschen Pavillons Florian Ebner, welche Hoffnungen er in die Künstler setze und gab schon mal einen kleinen Ausblick auf das, was die Zuschauer erwarten wird.

Florian Ebner im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 24.10.2014
    Florian Ebner (l), Kurator des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig 2015, unterhält sich am 24.10.2014 im Folkwang Museum in Essen (Nordrhein-Westfalen) mit dem Fotografen Tobias Zielony (M) und der Videokünstlerin Hito Steyerl.
    Florian Ebner (l), Kurator des Deutschen Pavillons auf der Biennale, unterhält sich mit dem Fotografen Tobias Zielony (m) und der Videokünstlerin Hito Steyerl. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Stefan Koldehoff: Es gibt diese Tage, an denen die Kulturwelt mal ihr Interesse nicht auf Werke, sondern auf Namen richtet. Wer erhält den Literaturnobelpreis? Wer geht für den Oscar ins Rennen? Wer leitet die nächste "documenta"? Wer vertritt Deutschland 2015 bei der Kunstbiennale in Venedig? Die zuletzt genannte Frage ist seit heute beantwortet, durch den Kommissar für den deutschen Pavillon. Benannt hat ihn schon vor einiger Zeit der für die auswärtige Kulturpolitik zuständige Bundesaußenminister. Florian Ebner heißt er, ist hauptberuflich Leiter der Fotografischen Abteilung im Museum Folkwang in Essen und hat eben dort heute seine Ideen der Öffentlichkeit vorgestellt und die Namen genannt, auf die alle gewartet haben: Olaf Nicolai, Hito Steyerl, Tobias Zielony und das Künstlerpaar Jasmina Metwaly und Philip Rizk, das in Kairo lebt. - Herr Ebner, was verbindet denn diese fünf?
    Florian Ebner: Es verbindet sie meine Hoffnung, dass alle vier Positionen, Figuren, diese fünf Künstler zusammen über unsere Bilder heute nachdenken, über unsere Bildkultur, über Bilder in Bewegung, migrierende Bilder, über digitales Licht. Es geht um einen Blick auf unsere wirkliche Gegenwart der Bilder. Es sind darunter drei visuelle Positionen, Hito Steyerl, Tobias Zielony und die beiden in Kairo lebenden Künstler, und Olaf Nicolai wird derjenige sein, der in dem Pavillon eine Szenografie vorstellen wird, eine Bühne bereitet für diese Arbeiten, mit dem Raum arbeitet, einen Raum interpretiert und ebenfalls auch eine Arbeit hinzufügt.
    Koldehoff: Sie leiten in Essen im Museum Folkwang die Fotografische Sammlung, eine der bedeutendsten fotografischen Sammlungen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Deswegen haben natürlich alle erwartet, jetzt kommen nur Fotokünstler. War Ihnen von Anfang an klar, als Sie zum Kommissar des deutschen Pavillons ernannt wurden, dass das nicht so sein würde?
    Ebner: Ja, das ist eine ganz, ganz gute Frage. Natürlich blickt man in die Geschichte des Pavillons zurück, in diese große Geschichte dieses Hauses, und man sieht, dass die Fotografie eigentlich relativ früh dort auftritt mit den Bechers und später auch mit Candida Höfer und Thomas Ruff und Katharina Sieverding und zuletzt ja auch mit Dayanita Singh und auch Santu Mofoken, und man stellt die Frage, was war das für eine Fotografie, die damals dort gezeigt worden ist, und wie schaut eigentlich unsere heutige Bildkultur aus. Und wenn man nachdenkt über die Fotografie heute, über das Fotografische heute, was ist eigentlich das Fotografische heute im digitalen Zeitalter, ist es klar, dass es vielleicht gar nicht immer nur Fotografinnen und Fotografen sind, die man ausstellt, sondern wenn man über Fotografie nachdenkt, über diese Begriffe wie zum Beispiel auch Teilhabe an Bildern, Teilhabe an damit auch politischen Prozessen, dass das nicht unbedingt nur Fotografen sind, die man da zeigen muss, sondern dass eigentlich das auch sich bei den anderen Künsten wiederfindet. Es ging im Grunde wirklich darum, Leute einzuladen, die in ihren Arbeiten etwas über diese Thematik, über dieses Inhaltliche sagen, und dann fiel die Wahl wirklich auf vier ganz verschiedene, wenn man jetzt die künstlerische Sozialisation anschaut, ganz unterschiedliche Leute und auf Nicolai, '62 in Halle geboren, in der DDR auch groß geworden, Hito Steyerl in München, Tobias Zielony in Wuppertal und die beiden anderen ganz woanders geboren, aber in Ägypten groß geworden, und das spiegelt eigentlich wieder, dass man nicht unbedingt zwanghaft sozusagen Künstler suchen muss, die von außen auf Deutschland gucken, aber vielleicht eine Mischung finden, in der im Grunde der Blick auf die Welt durchaus auch in Bezug auf Deutschland spannend sein kann.
    "Ein experimentelles Kammerspiel"
    Koldehoff: Über Olaf Nicolai haben Sie gerade schon gesprochen. Tobias Zielony ist bekannt geworden mit seinen Fotografien der unmittelbaren Gegenwart, häufig von Jugendlichen in der unmittelbaren Gegenwart und ihrer Umgebung und ihrer Lebensform und ihrem Lebenswillen und Konzept. Können Sie vielleicht noch was zu Hito Steyerl sagen und zu den beiden Künstlern aus Kairo?
    Ebner: Hito Steyerl ist eine ganz bemerkenswerte Filmemacherin, Videokünstlerin und Autorin und sie hat eigentlich zwei sehr bekannte Arbeiten: "November" von 2004 und "Lovely Andrea" von 2007. Da war sie auch auf der "documenta" mit vertreten. Wie keine andere verbindet sie eigentlich das Nachdenken über die Verwerfungen, sozialen, politischen, historischen Verwerfungen der Zeit mit dem Nachdenken über das Erzählen in Bildern, über das Filmemachen und noch dazu oftmals aus einem geografischen Kontext. Diese Konstellation ist ein Dreieraspekt aus ihren eigenen Arbeiten und zuletzt hat sie, wie ich finde, unglaublich spannend in Texten geschrieben. Sie schreibt unheimlich viel und ist unheimlich präsent, auch eingeladen auf Panels. Sie ist jemand, die äußerst scharf darüber nachdenkt, was eigentlich heute das Bild ist im Zeitalter der Algorithmen. Sie ist wirklich im Moment, wie ich finde, gerade in der Art und Weise, wenn man über die Materialität der Bilder nachdenkt - und die darf man nicht wegdenken heute - und ihre Allgegenwart, ziemlich brillant.
    Und die beiden Künstler aus Kairo, die waren schon in dem Projekt "Kairo - offene Stadt" mit dabei, waren bei uns Kuratoren eines Filmprogramms und sie haben ein ganz tolles Projekt in Kairo auf einem Flachdach gemacht. In diesem Projekt geht es auch um Teilhabe, da geht es darum, Leuten eine Stimme zu geben. Dieses Projekt ist eine Art experimentelles Kammerspiel. Das werden wir dann in dem Pavillon zeigen.
    Koldehoff: Dann schauen wir mal, ob wir da dann auch aufs Dach steigen müssen in Venedig. - Florian Ebner war das, der Kommissar des deutschen Pavillons bei der Biennale. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.