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Bierernst, Deutsch werden und kleine Schleimbolzen

Im Dokumentarfilm "Beerland" wird des Deutschen liebstes Getränk - das Bier - unter die Lupe genommen. Vom Reinheitsgebot, über die unterschiedlichen Ausprägungen von Mass bis Kölsch bis hin zur Beziehung des Deutschen zum Gerstensaft. Teils albern, aber eben auch Bier ernst.

Von Josef Schnelle | 25.04.2013
    Ein Deutscher:
    "Übungssatz Drei für Integrationskurse:
    Ich arbeite viel und komme immer sehr spät nach Hause. Am Wochenende ruhe ich mich aus. Und wenn dann ein guter Krimi im Fernsehen kommt, bin ich glücklich."

    Die Teilnehmer des Integrationskurses an einer Berliner Volkshochschule lernen nicht nur die Sprache, sondern die deutsche Gemütlichkeit gleich mit. Die Regisseurin Britt Beyer hat einen solchen Kurs zehn Monate begleitet und daraus einen sehenswerten Dokumentarfilm gemacht. In "Werden Sie Deutscher" zeigt sie den Weg von Jorge aus Argentinien, Shipon aus Bangladesch, Insaf aus Palästina und Emilia aus Bulgaren durch den Hindernis-Parcours der Deutschwerdung.

    "Zeit ist Geld" schreibt der Lehrer an die Tafel und dann noch "pünktlich auf die Minute". Die teilnehmende Beobachtung verrät mehr über Integration als tausend Talkshows und ist gleichzeitig ein oft unfreiwillig komisches verzerrtes Deutschlandbild. Das Leben selbst zeigt auch der Dokumentarfilm "Slow" von Sascha Seifert. Allerdings das der Schnecken. Der Untertitel "langsam ist das neue schnell" verrät, dass es dem Filmemacher nicht um einen schlichten Biologiefilm geht. Natürlich sehen wir die Schnecken wie sie über den Waldboden gleiten und beim einfachen Überwinden eines kleinen Astes schon fast scheitern. Seifert will diesen Film mit seinen sensationellen Aufnahmen der kleinen Schleimbolzen als filmische Meditation verstanden wissen. Der Betrachter muss sich selbst gewaltig entschleunigen, um die poetische Schönheit dieses Films genießen zu können, der ohne jeglichen Kommentar auskommt. Auf Tafeln mit philosophischen Zitaten bietet der Film jedoch zusätzliches Denkfutter zum Thema. In der Ruhe liegt die Kraft. Unterstützt wird die angeregte Meditation durch Musik.

    "Slow" ist ein extrem unaufgeregter Dokumentarfilm der gänzlich im Stuttgarter Stadtwald gedreht wurde - wenige Hundert Meter von den Büros der Filmproduktion. Höhepunkt des Films ist eine grandiose Sexszene in der zwei Schnecken ihre Unterseiten aneinander reiben. Sex-Szenen gehören nun einmal zum schwierigsten, was man in einem Film zeigen kann. Doch diese ist einfach ein kleines betörendes poetisches Meisterwerk. Dokumentarfilm kann so einfach sein. Das sagte sich auch Matt Sweetwood aus dem puritanischen Missouri, der lange schon in Deutschland lebt und begab sich auf die Suche nach der Substanz die Deutschland eint und fand heraus, dass es sich dabei um Bier handelt. Wieder eine teilnehmende Beobachtung aber eine in liebevollen Humor getauchte. "Beerland" ist eine ironische Reise durch Deutschland zu den Quellen der Bierkultur:

    "Ich geh zu einer Party hier in Deutschland und kauf einen Kasten Bier. Wie kann ich das machen, ohne dass die Leute total ausflippen und sagen. Nee das trink ich nicht?"

    "Das kann dir immer passieren."

    "Aber die streiten doch darüber.""Na klar logisch so ist es ja auch richtig. Das ist Bierkultur."

    Ins Oktoberfest kommt man nur rein, wenn man schon dazugehört. Die Schützengilde in Wildeshausen nimmt jeden mit. In Köln trinkt man das Bier aus möglichst kleinen Gläsern. In Bayern kann man die Bierkrüge kaum stemmen. Trotzdem tragen die Kellnerinnen manchmal achtzehn auf einmal. Und der ganze Stolz der Deutschen ist ihr Reinheitsgebot von 1516. Diese Dokumentation ist manchmal ein gespielter Witz, dann wieder funktioniert sie nur, weil der Filmemacher, den wir oft im Bild sehen so unglaublich authentisch staunen kann. Das macht das Unternehmen fast ethnografisch. Und endlich erschließt sich Sweetwood die Beziehung des Bieres zum deutschen Nationalcharakter.:

    "Das Tolle an der Bierkultur ist, dass sie gleichzeitig albern und ernst sein kann. "

    Das ist übrigens zugleich das Tolle am Dokumentarfilm.