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Big Data, Big Fish - Teil 1
Jagd auf die Illegalen

Illegale Fischerei ist ein lukratives Geschäft: Kaum vorhandene Kontrollen, komplizierte Zuständigkeiten, ein Mangel an Beweisen und viel zu milde Strafen machten es der Fischmafia in der Vergangenheit oft leicht. Doch der öffentliche Druck wächst – auch weil Big Data endlich auch gegen die Machenschaften auf Hoher See eingesetzt wird.

Von Tomma Schröder | 16.04.2017
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Ein gabunischer Soldat bewacht die illegal gefangenen Haie an Bord der spanischen "Alemar Primero". (SeaShepherd)
"Heute ist der 6. Juli 2016. Ich wurde mit den Worten "Da sind zwei Wale im Netz" aufgeweckt. Ich zog mir die ersten Klamotten an, die mir in die Hand fielen. Und machte mich auf zur Brücke. Mo gab dem Schiff den Befehl, die Tiere frei zu lassen. Aber der Wal fand die Öffnung im Netz nicht."
"So vieles, was im Ozean passiert, ist alarmierend, und es passiert fernab der Küsten unter der Oberfläche, wo niemand es sehen kann. Aber jetzt können wir mit Satellitendaten ein großes Bild zeichnen, das jeder sehen kann. Wir müssen das Unsichtbare sichtbar machen. Denn wenn die Menschen ein Problem nicht sehen können, dann kümmern sie sich auch nicht darum."
Gut 90 Millionen Tonnen Fisch wurden zuletzt weltweit aus dem Meer gezogen. Offiziell. Hinzu kommen Millionen Tonnen an illegal gefangenem Fisch und Beifang, der tot oder halb lebendig zurück ins Meer geworfen wird. Fast ein Drittel aller Bestände gilt mittlerweile als überfischt.
Doch gerade wenn gefährdete Arten durch Fangquoten oder -verbote geschützt werden sollen, fängt das Geschäft mit der illegalen Fischerei erst richtig an. Ein Exemplar des stark gefährdeten Blauflossenthunfischs etwa bringt in Japan mehrere zehntausend Euro ein. Wer ein ganzes Netz davon fängt, ist ein gemachter Mann.
Mit den technischen Überwachungs-Möglichkeiten wächst auch der öffentliche Druck, endlich gegen die Machenschaften auf den Meeren vorzugehen.
"Ich ging mit Laurence und Ale ins Wasser. Wir sahen eine Menge Seidenhaie und einen Blauhai im Netz. Die Thunfische waren sehr klein und jung, der Brydewal war in permanenter Bewegung. Wir entschieden uns, näher zur Öffnung zu schwimmen, um ihn irgendwie dort heraus zu bekommen."

Julian Engel sitzt in einer Kajüte der Bob Barker, als er in sein Tagebuch schreibt. Er hat viel zu schreiben. An einem Tag sieht er Delfine aus dem Wasser springen, dass es nur so brodelt. Er sieht Thunfische, Rochen und Mondfische. An anderen Tagen trifft er auf Fischereiboote mit Menschen, die wie Sklaven gehalten werden; mit Haien, die tot von Bord geworfen werden; und Walen, die sich in Netzen verheddert haben. Ernst wird es meist mitten in der Nacht.
Julian Engel bei einem Einsatz der "Bob Baker"
Julian Engel bei der Operation "Albacore" (SeaShepherd)
"Es war super dunkel, und es war super schwierig, diesen Trawler überhaupt ausfindig zu machen, weil das nur so eine ganz leichte Silhouette am Horizont war. Und dann ist der Ablauf im Prinzip so, dass wir an diese Trawler heranfahren, machen ein Licht auf sie, kommunizieren mit Ihnen, dass sie ihren Motor abstellen müssen."
SeaShepherd gemeinsam mit Marine und Behördenvertreten auf Patrouille
Julian Engel ist Mitglied der NGO SeaShepherd. Gemeinsam mit der Marine und Behördenvertretern aus Gabun war er in den ausgedehnten Gewässern des westafrikanischen Landes auf Patrouille - um nach illegalen Fischereibooten zu suchen und legale Fischer zu kontrollieren.
"Und dann gehen immer die Marines zuerst an Bord, dann geht unsere Crew an Bord. Dann sichern die Marines die Crewmitglieder, die auf den Schiffen sind, wir konzentrieren uns dann auf Dinge wie Beifang, ob die Maschengrößen stimmen und so weiter."
SeaShepherd ist eher für seine harten Kämpfe mit der japanischen Walfangflotte bekannt, aber die Organisation arbeitet auch mit staatlichen Institutionen zusammen – so wie in Gabun. Das hat den großen Vorteil, dass die Exekutive gleich mit an Bord ist, erzählt Julian Engel in seinem Heimatbüro in Bremen. Wer gemeinsam mit bewaffneten Marinesoldaten arbeitet, muss keine langen und nervenaufreibenden Verfolgungsjagden veranstalten und irgendwelche Beweise sichern, die im Zweifel doch nicht anerkannt werden. Das bekam auch die Besatzung eines spanischen Schiffes zu spüren, das sofort für weitere Ermittlungen an Land eskortiert wurde.
"Das war ein Schiff, das eigentlich auf Thunfisch registriert war, und die hatten ausschließlich Haie an Bord, teilweise sogar geschützte Arten, wie zum Beispiel den Weißspitzenhochseehai, also Arten, die international nicht gehandelt werden dürfen."
Gabun geht es so, wie vielen anderen westafrikanischen Ländern auch: Ihre reichen Fischbestände werden geplündert. Jahr für Jahr, so sagen es Daten des Forschungsprojektes "Sea around us", verliert das Land durch illegale Fischerei über hundert Millionen Euro. Es gibt also durchaus finanzielle Anreize, diesen Schatz besser zu bewachen. Es gibt aber auch Anreize für Eliten, sich ihren Teil dieses Schatzes zu sichern. Harm Koster ist Niederländer, ein Urgestein der europäischen Fischereiaufsicht, heute leitet er ein weltweites Netzwerk zur Kontrolle und Überwachung von Fischereiaktivitäten.
"Im Hintergrund werden Korruptionsgelder gezahlt"
"Es gibt einige Länder, die die Mittel hätten, illegale Fischerei aufzudecken, aber sie nutzen sie nicht, weil Korruptionsgelder im Hintergrund gezahlt werden. Illegal fischende Schiffe haben meist einen Agenten in der Hauptstadt des Landes und geben ihm Geld. Und dieser Agent wiederum verteilt das Geld unter den Familien, die in der Regierung oder im Militär sind, also eben die, die raus auf See gehen und die Schiffe kontrollieren könnten. Und da sind schon beträchtliche Geldsummen im Spiel."
Besonders lukrativ für illegal fischende Boote sind gerade jene Arten, die bereits stark überfischt sind. Thunfische etwa können je nach Größe und Art über tausend Euro das Stück kosten. Ein besonders großes Exemplar des vom Aussterben bedrohten Blauflossenthunfisches wurde in Japan sogar einmal für umgerechnet rund 1,4 Millionen Euro versteigert. Während der Ertrag hoch ist, sind die Kosten meist niedrig – sowohl für die alten verrosteten Boote als auch für die billigen Arbeitskräfte, die teilweise ohne Papiere auf den unsicheren Schiffen ihren Dienst tun. Ideale Voraussetzungen.
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Die Menge an unregistrierten Fängen übersteigt die gemeldeten Fangzahlen bei weitem. Auch wenn es sich hier nur um Schätzungen handelt und die unregistrierten Fänge auch einen großen Teil des Beifangs beinhalten. (Daten: Seaaroundus.org)
"Wenn man sich große Teile des Pazifiks und die Gewässer um Afrika anschaut, dann sind immer noch viele Täter nicht bestraft worden. Und das ist sehr bedauerlich. Denn diese Schiffe agieren dort Jahr für Jahr für Jahr. Das wissen wir, weil es Ehrenamtler in NGOs gibt, die nach diesen Schiffen schauen und sie auch immer wieder sichten."
Eine Studie von 2009 hat sich das beinahe unmögliche Ziel gesetzt, die weltweite illegale Fischerei mit Hilfe verschiedenster Daten zu Fangmengen, Erlösen und Verkaufspreisen zu schätzen. Das Ergebnis, das sich auf das Jahr 2003 bezieht, wird bis heute zitiert:
"Illegaler Fang weltweit: Elf bis 26 Millionen Tonnen

Wirtschaftlicher Verlust: zehn bis 23 Milliarden US-Dollar
Größter Anteil der illegalen Fischerei: 37 Prozent vor der Küste Westafrikas
Anteil an der weltweiten Fangmenge: 18 Prozent"
Das US-amerikanische Forschungsprojekt "Sea around us" liegt mit seinen aktuellsten Schätzungen ungefähr doppelt so hoch: Die Wissenschaftler des Projektes gehen davon aus, dass mehr als ein Drittel aller Fänge illegal gefischt wird. Die unterschiedlichen Zahlen zeigen: Wir wissen nicht wirklich viel darüber, was in unseren Meeren schwimmt und was herausgenommen wird: Es gibt international sehr unterschiedlichen Erhebungsmethoden, die kleinskalige Fischerei an den Küsten wird kaum erfasst, und die verschlungenen Handelswege sind kaum nachzuvollziehen.
"Mittlerweile hatte ich Nesseln von Quallen an meinen Armen, Beinen und am Hals. Es schmerzte, aber ich wollte nicht gehen. Das Netz wurde weiter eingezogen. Dem Wal wurde es nun zu eng, also entschloss er sich, über das Netz zu springen. Er schaffte es gerade so, seine Seitenflossen auf die andere Seite zu bringen und hatte nun Probleme, den Rest seines Körpers über das Netz zu bekommen."
NGOs wie SeaShepherd, Oceana, WWF oder BlackFish sind in den letzten Jahren mächtiger, größer, aktiver geworden. Vor allem sie sind es, die an die Öffentlichkeit gehen, auf unterschiedlichste Weise Druck ausüben und hier oder dort ein schwarzes Schaf überführen. Auch deshalb, so erklärt der Kieler Fischereiökonom Jörn Schmidt, habe man zumindest ein ganz gutes Bild davon, wo besonders viel illegal gefischt wird.
"Man weiß, wo diese Flotten operieren. Man weiß, dass vor Westafrika so ein Hotspot ist, dass in Indonesien viel überfischt wird. Ein Instrument, was jetzt gerade sehr stark genutzt wird, das ist Satellitentracking, weil Schiffe ab einer bestimmten Größe müssen ja ein so genanntes AIS an Bord haben."
Mit Identifikations-System soll die Fischerei weltweit überwacht werden
AIS ist ein automatisches Identifikations-System, das eigentlich entwickelt wurde, um Kollisionen von Schiffen zu vermeiden. Nun könnte es eine weitere große Aufgabe übernehmen: Die weltweite Überwachung und Kontrolle der Fischerei. Denn auch jedes größere Fischereiboot muss eigentlich AIS verwenden. Die Daten sind öffentlich und wurden von Umweltorganisationen in den letzten Jahren gründlich studiert.
Stefan Lutter sitzt in seinem Büro des WWF in Hamburg und hat eine große Karte des Atlantiks vor sich ausgebreitet. Er zeigt auf merkwürdige schwarze Linien, die dort eingezeichnet sind. Es sind digitale Spuren, hinterlassen von Fischereibooten mit ihren AIS-Signalen.
"Man sieht hier sehr scharf, dass sie genau wissen, was sie dürfen. Das sind jetzt legale Sachen, wo es offenbar um Makrele geht, die fängt man hier am Boden. (Papierrascheln) 41:01: Was wir hier auf dem Bild noch sehen, ist allerdings der Hammer! Weil diese Gebiete hier westlich von Schottland sind definitiv geschlossen."
AIS-Signale werden von allen Schiffen ausgesendet, so dass es sich auch um eine ganz normale legale Durchfahrt handeln könnte. Um genau zu belegen, dass und wie hier gefischt wurde, muss Stefan Lutter die AIS-Spuren weiter analysieren: Gerade Linien sind nur Durchfahrten, verschlungene Zickzacklinien dagegen weisen auf Bodenfischerei hin. Und die vergleichsweise geringe Geschwindigkeit beim Fischen verrät die Boote auch:
"Da haben wir schon den 4-Knoten-Filter eingebaut für Trawlerei, für Bodenschleppnetzaktivität, die hier offensichtlich stattfindet. Das ist ein Vergehen gegen eine echte Schließung, die wir hier gefunden haben."
"Your excellencies, ladies and gentlemens, please welcome secretary of state John Kerry and Leonardo di Caprio..."
Es ist eine Kampfansagen an die illegale Fischerei, die Leonardo di Caprio Ende letzten Jahres auf der großen Wissenschafts-Konferenz "Our Oceans" hält.
"One solution, ...a new platform that is called Global Fishing Watch.”
John Kerry und Leonardo di Caprio stellen Global Fishing watch vor
Mit Global Fishing Watch den letzten Winkel des Weltozeans überwachen
Gemeinsam mit dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry stellt er ein Instrument vor, mit dessen Hilfe auch der letzte Winkel des riesigen Weltozeans überwacht werden könnte: Global Fishing Watch. Die Webseite will die mühsame Einzelarbeit der AIS-Analysen automatisieren und so die Fischereitätigkeiten weltweit und für jeden sichtbar online aufzeigen.
"Unsere Algorithmen arbeiten mit den riesigen Mengen an AIS-Daten. Das sind über 37 Milliarden Datenpunkte. Jeden Tag sammeln wir 20 Millionen Datenpunkte, die von insgesamt 200 000 Schiffen auf See gesendet werden. Das sind allerdings alle Arten von Schiffen. All diese Daten werden analysiert: Wie bewegen sich die Schiffe, wo waren sie, und sind diese Bewegungen typisch für ein Fischereischiff?"
John Amos ist Gründer von Sky Truth und hat gemeinsam mit der NGO "Oceana" und mit Google das Datenprojekt "Global Fishing Watch" umgesetzt. Jeder kann nun auf die Webseite gehen und nachschauen, welche Boote wann und wo unterwegs sind, zumeist auch unter welcher Flagge sie fahren. Anhand der Art der Bewegung können die Analysten oft sogar ablesen, welche Fangmethode das Schiff anwendet. Das große Meer muss nicht mehr befahren werden, es kann vom heimischen Bildschirm aus überwacht werden. Überall und jederzeit.
"Wir hatten ein Beispiel, als einer unserer Analysten eine merkwürdige Bewegung bemerkte, die auf eine illegale Fischereitätigkeit im Indischen Ozean hindeutete."
Verfolgungsjagd mit einer Fischereiflotte über 5.000 Seemeilen
5. Januar, 2016; Björn Bergman postet unter skytruth.org: Über die letzten Monate haben wir ungewöhnliche Bewegungen einer chinesischen Fischereiflotte in einem sehr abgelegenen Gebiet des Indischen Ozeans beobachtet. Diese Schiffe geben an, Fischereiboote zu sein. Wir konnten sie aber in keinem öffentlichen Fischerei-Register finden, und sie sind 500 Meilen von dem nächsten bekannten Fischereiboot entfernt.
Der Blogeintrag wird gelesen. Auf der anderen Seite des Globus ist die Steve Irwin, ein Schiff von SeaShepherd. Sie fahren zu dem Ort, der von SkyTruth gepostet wurde und finden eine Flotte chinesischer Schiffe, die mit Driftnetzen fischen. Eine Praxis, die schon 1991 von der UN verboten wurde, weil der Beifang immens ist. Als die illegal operierende Flotte flieht, kann die Crew der Steve Irwin noch Netze mit über 300 toten Tieren einsammeln, darunter Robben, Delfine, Blauflossenthunfische und Haie. Danach beginnt die Verfolgung.
"Fu Yuan 76, this is the Steve Irvin. This is to inform you, that we have documented, you are fishing illegally in the Indian Ocean.”
Der Sea-Shepherd-Kapitän wendet sich über UKW-Funk an die sechs chinesischen Fischereiboote und teilt ihnen mit, dass ihre illegalen Tätigkeiten dokumentiert und an chinesische Behörden weitergeleitet wurden.
"The evidences have now been submitted to the Chinese government and other international authorities. We will stay with you and we will not allow you to resume any fishing operations."
Doch die sechs Fischereiboote fliehen weiter. Die Verfolgungsjagd geht über 5000 Seemeilen, bis die Flotte schließlich in einen chinesischen Hafen einlaufen muss. Dort sind die Behörden von der NGO bereits mit vielen Beweisen versorgt worden. Tatsächlich verkünden die Behörden in diesem Fall schon kurze Zeit später empfindliche Strafen: Fanglizenzen sowie Kapitänspatente werden entzogen und Bußgelder in Höhe von 300.000 US-Dollar pro Schiff verhängt. Es ist nur ein punktueller Erfolg gegen die weltweiten Machenschaften. Aber es ist einer.
"Ich denke, das ist das spannende Potenzial von Global Fishing Watch, dass wir solches Material öffentlich machen. Wir hoffen, dass andere diesem Beispiel folgen und den Teil der Meere im Auge behalten, der ihnen am Herzen liegt."
"Ich sprang mit meinem gesamten Körpergewicht auf das Netz"
"Ich sprang mit meinem gesamten Körpergewicht auf das Netz. Es bewegte sich etwa 20 Zentimeter, was genug war, um dem Wal den letzten Rutsch zu geben. Weil das Netz danach geöffnet blieb, rettete der Wal gleichzeitig viele Haie und Thunfische."
Noch ist Global Fishing Watch weit davon entfernt, die Fischereitätigkeit auf den Weltozeanen abzubilden. Viele kleine Fischerboote, die vor ihrer eigenen Küste fischen, führen meist kein AIS mit und sind auch nicht dazu verpflichtet. Größere Fischereiboote wissen natürlich um die Kontrolle und fälschen ihre versendeten Koordinaten oder schalten den AIS-Sender bei Bedarf einfach aus. Das wissen auch die Analysten von SkyTruth und haben bereits Analysetools entwickelt, mit denen die Schiffe auch in solchen Fällen aufgespürt werden können.
Es gibt aber nicht nur die Jagd auf illegale Boote. Es gibt auch Initiativen, die bewusst auf Transparenz durch Satellitendaten setzen, wie John Amos erzählt.
"Wir arbeiten mit einem Unternehmen in Indonesien zusammen, das seinen Fisch von hundert verschiedenen Schiffen kauft, die kein AIS haben. Aber das Unternehmen möchte seinen Kunden zeigen, dass sie wissen, woher ihr Fisch kommt und wie er gefangen wird."
Deswegen hat SkyTruth gemeinsam mit einer Solarfirma die Fischereiboote des indonesischen Unternehmens mit kleinen solargestützten GPS-Sendern ausgestattet, die alle gewünschten Daten automatisch übermitteln. Auch Harm Koster vom internationalen Netzwerk für Fischereikontrolle sieht ein Umdenken.
"Die Fischereiunternehmen haben in der letzten Zeit ihre Einstellung komplett geändert. Sie haben erkannt, dass sie mehr Geld verdienen können, wenn sie ein Nachhaltigkeits-Label haben. Denn dann sind die Bestände gesünder, man fängt mehr und bekommt einen besseren Preis für den Fang. Das ist natürlich ein guter Fortschritt, aber wenn man auf die noch vorhandenen Probleme wie in Westafrika guckt, kann man schon sehr frustriert sein."
Fisch aus "Problemzonen" landet auch auf europäischen Tellern
Nach wie vor landet der Fisch aus diesen "Problemzonen" auch auf dem europäischen Teller. Schätzungen über den Anteil illegal gefangener Fische in der EU reichen von acht bis 30 Prozent. Um diesen Anteil zu verringern, wurde im Jahr 2010 eine Verordnung zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei, so genannter "IUU-Fischerei", verabschiedet. Jede Ladung Fisch, die in die Europäische Union eingeführt wird, muss seitdem zertifiziert sein, so dass die Herkunft nachvollziehbar ist. Die Frage ist: Wie belastbar ist das, was in einigen Herkunftsländern aufs Papier gebracht wird?
"Das ist jetzt eben ein Beispiel für eine russische Fangbescheinigung, anlehnend an die Verordnung 1005, das ist ja die IUU-Verordnung, die seit dem 1. Januar 2010 in Kraft ist. Seitdem sind wir seitens der BLE zuständig für die Kontrolle der Fischimporte."
Bernd Kremer prüft ein sehr klein bedrucktes Papier mit kyrillischen Stempeln und vielen Zahlen. Bei Fischladungen, die auf dem Meer oder in einem anderen Hafen umgeladen wurden, gilt besondere Vorsicht, weil hier gerne legale mit illegaler Ware vermischt wird, erklärt der Referatsleiter der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
"So und dann ist das umgeladen worden auf das Kühlschiff und danach nach China gegangen zur Verladung. Mit diesem Fahrzeug Peter Gof ist es dann nach Quingdao, nach China gegangen und dort verarbeitet worden. Auf dieser Fangbescheinigung waren 1800 Tonnen Fisch als legal zertifiziert worden. Davon sind 14.000 Kilo jetzt verarbeitet worden zu fertigem Fisch."
Ein weiteres Papier von den chinesischen Behörden beglaubigt, dass es sich bei dem importierten tiefgefrorenen Ketalachs um den in der Fangbescheinigung genannten Fisch handelt. Dieses Schreiben datiert auf den 15. November 2016, gefangen wurde der Lachs ein gutes Jahr vorher im Nordwest-Pazifik. Das sei nicht unüblich, sagt Kremer.. Doch es gehört viel guter Glaube an die chinesischen und russischen Behörden dazu, um anzunehmen, dass hier immer alles mit rechten Dingen zugeht.
"Das ist dann ja auch gestempelt worden, und dann sieht man hier mit diesem Container ist es nach Europa gekommen. Und so versuchen wir dann die Rückverfolgbarkeit sozusagen nachzuvollziehen."
Der Anteil der abgelehnten Fisch-Importe nach Deutschland ist gering
Die deutsche Behörde kann lediglich auf Unstimmigkeiten achten, wenn Papiere oder Stempel fehlen. Dementsprechend gering ist der Anteil der abgelehnten Fisch-Importe. 10 bis 15 seien es pro Jahr, sagt Kremer. Andere große Fischimportländer der EU weisen mehr Lieferungen ab, aber auch hier bewegt sich der Anteil im Promillebereich.
Wiederum sind es AIS-Daten, mit denen die Kontrollen entscheidend verbessert werden könnten, erzählt Bernd Kremer .
"Das ist ein Projekt, was jetzt gerade bei der Europäischen Aufsichtsagentur läuft, das heißt Projekt "Marsuv" – Maritime Surveillance, also maritime Überwachung. Die stellen diese ganzen AIS-Daten weltweit zusammen, so dass wir, wenn wir hier die russische Fangbescheinigung vorliegen haben, dass wir gucken können: War denn an dem Tag das Fahrzeug überhaupt in dem und dem Seegebiet?"
Mit der neuen IUU-Verordnung wurde in der EU auch ein Kartensystem eingeführt. Dabei werden Länder, in denen EU-Inspektoren Mängel bei der Fischereikontrolle festgestellt haben, mit einer Verwarnung, einer gelben Karte, oder mit einem Importstopp, einer roten Karte, belegt. Durch eine solche rote Karte wurde Panama dazu gebracht, einige unter seiner Flagge fahrenden und illegal fischenden Schiffe aus seinem Register zu nehmen, berichtet Harm Koster. Auch in Südkorea habe das zu einem Erfolg geführt.
"In Westafrika sahen NGOs mehrfach, wie einige unter südkoreanischer Flagge fahrende Schiffe illegal fischten. Aber Südkorea unternahm nichts, und daher verhängte die EU dann eine gelbe Karte gegen das Land. Daraufhin hat Südkorea gemerkt, dass es seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen muss und hat ein Kontrollzentrum für die unter seiner Flagge fahrenden Schiffe gegründet.
Route Dongwon
Route der Dongwon (Deutschlandfunk)
Ich denke, dass das EU-System ziemlich gut funktioniert. Wir machen Fortschritte, aber ich kann verstehen, dass einige Menschen denken, es geht nicht schnell genug."
"Es gibt gesetzliche Lücken auf der Hohen See"
Es hat in den vergangenen 25 Jahren viele Initiativen gegeben, die illegale Fischerei einzudämmen. Die Welternährungsorganisation FAO hat 1995 einen code of conduct, einen Verhaltenskodex für Fischerei eingeführt, die UN vereinbarten Abkommen etwa zum Schutz weit wandernder Arten oder zum Verbot zerstörerischer Fangpraktiken. Auch die Kontrolle in den Hafenstaaten wurde 2009 gestärkt. Das Problem ist längst erkannt, doch die Umsetzung der vielen Vorschriften schreitet nur langsam voran. Dass durch die öffentlichen AIS-Daten mittlerweile unzählige Menschen die Fischerei vom heimischen Computer aus beobachten können, ist ein wichtiger Schritt für eine bessere Kontrolle. Doch es muss auch gelingen, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Das ist oft nicht so einfach, wie Alistair McDonnell berichtet, der bei Interpol für illegale Fischerei zuständig ist:
"Die Ozeane sind riesig. Und es gibt gesetzliche Lücken auf der Hohen See, die nur durch Kooperationen zwischen den Ländern gelöst werden können. Damit meine ich das Land, unter dessen Flagge das Schiff fährt, den Hafenstaat, in dem das Schiff seine Fische anlandet, das Importland, in dem die Fische verkauft werden, den Küstenstaat, in dessen Gewässern der Fisch gefangen wird, und natürlich das Heimatland derjenigen Menschen, die die Straftat begehen."
Eben diese komplizierten Zuständigkeiten spielen Kriminellen in die Hände: Sie wechseln Flaggen und Namen, fälschen Papiere und Zertifikate – und wenn ihnen doch irgendwo eine Küstenwache zu nahe kommt, fliehen sie in internationale Gewässer oder in die Wirtschaftszonen der Länder, bei denen sie sich dank Korruption sicher wissen. Wer diesem Treiben ernsthaft etwas entgegensetzen will, der muss alle Register ziehen: Monatelange Arbeit an unzähligen Dokumenten, internationale Konferenzen und langwierige Verfolgungsjagden auf See. Wie etwa bei der Operation "Sparrow". Insgesamt sechs Schiffe wurden dabei ins Visier genommen, die bekannt dafür waren, illegal den sehr teuren und stark gefährdeten Schwarzen Seehecht in antarktischen Gewässern zu fangen.
"Das ist ein faszinierender Fall, die spanischen Behörden haben sicherlich ein Jahr daran gearbeitet. Der Mann, der in die Straftaten verwickelt war, stand schon in den 90er Jahren auf der Suchliste der USA. Und es ist immer noch die gleiche Familie in Spanien, die ihr illegales Geschäft weiterführt. Sie hatten überall Strohfirmen: eine, die das Schiff besaß, eine, die das Gehalt der Crew bezahlte, eine für den Fangerlös, für die Versicherungssumme und so weiter. Am Ende kamen bestimmt 20.000 Dokumente zusammen und über 20 Ländern waren an den Untersuchungen beteiligt. Es war also ein sehr arbeitsintensiver Fall, der nun zu einem Ende kommt."
Eine Familie hat bis zu 100 Millionen Euro illegalen Gewinn gemacht
Ein spanisches Gericht verhängte Strafen in Höhe von 17 Millionen Euro und erteilte den Strippenziehern lebenslanges Berufsverbot: Ein komplexes kriminelles Netzwerk kam ans Licht, das seit 2006 schätzungsweise bis zu 100 Millionen Euro an illegalen Gewinnen einbrachte. Die Operation "Sparrow" könnte als eine der größten Erfolge im Kampf gegen die illegale Fischerei gelten – wenn die Geschichte hier zu Ende wäre.
Doch kurze Zeit nach dem Interview schreibt Harm Koster eine enttäuschte Mail: Das Oberste Gericht in Madrid hat das Urteil gegen die spanischen Beschuldigten kassiert. Die Begründung: Die Straftaten seien nicht in Spanien sondern woanders begangen worden. Die mühsame, kostenintensive und monatelange Arbeit von Interpol, vielen nationalen Behörden und NGOs: hinfällig.
Die Geschichte zeigt: Satellitendaten und Algorithmen allein werden das Problem nicht lösen. Sie liefern nur neue Informationen und neue Beweise. Den Kampf aber müssen immer noch Menschen austragen.

"Heute ist der erste Juli. Nach einer ruhigen Patrouille sind wir an Bord von drei Schiffen mit Ringwadennetzen gegangen. Langsam wurde das Netz eingezogen, und ein Teufelsrochen kam zum Vorschein. Er lebte und versuchte sich mit seinen Flügeln freizuschlagen, doch das Netz war schneller. Seine Anstrengungen wurden verzweifelter. Schließlich riss das Netz seinen Schwanz ab, so dass er frei kam. Ich zweifele: Ob er überleben wird?"
Julian Engel beobachtet aus dem Wasser die Mitglieder einer Crew. Sie lassen Haie, die als Beifang in ihren Netzen gelandet sind, wieder zurück ins Wasser.
Julian Engel beobachtet aus dem Wasser die Mitglieder einer Crew. Sie lassen Haie, die als Beifang in ihren Netzen gelandet sind, wieder zurück ins Wasser. (SeaShepherd)
Von: Tomma Schröder
Es sprachen:
Ton und Technik:
Regie: Friederike Wigger
Fotos und Grafik: Sophia Wagner
Online: Mathias von Lieben
Redaktion: Christiane Knoll
Produktion: Deutschlandfunk 2017