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Bilanz des Diesel-Gipfels
Umweltministerium fordert mehr als nur Updates

Besitzer eines Dieselautos finden kaum Käufer, Neufahrzeuge sind ein Ladenhüter - und die Umweltverbände kämpfen weiter für umfassende Fahrverbote. Auch das zuständige Bundesumweltministerium ist nicht vollständig zufrieden mit den Ergebnissen des Diesel-Gipfels. Die Autokonzerne sehen das alles anders.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 23.08.2017
    Blick auf den Tankdeckel eines Diesel-PKW, aufgenommen am Donnerstag (14.06.2012) in Leipzig. Forscher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben nachgewiesen, dass Dieselabgase das Krebsrisiko erhöhen. Foto: Hendrik Schmidt dpa
    ankdeckel eines Diesel-Pkw. Software-Updates reichen dem Umweltbundesamt zufolge nicht aus, um Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. (dpa, picture-alliance, Hendrik Schmidt)
    Köln, Hameln, Kiel: Das sind nur drei von derzeit mindestens 90 deutschen Städten, in denen die Stickoxid-Belastung letztes Jahr über dem erlaubten EU-Grenzwert lag. Die Autobauer sehen dennoch keinerlei Grund für Nachjustierungen, wie der Branchenverband VDA heute mitteilte.
    Auch deshalb wird Justitia ab 2018 möglicherweise Fahrverbote aussprechen, wenn die Atemluft nicht sauberer wird. Sagt Umweltministerin Barbara Hendricks, SPD: "Die Zeit drängt. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf saubere Luft in den Ballungsräumen. Und wenn nicht schnell Verbesserungen erzielt werden, werden uns nationale Gerichte oder eventuell auch der europäische Gerichtshof vorschreiben, was zu tun ist. Fahrverbote wären dann leider nicht auszuschließen", schlussfolgert Hendricks.
    Ihre Experten haben ausgerechnet, dass die erst kürzlich beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, um Gesundheit und Natur zu schützen, und geltendes Recht einzuhalten. Statt der erhofften 15 bis 25 Prozent würden die Stickoxid-Werte um gerade einmal sechs Prozent sinken. Die Richtung stimmt zwar, sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, "aber sie reicht eben in vielen, in den meisten Städten mit hohen Belastungen bei Weitem nicht aus, um, den Grenzwert von 40 Mikrogramm einzuhalten".
    "Dobrindt macht de facto nichts"
    Rund 5,3 Millionen Diesel-Fahrzeuge sollen elektronisch aufgerüstet werden, sogenannte Software-Updates. Zusätzlich bieten die Hersteller Umtauschprämien an, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, noch am Wochenende in einem Interview gelobt und beworben hatte – und dafür von Grünen und Linkspartei scharf kritisiert wurde. Es sei Aufgabe des Verkehrsministers, die Industrie zu kontrollieren, anstatt für ihre Schnäppchen zu werben, so Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer. Und Fraktionschef Anton Hofreiter ergänzt im Gespräch mit unserem Hauptstadtstudio:
    "Herrn Dobrindt ist vorzuwerfen, dass er nicht dafür sorgt, dass endlich die Fahrzeuge so nachgerüstet werden, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Das Kraftfahrtbundesamt ist die direkte, nachgeordnete Behörde des Verkehrsministeriums. Und der Mann macht de facto nichts - außer abzulenken."
    Hendricks fordert Hardware-Nachrüstung
    Angela Merkel ergreift jetzt, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, deutlich öfter das Wort in der Diesel-Debatte. An die Adresse der Hersteller gewandt sagte die Kanzlerin heute, dass die Autobranche sich künftig auf verstärkte Kontrollen einstellen müsse. Zuvor schon hatte sie in Aussicht gestellt, dass Autos künftig auch unangemeldet im normalen Verkehr auf Abgaswerte untersucht würden. Umweltministerin Hendricks setzt hingegen auf Hardware-Nachrüstungen.
    Zweiter Diesel-Gipfel im Oktober
    Und Verkehrsminister Dobrindt? Sein Haus hält die Berechnungen des Umweltbundesamtes für nicht aussagekräftig und setzt stattdessen auf sogenannte Masterpläne für die Kommunen. Jede Stadtluft ist schließlich anders, so die Botschaft eines genervten Ministeriums-Sprechers heute in Berlin:
    "Ich bin ein bisschen traurig darüber… Ich habe Ihnen doch versucht zu schildern, dass wir sehr, sehr individuell, auf die Kommunen abgestellt die jeweiligen Verkehrsströme, den Fahrzeugbestand, die Mobilitätsnutzung analysieren, um überhaupt sagen zu können, wie in welcher Kommune was zu erreichen ist."
    Ein zweiter Diesel-Gipfel soll nun im Oktober, rechtzeitig zu den dann wohl laufenden Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl stattfinden.