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Bildung
Bundeskabinett beschließt Aus für Kooperationsverbot

Noch muss die Novelle den Bundesrat passieren, doch dann hat Johanna Wanka Grund zur Freude: Nach der Kabinettsentscheidung ist der Weg für die faktische Aufhebung des Kooperationsverbotes, des Artikels 91 im Grundgesetz, frei. Damit kann der Bund dauerhaft in die Finanzierung der Schulen und Universitäten einsteigen.

Von Christiane Habermalz | 16.07.2014
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU)
    Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) (dpa / picture alliance / Michael Kappeler)
    Vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz saß heute eine sichtlich gut gelaunte Bundesbildungsministerin.
    "Wir haben einen Aufbruch, der, wenn man es so pathetisch sagen kann, ein guter Tag ist für den Wissenschaftsstandort Deutschland."
    Johanna Wanka hat Grund zur Freude, denn heute beschloss das Kabinett die faktische Aufhebung des Kooperationsverbotes, des Artikels 91 im Grundgesetz, der es dem Bund verbietet, dauerhaft in die Finanzierung der Schulen und Universitäten einzusteigen - wenn auch nur für den Bereich der Hochschulen. Doch mit der Novelle, so sie denn den Bundesrat unbeschadet durchläuft, verschafft sich Wanka im Bereich der Universitäten einen politischen Spielraum zurück, den ihre vielgelobte Vorgängerin Annette Schavan nie hatte. Wanka sieht eines der wichtigsten Hemmnisse für eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen beseitigt.
    "Jetzt haben wir den verfassungsrechtlichen Rahmen geändert, so dass erweiterte Kooperationen von Bund und Ländern im Hochschulbereich möglich sind, dass es jetzt möglich ist institutionell von Seiten des Bundes in Hochschulen zu fördern, das heißt, wir haben jetzt einen zusätzlichen Gestaltungsspielraum für die gemeinsame Wissenschaftsförderung. Und das ist ganz entscheidend."
    Nach dem Entwurf Wankas soll der Artikel 91 b so geändert werden, dass Bund und Länder künftig auch langfristig kooperieren dürfen. Bislang war dies nur für befristete Projekte möglich. Daraus resultierten die zahlreichen Pakte, wie der Hochschulpakt oder die Exzellenzintiative, die alle paar Jahre ausliefen und zwischen Bund und Ländern neu verhandelt werden mussten – für die Hochschulen bedeutete das fehlende Finanzsicherheit für Forschungsprojekte und Nachteile im internationalen Wettbewerb um Spitzenwissenschaftler.
    Bis Ende des Jahres soll die Grundgesetznovelle auch vom Bundesrat verabschiedet werden. Doch da müssen die Grünen mit ins Boot geholt werden, die in sieben Bundesländern mitregieren. Die Partei hat bereits angekündigt, den Entwurf nicht einfach so durchzuwinken – zumindest nicht ohne Gegenleistung. Sie werfen der Großen Koalition Halbherzigkeit vor, der Fehler der Großen Koalition von 2006 sei nicht vollständig korrigiert worden, sagte heute Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.
    Die Grünen wollen ihre Zustimmung im Bundesrat mit der Forderung nach Hilfen des Bundes bei der Mammutaufgabe Inklusion verknüpfen - etwa in der Sozialpolitik. Im Bereich der Betreuung von Förderschülern in Regelschulen etwa könnte zusätzliches Geld vom Bund fließen, ohne das Kooperationsverbot für Schulen anzutasten. Doch der Elan der Grünen ist gedämpft, denn auch in den rot-grün regierten Ländern drängen die klammen Universitäten auf eine schnelle Umsetzung der Novelle. Und Bundesbildungsministerin Wanka hat ihrerseits deutlich gemacht, dass der Bund nur dann wie versprochen das Bafög komplett allein übernehme und die Länder dadurch entlaste, wenn die Grundgesetzänderung wie geplant bis Ende des Jahres klappt. Sylvia Löhrmann, grüne Kultusministerin von Nordrhein-Westphalen schimpfte über Erpressung und Koppelgeschäft – doch hinter den Kulissen laufen längst Gespräche zwischen der grünen Fraktionsspitze und Wanka. Die war ihrerseits bemüht, die Wogen in Richtung Bundesländer zu glätten:
    "Diese Grundgesetzänderung ändert nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder. Die verbleibt bei den Ländern im Hochschulbereich. Und dann, wenn freiwillig alle Länder bereit sind, mit dem Bund sich über gewissen Themen zu verständigen, Bund-Länder-Vereinbarungen abzuschließen, dann machen wir das."
    "Wenn freiwillig alle Länder bereit sind" – genau daran gab es auch Kritik, vor allem aus der Wissenschaftscommunity. Denn laut Gesetzentwurf soll die Kooperation von Bund und Ländern mit der Zustimmung aller Länder erfolgen. Doch die Länderinteressen sind vielfältig, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG befürchtet, dass einzelne Länder für ihre Zustimmung "sachfremde Fragen" mit einbringen könnten, sprich: dem Kuhhandel Tür und Tor geöffnet werden könnte. Der Deutsche Beamtenbund, in dem auch viele Lehrer organisiert sind, kritisierte die Beschränkung der Gesetzesnovelle auf die Hochschulen. Das sei zu "kurz gesprungen", hieß es.