Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Bildung
Für einen Tag berufstätig

Am 30. September findet erstmals der bundesweite Aktionstag "Ein Tag Azubi" statt. Er soll Schulabgängern einen Einblick in ihren möglichen Traumjob bieten. Umgekehrt soll er aber auch helfen, Bedenken gegenüber Bewerbern abzubauen. Denn häufig orientieren sich Arbeitgeber bei der Lehrstellenvergabe nur an den Zeugnisnoten.

Von Thomas Wagner | 30.09.2014
    Lehrling und Meister in der Werkstatt.
    Die Aktion "Azubi für einen Tag" bietet Schulabgänger einen Einblick in den Berufsalltag. (picture alliance / dpa/ Sebastian Kahnert)
    "Da vorne ist die Rezeption. Da sitzt in der Regel der Auszubildende. Deswegen ist eine gewisse Freundlichkeit und dass man sich eben freut, wenn jemand kommt / das ist einfach wichtig."
    Ralf Hartmann, Inhaber eines Finanz- und Versicherungsbüros in Friedrichshafen, führt drei Mädchen durch seine Geschäftsräume. Alles läuft an diesem Vormittag ein wenig anders als sonst: Neben Versicherungsprospekten liegen Flyer mit einer ungewöhnlichen Aufschrift aus: Ein Tag Azubi.
    "Ich hab' über die Aktion bei den Wirtschaftsjunioren erfahren und hab mir gedacht: Das passt relativ gut zu uns."
    Einblick in den Berufsalltag
    Einen Tag lang jungen Menschen die Chance geben, in den Berufsalltag hinein zu schnuppern – das habe gerade für seinen Betrieb Sinn.
    "Wir haben aktuell zwei offene Stellen für Azubis in diesem Jahr. Und die konnten wir nicht besetzen. Dieses Jahr gab es aber kaum ernst zu nehmende Bewerbungen."
    Betriebe, die keine 'Azubis' finden – das ist die eine Seite. Die andere Seite ist aber: Oftmals finden Schulabgänger auch keine Ausbildungsstelle. Jasmin, eine aufgeweckte junge Frau, hat die Chance wahrgenommen, als "Azubi für einen Tag" in den Berufsalltag hinein zu schnuppern.
    "Ich bin seit letztem Jahr raus aus der Schule. Ich habe eine Tochter, die mir die Berufssuche erschwert. Aber das ist für viele Arbeitgeber ein Hindernis."
    Die alleinerziehende Mutter hat sich bislang von Pontius bis Pilatus um einen Ausbildungsplatz beworben – und dabei eine Absage nach der anderen bekommen.
    "Gerade wenn man alleinerziehend ist und wirklich viele Dinge regeln muss, alleine, dass man weiß: Wo ist mein Kind nach der Schule? Kann man es vor der Schule nochmals abgeben? Und das ganze Finanzielle zu regeln. Dann muss das eben mit dem Ausbildungsberuf übereinstimmen: Man muss ja alleine klarkommen."
    "Ich finde einfach schade, dass sie nur auf die Noten schauen"
    Christa ist ebenfalls einen Tag lang Azubi im Versicherungsbüro Hartmann. Ihre Eltern stammen aus dem von jahrzehntelangem Bürgerkrieg geschüttelten Kongo; sie selbst wurde am Bodensee geboren. Noch besucht Christa die Schule, hat aber bereits ihre Fühler Richtung Ausbildungsplatz ausgestreckt.
    "Es ist nicht einfach. Die Erwartungen sind hoch von den Firmen. Und es kommt vor allem auf die Leistung von der Schule aus an."
    Und das bedeutet: Bei Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz zählen nach ihrer Beobachtung häufig nur die Schulnoten.
    "Ich finde einfach schade, dass sie nur auf die Noten schauen. Es ist wirklich schwierig: Man muss Top-Noten haben. Und man wird nicht mehr als Mensch geachtet. Es kommt nur auf die Noten an."
    Jacqueline, ebenfalls "Azubi für einen Tag", sitzt daneben, nickt zustimmend. Im Unterricht Mathe, Deutsch und Englisch pauken – gut und schön. Aber: Die Lehrer müssten Jugendliche viel intensiver als bisher zur dualen Ausbildung hinführen.
    "Die Schule könnte schon mehr machen, uns darauf vorbereiten: Wir dürfen zwei Praktika machen – und immer eins nur eine Woche. Ich find's zu wenig!"
    Kritik an Schulen und Ausbildern
    Hier viele Lehrstellen, die nicht besetzt werden – da die Schwierigkeiten vieler Jugendlicher, einen Ausbildungsplatz zu finden: Auch Versicherungsexperte Ralf Hartmann glaubt, dass die Ursachen für diese Diskrepanz in der Schule zu finden sind:
    "Wir haben auch schon Schulen angesprochen, ob man da nicht mal zwei, dreitägige Praktika anbietet. Aber: Kein Interesse, leider, was ich sehr schade finde. Und da würde ich mir wünschen, dass die Schule vom gesamten Buffet der Berufe eine gewisse Auswahl bietet."
    Was nicht nur durch ein oder zwei Wochenpraktika abgedeckt werden kann. Hier seien zur besseren Orientierung öfters mal Tagespraktika in den unterschiedlichsten Ausbildungsbetrieben hilfreich, um möglichst viele Berufsbilder kennenzulernen. Daneben müssten, glaubt Ralf Hartmann, potenzielle Arbeitgeber ab und an mehr Mut zeigen. Das Beispiel der alleinerziehenden Mutter, die keine Lehrstelle gefunden hat, sollte zu denken geben.
    "Wir haben bereits eine junge Mutter ausgebildet, halbtags. Und die hat auch noch sprachliche Schwierigkeiten gehabt, was für uns am Anfang zugegebenermaßen etwas schwierig war. Aber auch sie hat sich deutlich verbessern können. Und jetzt ist sie ganz selbstbewusst!"