Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Bildung
Sommerschule für Flüchtlinge

In Berlin lernen Flüchtlingskinder während der Sommerferien Deutsch. Die AWO bietet dazu drei Wochen lang 25 Kindern ein zweites Zuhause. Und die individuelle Förderung bringt die Kinder voran.

Von Verena Kemna | 19.08.2014
    Vier Kinder mit Schultüten auf dem Weg zur Einschulung
    "I-Männchen": Flüchtlingskinder lernen bei der AWO die deutsche Sprache. (picture alliance / dpa - Frank Leonhardt)
    Goran, Kayes, Wassila und Amrah toben um den Kickertisch. Arabische, serbische und kurdische Wortfetzen sind zu hören. Die Kinder und Jugendlichen sind zwischen acht und 15 Jahre alt, fast alle kommen aus Syrien, Serbien, Tschetschenien und Afghanistan.
    "Ich heiße Amirh, Kayes, ich heiße Kayes, ich komme aus Syria, ich komme in Syria, ich heiße Njeza."
    Drei Wochen lang ist der Jugendclub zwischen den Plattenhochhäusern im Berliner Bezirk Lichtenberg für 25 Flüchtlingskinder ein zweites Zuhause. Sie sollen vor allem Deutsch lernen und dabei Spaß haben, erklärt Erzieher Thore Merin. Seine krausen Haare hat er zu einem Pferdeschwanz gebunden. Der Mann mit der energischen Stimme ist ständig in Bewegung, hat alles im Blick. Genug getobt, ruft er in Richtung Kickertisch und klatscht in die Hände. Allmählich schlendern die Jugendlichen zurück ins Klassenzimmer, setzen sich rund um einen der Holztische.
    "Ja, wir spielen noch mal das Wimmelspiel, danach wird noch ein bisschen Wortschatz geübt. Komm, du auch, rüber, setzen bitte. Amirh, Goran, Alexander, bitte setzen! So und jetzt, immer rum, immer rum, du fängst an."
    Lernen mithilfe von Bildern
    Amirh, neun Jahre alt aus Afghanistan, gähnt. Er räkelt sich auf seinem Stuhl, möchte wissen, wann es Mittagessen gibt. Auf dem Tisch liegt die selbst gebastelte Collage. Die Kinder haben Gebrauchsgegenstände aus Zeitschriften ausgeschnitten und Bilder von Äpfeln, Saftflaschen und Nudeln aufgeklebt. Jetzt sollen sie sich die deutschen Worte einprägen.
    "Amirh, was ist das? Makkaroni, nein, das sind keine Makkaroni, das sind Spaghetti, jetzt fragst du Khasal, was ist das? Los, Amirh, komm, was ist das?"
    Thore Merin ist einer von fünf Erziehern, die sich um die Ferienkinder kümmern. Seine Arbeit beim Jugendwerk der Arbeiterwohlfahrt liegt ihm so sehr am Herzen, dass er seine Urlaubstage freiwillig im Jugendclub verbringt. Er nennt es "ehrenamtliche Freizeitgestaltung".
    "Es ist drei Wochen sehr anstrengend, aber, es gibt mir was und ich freue mich das ganze Jahr darauf, auch, wenn es anstrengend ist."
    Die Kinder und Jugendlichen sind je nach Sprachkenntnissen in Gruppen eingeteilt. Gruppe Ananas spricht am besten, dann kommen die Bananen und schließlich die Apfelgruppe mit Amirh, Khasal, Alexander und den anderen, die kaum ein Wort Deutsch sprechen. Doch wer ins Feriencamp kommt, lernt gerne. Thore Merin erklärt, wie es funktioniert.
    "Ich rede mir den Mund fusselig. Mehrere von den Jungs verstehen ganz gut, aber der größte Teil läuft über das Visuelle. Bilder, ABC an der Tafel, Bild, Beschreibung, Bild, Beschreibung, immer zusammen."
    Kinder sind stolz auf ihre Fortschritte
    Vormittags Unterricht, dann gemeinsames Mittagessen, am Nachmittag können die Flüchtlingskinder sich aussuchen, was sie gerne machen. Skateboard fahren im Hof, Inlineskaten, einfach nur rumsitzen, Kickern oder Fußball spielen. Ohne die Fördergelder durch das Land Berlin könnte die Arbeiterwohlfahrt den Flüchtlingskindern kein Feriencamp anbieten, erklärt Philipp Roch vom AWO-Jugendwerk:
    "Das Lernen macht die Kinder glücklich, wenn sie Fortschritte machen, mit einem kommunizieren können, wenn sie fragen können, wie es einem geht. Und nach den drei Wochen, diese Fortschritte, wenn man die dann sieht, dann sind die Kinder auch ganz stolz auf sich."
    Wassila aus Damaskus kann sogar schon deutsch lesen, auch, wenn sie nur wenige Worte versteht, sagt Philipp Roch. Das Mädchen blickt ernst und konzentriert, bemüht sich, jedes Wort richtig auszusprechen. Sie erzählt, dass sie seit vier Monaten in Deutschland lebt, dass sie und ihr kleiner Bruder gerne jeden Tag ins Feriencamp kommen.
    "Ich esse, lese, mache Texte, schreibe und höre."
    Wassila läuft wieder zurück in ihre Klasse. Nur noch wenige Tage, dann muss die 15-Jährige aus Syrien lernen, sich im Berliner Schulalltag zurechtzufinden. Doch jetzt geht sie erst mal in den Hof, Fußball spielen. Das macht das Mädchen mit den braunen Augen am liebsten und beim nächsten Feriencamp für Flüchtlingskinder im Herbst wird sie sicher wieder dabei sein.