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Bildungsbericht 2016
Bessere Bildungsquoten auch bei Migranten

Immer mehr Menschen durchlaufen das Bildungssystem und machen einen Schulabschluss. Gerade auch der prozentuale Anteil bei Migranten wächst. Der Bildungsbericht 2016 zeigt aber auch, dass weiterhin das Einkommen der Eltern massiven Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder hat.

Von Philip Banse | 16.06.2016
    Sprachförderung in einer Kindertagesstätte.
    Sprachförderung im Kindergarten: Immer mehr Kinder besuchen einen Kindergarten. (Imago / Joker / Petra Steuer)
    Es gibt in Deutschland einen Trend zu mehr Bildung, bei der Einbindung von Einwanderern gibt es Fortschritte, aber fundamentale Probleme bleiben bestehen: So lässt sich der jetzt sechste Bildungsbericht zusammenfassen, der eben in Berlin vorgestellt wurde.
    Die guten Nachrichten zuerst: Es kommen immer mehr Menschen ins Bildungssystem. Mehr Kinder gehen in die Kita, auch immer mehr Kinder von Einwanderern; mehr Menschen absolvieren das Gymnasium, die Hochschule oder auch eine berufliche Weiterbildung. Es gibt mehr Ganztagsschulen und die Kinder wissen mehr, gerade Kinder mit Migrationshintergrund werden besser in der Schule.
    Seit dem ersten Bildungsbericht vor zehn Jahren hat es deutlich Fortschritte gegeben – auch gerade bei der Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund ins Bildungssystem. Vor zehn Jahren galt noch: Nur wenige Kinder von Einwanderern gingen in die Kita, nur ein Drittel der Migrantenkinder machte einen mittleren Schulabschluss. Heute machen ihn weit über die Hälfte. Angesichts solcher Zahlen, so Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, müsse man sagen, "dass die Integration von Migranten und Migrantinnen in der Bildung voran geht. Dass die Bildungsbeteiligung und auch die Bildungserfolge sich gegenüber dem ersten Bericht deutlich verbessert haben. Also ein Aufwärtstrend, was Bildungsstand und anderes anbetrifft."
    Vor Jahren ergab der PISA-Test ja: In kaum einem Land hängt Bildungserfolg so sehr vom sozialen Status, vom Einkommen der Eltern ab, wie in Deutschland. Auch da habe es Fortschritte gegeben, sagt Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe:
    "Die sozialen Disparitäten sind in vielen Bereichen zurückgegangen: ein Drittel weniger Schulabbrecher. Die Kinder mit Migrationshintergrund studieren in dem gleichen Umfang wie die Kinder ohne Migrationshintergrund. Und die Verdoppelung der Kinder mit Migrationshintergrund im Krippenbereich. Wir haben also deutlich zugelegt und die sozialen Disparitäten gemindert."
    Einkommen hat weiterhin Einfluss auf Bildungserfolg
    Aber weg sind sie eben nicht. Im Bildungsbericht steht wörtlich, dass es "nicht gelungen ist, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg nachhaltig aufzubrechen". Immer hat also das Einkommen der Eltern massiven Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder.
    "Trotz dieser Verbesserungen in den letzten zehn Jahren haben sich die Unterschiede zwischen den Personen mit und ohne Migrationshintergrund, deutschen und ausländischen Menschen, insgesamt aber stabilisiert."
    Sagt Kai Maaz vom Deutschen Institut für International Pädagogische Forschung, er hat den Bildungsbericht mitgeschrieben:
    "Ausländische Jugendliche haben im Vergleich zu den Deutschen mehr als doppelt so häufig keinen Schulabschluss und erwerben überproportional oft einen Hauptschulabschluss. Und damit werden wieder Probleme beim Übergang in die Ausbildung angebahnt. Das führt dazu, dass die Berufsauswahl insgesamt eingeschränkter ist."
    Aber nicht nur für Kinder von Migranten gelte: Viel zu viele hätten keinen oder nur einen Hauptschulabschluss. Dieser untere Bildungsbereich müsse verbessert werden, sagt Maaz. Dieses Problem ist noch drängender geworden. Denn von den Menschen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland geflüchtet sind, sind über die Hälfte unter 24. Um diese Menschen zu bilden, müssten 33.000 bis 44.000 Lehrer eingestellt werden, schätzt der Bildungsbericht.
    Je nachdem wie viele von den jetzt Geflüchteten dann wirklich in Deutschland bleiben, entstünden für die Bildung der Einwanderer Kosten in Höhe von 2,3 bis drei Milliarden Euro. Das deckt sich mit dem, was die Kultusminister der Länder eingeplant haben. Diese Ausgaben würden in zehn oder 20 Jahren bezahlt machen, steht im Bildungsbericht, sei es durch Wertschöpfung oder vermiedene Sozialkosten.
    Ansonsten gelte es, die sozialen Unterschiede weiter auszugleichen, sagt Bildungsforscher Maaz. Mehr Kinder in die Kitas, mehr Ganztagsschulen, mehr Lehrer würden jedoch an einer bitteren Einsicht nicht vorbei führen:
    "Man muss sich vielleicht damit arrangieren, dass es ein gewisses Ausmaß an Ungleichheit im Bildungssystem geben wird und bestehen bleiben wird. Und dass ein Bildungssystem, das frei ist von sozialen Ungleichheiten, eine Illusion ist."