Dienstag, 19. März 2024

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Bildungskurse für Arbeitslose
Scharfe Kritik an Jobcenter-Maßnahmen

Der Bundesrechnungshof hat sich die Bildungskurse für Arbeitslose genauer angesehen. Das vernichtende Urteil: das Jobcenter verteilt zu einem erheblichen Teil planlos Kurse, die weder zielgerichtet sind noch Rücksicht auf die Belange der Leistungsberechtigten nehmen.

Von Volker Finthammer | 26.03.2018
    Logo der Bundesagentur für Arbeit mit Menschenmenge
    In nicht wenigen Jobcentern werden die Mitarbeiter angehalten, Arbeitssuchende schnell in Maßnahmen zu vermitteln, so der Bundesrechnungshof. (imago / Ralph Peters)
    Das System ist einfach und hinter vorgehaltenen Hand klagen nicht wenige Mitarbeiter der Jobcenter schon lange. Statt sich tatsächlich um eine konkrete Jobvermittlung zu bemühen, was in Hochkonjunktur-Zeiten und dem hohen Bedarf an Fachkräften eigentlichen notwendig wäre, scheint es für die Jobcenter offenbar deutlich lukrativer zu sein, die Arbeitssuchenden in Schulungsmaßnahmen, sogenannte Maßnahmen zur Aktivierung, MAT, zu stecken. Das gilt zumindest für Langzeitarbeitslose, die allgemein schwerer zu vermitteln sind.
    Dabei hat dieses Vorgehen gleich mehrere Vorteile. Zum einen gelingt die Vermittlung schnell, weil es auf diesem Markt viele private Anbieter gibt, die ein großes Interesse an der Fortsetzung der von ihnen angebotenen Schulungsmaßnahmen haben. Zum anderen schönen diese Maßnahmen die Statistik des jeweiligen Jobcenters. Denn die so vermittelnden Arbeitssuchenden tauchen für die Dauer der Schulung nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf.
    Und es gibt darüber hinaus noch einen Motivationsdruck, der nicht zu unterschätzen ist. Viele Mitarbeiter in den Jobcentern haben befristete Verträge. Ihre berufliche Zukunft hängt also in gewisser Hinsicht vom Vermittlungserfolg ab. Verstärkt wird dieser Druck noch durch Boni-Zahlungen an die Vorgesetzten, sobald eine bestimmte Quote bei den Vermittlungen erreicht wird.
    Arbeitssuchende können sich kaum wehren
    In nicht wenigen Jobcentern werden die Mitarbeiter angehalten, Arbeitssuchende schnell in entsprechende Maßnahmen zu vermitteln. Die Arbeitssuchenden können sich auch kaum wehren, denn lehnen sie einen Kurs ab, verstoßen die gegen die Eingliederungsvereinbarung und müssen mit Sanktionen rechnen.
    Eine neue Untersuchung des Bundesrechnungshofs und der Bundesagentur für Arbeit zeigt auf, dass offenbar bereits im Vorfeld deutlich zu viele Maßnahmen eingekauft werden, um den dauerhaften Vermittlungserfolg zu garantieren. Dabei soll es um Mehrausgaben von gut 190 Millionen Euro gehen, wie der Rechnungshof inzwischen bestätigt hat. Dennoch will Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der auch die Arbeitgeberseite im Verwaltungsrat der Bundesagentur vertritt, nicht von einem systematischen Betrug sprechen:
    "Ich schließe nicht aus, dass es Leute gibt, die unter dem Druck von ihren Vorgesetzten gebracht werden Menschen in Maßnahmen zu stecken und deshalb kann es sein, dass es Fälle gingt, wo Maßnahmen nur um der Maßnahmen willen gemacht werden. Aber die dürfen sich nicht verselbständigen und zum Selbstzweck werden. Und deshalb glaube ich auch nicht, dass das generell in der Bundesagentur für Arbeit so läuft."
    Aber es bleiben, so Clever Defizite in den Vermittlungsverfahren für Langzeitarbeitslose die kurz und mittelfristig abgestellt werden müssten. Das sei zum einen das sogenannte Profiling, also das Erfassen des konkreten zielgerichteten Schulungsbedarfs bei den einzelnen Langzeitarbeitslosen. Diese Anfangsschwäche setze sich im weiteren Verfahren fort. Außerdem werde am Ende einer solchen Maßnahme viel zu selten geprüft, ob der Langzeitarbeitslose jetzt tatsächlich leichter zu vermitteln wäre, betont Clever.
    "Stattdessen wartet man ab bis die Maßnahme stattgefunden hat, dann gibt man vielleicht zwei Wochen später nochmal eine Termin und das ist kein gutes Absolventenmanagement und behindert auch eine reibungslose Brücke aus der Maßnahme in Arbeit oder Ausbildung."
    Diese Schwachstellen müssten beseitig werden, fordert Clever.