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Bildungsmonitoring
Was bringen all die Studien der Praxis?

Die Kultusministerkonferenz will in den kommenden Jahren noch mehr Daten zum Leistungsstand der Schüler in Deutschland sammeln. Gleichzeitig will das Länder-Gremium Handlungsoptionen erarbeiten, die Lehrerinnen und Lehrer dabei helfen sollen, auf die Ergebnisse von PISA- und anderen Tests zu reagieren.

Von Axel Schröder | 08.07.2015
    Die Lehrerin Dr. Silvia Schischwani unterichtet in einer 8. Klasse.
    Zu Beginn der Tests fühlten sich viele Lehrer überwacht und bevormundet. (picture alliance / dpa / Ingo Wagner)
    1997 hatte die Kultusministerkonferenz, die KMK, beschlossen, auf breiter Basis Daten zu sammeln. Aber diese Sammlung müsse auch genutzt werden können, forderte der Generalsekretär der KMK Udo Michallik gestern in Hamburg:
    "Was wir jetzt über 15 Jahre an Daten gesammelt haben in der empirischen Bildungsforschung so zu übersetzen, so umzusetzen, dass die einzelne Schule vor Ort dann auch wissen kann oder wissen sollte, wie sie mit diesen konkreten Daten umgehen kann, welche Konzepte für Schulentwicklung, für Qualitätsentwicklung sich daraus ableiten lassen. So einen kleinen Werkzeugkasten, Baukasten aufzustellen, mit dem die Schule dann auch Unterrichtsqualität verbessern kann."
    Massive Widerstände in der Lehrerschaft
    Neue Tests sollen in den nächsten Jahren nicht entwickelt werden, versicherte Udo Michallik in der Austauschrunde zwischen Bildungspolitikern, Forschern und Praktikern. Dabei wurde deutlich: Eigentlich müsste es mehr von diesen Runden geben, die Kommunikation zwischen Schule und Wissenschaft verbessert werden. Das forderte auch Hans Anand Pant, Leiter der gerade gegründeten Deutschen Schulakademie in Berlin.
    "Erstens kommuniziert Wissenschaft oft nicht gut in einer Sprache, die verständlich ist. Viele tummeln sich in Fachjournalen rum. Und andererseits haben Lehrkräfte und Schulleitungen oftmals - sagen wir es mal freundlich - nicht so die Energie, sich dann neben ihrer Arbeit auch noch hinzusetzen und irgendwelche Konzeptpapiere zu lesen, die andere aufgeschrieben haben. Wo etwas Gutes dabei ist. Das heißt: Man muss mehr Gelegenheitsräume schaffen, wo man sich immer wieder trifft. Zwischen Wissenschaft und Praxis. Das fehlt. Und das ist mein Credo in den nächsten Jahren."
    Zu Beginn der breit angelegten Tests gab es dagegen massive Widerstände in der Lehrerschaft. Viele fühlten sich überwacht und bevormundet von Wissenschaftlern, die, so der Vorwurf, doch gar nicht wüssten, wie Schule in der Praxis funktioniert. Das große Misstrauen konnte mittlerweile überwunden werden. Und nun müssten die Kollegien lernen, die Daten richtig zu nutzen, findet auch Christiane von Schachtmeyer, die Schulleiterin des Hamburger Gymnasiums Marienthal:
    "Ich kann sie nur gut einbauen, wenn ich sie auf mein Fundament, das es bei mir gibt, aufbaue und anpasse. Das ist wie ein Puzzle, das zusammenpassen muss. Und deswegen reichen die Daten allein nicht. Sie sind ein gutes Angebot, aber sie sind alleine nicht ausreichend. Es fehlt ein Verknüpfungsangebot zwischen meiner Wirklichkeit und der Datenwirklichkeit."
    Festgelegte Abläufe für Test-Ergebnisse
    Der Vorteil dieser "Datenwirklichkeit" liegt für Christiane von Schachtmeyer auf der Hand. Sie spricht eine nüchterne Sprache, beschreibt das Leistungsniveau in jeder einzelnen Klasse, jedes einzelnen Schülers und ist frei von den subjektiven Eindrücken der Lehrerschaft, so die Gymnasiallehrerin. Dass die Kultusministerkonferenz in den kommenden drei, vier Jahren Rezepte, Handlungsoptionen erarbeiten will, die Lehrerinnen und Lehrer dabei helfen wollen, auf die Ergebnisse von PISA- und anderen Tests zu reagieren, begrüßt die Schulleiterin. An ihrem Gymnasium gibt es mittlerweile festgelegte Abläufe für den Fall, dass die Tests überraschend gute oder schlechte Ergebnisse liefern:
    "Es geht ja erst einmal um die Frage: Was ist passiert? Und deshalb spricht nicht nur die Schulleitung dann mit dem Lehrer, sondern das geht auf fachlicher Ebene, auf der Fachkonferenz. Und wir haben auch einen Beauftragten extra aus dem Kollegium, der dann mit dem Kollegen über die Zahlen kommuniziert. Um erst mal den Druck rauszunehmen, damit man überhaupt in die Analyse kommen kann."
    Und am Ende können Förderkurse eingerichtet werden. Oder es wird - falls besonders begabte Schüler plötzlich sehr schlechte Leistungen bringen - darüber nachgedacht, ein zusätzliches, anspruchsvolleres Angebot für unterforderte Schüler zu machen.