Freitag, 19. April 2024

Archiv

Bildungsstudie
Elternaustausch für bessere Schulbildung

Je mehr sich Eltern untereinander mit der Schulbildung ihre Kinder auseinandersetzen, desto besser werden deren Schulnoten. Zu diesem Ergebnis kommt eine US-amerikanische Studie zu Elternnetzwerken. Jetzt sollen auch in Deutschland entsprechende Daten erhoben werden.

Anette Fasang im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 10.03.2014
    Ein Mann gibt einem Jungen Nachhilfe.
    Nachhilfe für das Kind: Je mehr sich Eltern untereinander über das Schulleben ihrer Kinder austauschen, desto besser werden die Noten. (dpa / pa / Christians)
    Ulrike Burgwinkel: Dass das Elternhaus ganz entscheidenden Einfluss nimmt auf die Schullaufbahn der Kinder, das ist bekannt. Und leider sind bei uns in Deutschland Schulerfolg und Leistungswille sehr stark von den Eltern abhängig. Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat WZB-Forscherin Anette Fasang zusammen mit amerikanischen Kollegen einmal genauer hingeschaut und in einer Studie, die jetzt gerade veröffentlicht wurde, haben sie nachgeschaut, inwieweit soziale Kontakte der Eltern Einfluss auf den Schulerfolg haben. Professor Anette Fasang in Berlin, wie hängen denn jetzt die beiden Variablen zusammen, Elternkontakt und Schulerfolg?
    Anette Fasang: Man kann sich das eigentlich so vorstellen, dass die Kontakte unter den Eltern, also wenn die Eltern auch außerhalb der Schule häufig miteinander in Kontakt stehen und sich austauschen, auf unterschiedliche Art und Weise wirken, je nachdem, ob es sich jetzt eher um eine sozial schwache oder eine ressourcenstarke Gegend handelt. Und zwar ist es so, dass diese Elternnetzwerke eigentlich wie eine Art Multiplikator wirken, also in ressourcenstarken Gegenden, wo viel Geld, hohe Bildung oder auch Zeit der Eltern vorhanden ist, diese positiven Effekte verstärkt werden durch die Elternkontakte. Hingegen in Gegenden, die sehr sozial schwach sind, wo viel Kriminalität, vielleicht auch Drogenmissbrauch, Arbeitslosigkeit auf der Tagesordnung stehen, durch die enge Vernetzung eigentlich diese negativen Effekte noch verstärkt werden.
    Burgwinkel: Sie haben das zusammen mit amerikanischen Kollegen untersucht. Woher haben Sie denn die Daten gehabt?
    Fasang: Das ist eine große US-amerikanische Studie, die ganz einzigartig ist bisher, die sogenannte National Longitudinal Survey of Adolescent Health, und zwar wurden da Kinder in Schulen befragt und auch ihre ganzen Mitschüler dann eben sowie auch die Eltern. Und das mehrfach und zu einer ganzen Bandbreite von Themen. Und insofern konnten wir das damit sehr gut untersuchen, weil wir eben sowohl von den Eltern Informationen darüber hatten, wie sie sich mit den anderen Eltern austauschen, als auch Bescheid wussten über die Schulumgebung der Kinder und ob es sich jetzt um eine Schule mit hohem Armutsanteil handelt, beispielsweise, oder um eine sehr reiche Schule.
    Burgwinkel: Halten Sie denn die Befunde für übertragbar auf deutsche Verhältnisse?
    Fasang: Im Prinzip vermuten wir, dass es in Deutschland ganz ähnliche Befunde geben wird. Wir wissen es noch nicht, was auch daran liegt, dass entsprechende Daten hier noch nicht vorliegen. Es läuft aber zurzeit ein großes Erhebungsprojekt, das sogenannte nationale Bildungspanel, mit dem wir hoffen, bald ähnliche Analysen für Deutschland auch durchführen zu können. Bisher wissen wir es nicht genau, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, warum das hier großartig anders sein sollte. Entscheidend ist, wo haben wir Gegenden extremer Ghettoisierung und extremer lokaler Benachteiligung. In Deutschland hängt das oft auch stark mit ökonomisch benachteiligten Migranten zusammen, die eben in bestimmten Gegenden wohnen, sodass wir vermuten, dass wir insbesondere hier ähnliche Effekte finden können, die dann eben zur Verstärkung der sozialen Unsicherheit auch beitragen und insofern die Politik auch auffordern, etwas dagegen zu unternehmen.
    Starker Zusammenhalt bei den Eltern hilft den Kindern
    Burgwinkel: Um noch mal eben zusammenzufassen: Starker Zusammenhalt in der Elternschaft bedeutet eine starke Beeinflussung des Schulerfolges. Die Frage ist nur, ob das positiv oder negativ ist, diese Beeinflussung. Können Sie spekulieren, warum das so ist?
    Fasang: Soziale Netzwerke an sich kann man erst mal neutral sehen. Die verstärken eben das, was in einer bestimmten Umgebung da ist. Man kann sich das so vorstellen, in sehr reichen und ressourcenstarken Umgebungen gibt es starke Normen unter den Eltern, auf die Kinder zu achten, alle passen darauf auf, dass Hausaufgaben gemacht werden, dass die Schule nicht geschwänzt wird. Und das sind eben nicht nur die eigenen Eltern, sondern auch, wenn die Kinder mal bei einem Freund sind, gelten dort die gleichen Normen. Die Eltern haben auch die entsprechenden Ressourcen, um die eben durchzusetzen. Gegenden sehr konzentrierter Benachteiligung, wo eben viel Armut vorherrscht, auch Kriminalität, Drogenmissbrauch oft an der Tagesordnung stehen, sieht das etwas anders aus, weil den Eltern dort oft die Ressourcen auch fehlen, um solche Normen effektiv durchzusetzen. Wenn man nun hier enge Netzwerke hat, dann werden eher diese negativen Effekte verstärkt durch den intensiven Austausch, und es fehlen eben die Kontakte nach außen, also die Durchlässigkeit in die Mittelschicht für die Kinder, die dann in diesen Gegenden aufwachsen.
    Burgwinkel: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn der Einflussnahme von außen. In den USA fällt mir da affirmative Action ein als Projekt, was eigentlich als gescheitert gelten muss.
    Fasang: Ich denke, die Hauptaussage hier ist, dass man die lokale Konzentration von Benachteiligung vermeiden und aufbrechen muss. Also auch stadtpolitisch der Ghettobildung entgegenwirken. Man kann in keinem Fall versuchen, private Netzwerke der Eltern zu beeinflussen – das wäre absurd, das ist ethisch nicht vertretbar und wäre auch praktisch gar nicht durchführbar. Was wir aber tun können und woran wir arbeiten können, ist, diese lokale Konzentration von Benachteiligung zu durchbrechen.
    Burgwinkel: Ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch. Professor Fasang vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung war das, und wir sprachen darüber, inwieweit Elternnetzwerke Einfluss haben auf den Schulerfolg der Kinder.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.