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Billige Kohle durch Fracking

Die USA setzen bei der Erdgasförderung verstärkt auf Fracking - mit der Folge, dass in Europa der Kohlepreis gesunken ist. Für die deutsche Industrie sei dies eine sehr gute Nachricht, sagt der Ökonom Michael Bräuninger. Privathaushalte müssten jedoch mit Nachteilen rechnen.

Michael Bräuninger im Gespräch mit Benedikt Schulz | 12.07.2013
    Benedikt Schulz: Fracking ist in Deutschland hoch umstritten. Chemikalien werden in unterirdische Gesteinschichten gepresst, um dort Gas oder Öl freizusetzen – mit möglichen Auswirkungen auf die Umwelt, zum Beispiel auf das Grundwasser. Während in Deutschland kontrovers über das Thema diskutiert wird, hat Fracking in den USA bereits eine kleine Revolution ausgelöst und das Land weitgehend unabhängig von Gasimporten gemacht.

    Eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts hat die Auswirkungen dieser Revolution auf den weltweiten Energiemarkt untersucht. Die auf den ersten Blick überraschende Erkenntnis: Der Preis für Kohle in Europa ist gesunken. – Ich habe vor der Sendung mit einem der Autoren der Studie gesprochen, Professor Dr. Michael Bräuninger. Meine erste Frage war: Warum lässt Fracking in den USA hierzulande den Kohlepreis sinken?

    Michael Bräuninger: Die Amerikaner verwenden verstärkt Fracking. Dadurch haben sie sehr günstiges Erdgas zur Verfügung und verwenden dieses Erdgas zur Stromerzeugung. Entsprechend brauchen sie weniger Kohle für die Stromerzeugung. Die Folge ist, dass der Kohlepreis sehr stark zurückgegangen ist. Die billigen Kohlepreise in Verbindung auch mit sehr niedrigen CO2-Preisen führen dann dazu, dass bei uns sehr viel Kohle für die Stromerzeugung eingesetzt wurde.

    Schulz: Billige Kohle für die deutsche Industrie und Stromproduktion – ist das nicht zunächst erst mal eine gute Nachricht?

    Bräuninger: Das ist günstig in dem Sinne, dass der Börsenpreis für Strom sinkt. Das ist für die Industrieunternehmen eine sehr gute Nachricht. Das führt allerdings auch dazu, dass die EEG-Umlage steigt. Da wir dort festgesetzte Preise haben - Strom aus erneuerbaren Energien hat einen regulierten, festgesetzten Preis. Und die Differenz zwischen dem Börsenpreis und diesem festgesetzten, regulierten Preis wird über die EEG-Umlage bezahlt. Insofern führt das ganze auch dazu, dass die Haushalte eine höhere Umlage bezahlen müssen.

    Schulz: Jetzt ist es aber auf der anderen Seite so, dass Betreiber von Kohlekraftwerken noch kürzlich klagten, dass ihre Anlagen nicht rentabel sind, aber gerade im Zuge des Atomausstiegs eben notwendig sind, damit in Deutschland die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Wie passt das denn zusammen, wenn auf der anderen Seite Kohle und CO2-Zertifikate immer billiger werden?

    Bräuninger: Ja, da gibt es zwei gegenläufige Effekte. Auf der einen Seite haben wir billige Kohle und auch billige Preise für CO2-Zertifikate. Das ist für die Betreiber von Kohlekraftwerken attraktiv. Auf der anderen Seite gibt es das Problem, dass sie nicht wissen, welche Laufzeiten ihre Kraftwerke haben. Die erneuerbaren Energien haben immer Vorrang in der Einspeisung, sie sind sehr stark ausgebaut worden. Das ist in dem Sinne gewünscht und erfolgreich, führt jetzt aber dazu, dass wir die Laufzeiten für die konventionellen Kraftwerke nicht mehr kennen und nicht wissen, wie viele Stunden im Jahr denn ein Kraftwerk überhaupt gebraucht wird. Das führt zu einer hohen Unsicherheit oder senkt auch die Rentabilität dieser Kraftwerke.

    Schulz: Und billigere Kohle könnte das jetzt nicht kompensieren?

    Bräuninger: Teilweise kompensiert das die billigere Kohle. Welcher Effekt dominiert, ist nicht von vornherein klar.

    Schulz: Sie haben sich in Ihrer Studie auch kritisch geäußert zum Fracking in Deutschland. Warum?

    Bräuninger: Deutschland ist ein sehr dicht besiedeltes Land. Deswegen sollte man mit so einer neuen Technologie zunächst mal vorsichtig umgehen. Wir haben gesagt, Deutschland muss hier nicht den Vorreiter machen und muss nicht das erste Land sein. Andererseits sollten wir uns diesen Potenzialen auf keinen Fall verschließen. Auch in Deutschland gibt es ein Potenzial für Fracking. Dazu gilt es, Untersuchungen vorzunehmen, diese Technologie vorsichtig zu erproben, zu gucken, wie sicher sie ist, inwieweit man sie sicher anwenden kann.

    In Amerika sind eine ganze Menge Unfälle passiert. Das heißt aber nicht, dass diese Unfälle notwendig sind. Wir müssen halt mit entsprechenden Sicherheitsvorschriften, mit Haftungsregeln und dergleichen dort herangehen. Insofern sollten wir hier vorsichtig erproben und uns dieser Technologie langsam nähern und nicht vorzeitig sagen, wir machen das ganz schnell, oder wir machen es gar nicht.

    Schulz: Verpassen wir da nicht eine historische Chance, dass wir auch jetzt schon unsere Rohstoffabhängigkeit reduzieren können? Müsste Deutschland nicht gerade da vorauslaufen?

    Bräuninger: Bisher sind wir gut gefahren mit dem konventionellen Gas, was wir zum großen Teil aus Russland, aber auch aus Norwegen und Holland beziehen. Wir haben auch die Problematik der Rohstoffversorgung noch für eine sehr lange Zeit vor uns, und insofern vergeben wir uns hier keine Potenziale, wenn wir erst etwas später das Gas in Deutschland fördern. Wir werden es auch später noch benötigen.

    Schulz: Glauben Sie, dass durch die Entwicklung jetzt in den USA und gleichzeitig die Entwicklung, dass es einen Preisverfall der CO2-Zertifikate gibt, fossile Brennstoffe eine Renaissance erleben werden?

    Bräuninger: Im Augenblick hat das im wesentlichen zu einer Verschiebung zwischen Gas und Kohle geführt. Wir haben die Erneuerbaren ausgebaut und wir haben jetzt nicht, wie das mal gewünscht und gedacht war, Erneuerbare plus Erdgas, sondern im Augenblick haben wir sehr viel Erneuerbare plus Kohle.

    Schulz: Über die Auswirkungen von Fracking auf den weltweiten Energiemarkt war das Michael Bräuninger vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Michael Bräuninger
    Der Ökonom Michael Bräuninger (dpa / picture alliance / Sabine Vielmo)