Cecilia lunchte in der St. Leonard’s Terrace mit drei jungen Freundinnen – es war keine Gesellschaft, sie kamen einfach vorbei -, verheirateten jungen Frauen. Das Gespräch war intim; sie redeten über das Glück. Knie an Knie um den lackierten Tisch, knabberten sie Salzmandeln (...) und beichteten einander, daß sie sich selbst nicht verstanden (...).
Die Fahrt in den Norden , heißt dieser kluge Roman, der schon 1932 erschienen ist, und der nun beim Schöffling Verlag neu übersetzt wurde. Die Autorin ist Elizabeth Bowen, eine der großen irischen Schriftstellerinnen des letzten Jahrhunderts. Elizabeth Bowen lebte von 1899 bis 1973, sie ist eine letzte Vertreterin ihrer Klasse, der anglo-irischen protestantischen Gentry, deren Treue England, deren Liebe aber Irland galt. Die Bowens lebten ein herrschaftliches Leben, sie verbrachten die Winter in Dublin, ihre Sommer auf dem Familiensitz Bowens Court. Elizabeth Bowen verlebte eine behütete und idyllische Kindheit, die ein abruptes Ende fand durch eine Depression des Vaters und den frühen Tod der Mutter. Der Abriss des Familiensitzes Ende der fünfziger Jahre wurde für Elizabeth Bowen zum Symbol des Niedergangs. Immer wieder verlieren in ihren Romanen Menschen eine Heimat, und ein schönes, großes Haus zerfällt.
Den Rest ihres Lebens verbrachte Elizabeth Bowen in England, und wie kaum eine andere verkörperte und beschrieb den Zwiespalt ihrer Herkunft. Sie kannte den Snobismus der englischen Upper-Class genauso wie die Allüren des irischen Landadels. Beide Gesellschaftsschichten hat sie auf unverwechselbare Art und Weise beschrieben, wobei sich in ihrem Blick Ironie und Wehmut mischen. Obwohl weniger berühmt, darf man Elizabeth Bowen getrost den Rang einer Virginia Woolf zuschreiben, eine Autorin, mit der sie übrigens eng befreundet war. Und dann gibt es noch eine große englische Schriftstellerin, mit der Elizabeth Bowen gerne und zu Recht verglichen wird, es ist Jane Austen. Beide verstehen sich bestens auf die Disziplin der scharfen Dialogkunst und der feinen Charakterisierung. Und wie in den Gesellschaftsromanen Austens geht es auch bei Bowen immer wieder um das ewige Missverständnis zwischen Mann und Frau.
Sie (...) sah zu, wie er erneut ihr Glas füllte und die Flasche zukorkte. Als er fertig war, sagte sie: "Aber ich wollte keinen mehr."
Das, dachte Markie, war typisch. Wenn man sie bäte, würde sie mit einem zum Juwelier gehen, sich stundenlang neben einem über die Glasvitrine beugen, während man den ganzen Laden zusammentragen ließ, um ihr eine Kette auszusuchen, und wenn man, Etui in der Hand, den Laden endlich verließe, würde sie sagen: Aber ich trage keine Perlen. Vielleicht brachte sie die Dinge nicht so schnell mit sich in Verbindung und hatte sich eben nur gefreut zu sehen, wie der schöne rote Bordeaux ins Glas floss.
"Du solltest ihn trotzdem trinken", sagte er.
Die stille Emmeline verliebt sich leidenschaftlich in Markie. Der erfolgreiche Anwalt, der zu gleichen Teilen aus Intelligenz und Egoismus gestaltet ist, erkennt diese Leidenschaft erst nicht, dann entzieht er sich ihr. Im Gegensatz dazu gleiten die kapriziöse Cecilia und der farblose Julian eher träge in ihre Verlobung hinein. In unterschiedlichen Schattierungen epmpfinden alle vier die Ziellosigkeit ihres Daseins. Auf subtile Art und Weise beschreibt Elizabeth Bowen das Dilemma der Moderne, die Entfremdung des Menschen von sich selbst. Diese wird deutlich in der hektischen äußeren Bewegung der Figuren, in ihrem ständigen Unterwegssein, in den vielen Auto- und Zugfahrten, ja sogar Flugreisen, die die Erzählspur kreuzen. Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet Emmeline, die sich ihrem Bedürfnis nach Ruhe am ehesten bewusst ist, ein Reisebüro betreibt. Ein Wochenende, an dem sie sich mit Markie aufs Land zurückziehen will, wird zum Fiasko, denn Markie besteht darauf, sich kurz nach ihrer Anreise wieder in Gang zu setzen.
Das Cottage, das späte, wunderschöne Gefühl, angekommen zu sein, stimmte sie weich. Da sind wir, hatte sie beim Hereinkommen gedacht, aber sie hatte sich geirrt, sie waren nicht da. Immer und ewig kamen und gingen sie, ohne Ruhe, ohne Frieden. Wovor scheute Markie zurück? Sie dachte daran, wie sie mit dem Auto rückwärts aus dem Schuppen wieder hinaussetzen und die fünf Meilen über die holprige Landstraße nach Devizes fahren mußte, sie dachte an die kahle Straße, den engen Gastraum, den freundlichen, ungeschickten Ober, der an ihren Stuhl stoßen würde.
Obwohl das Reisen ständig Thema ist, bewegt sich dieser Roman, "Die Fahrt in den Norden", auf traditionellen Erzählgleisen. Er ist in der Form geschlossen, es wird auktorial und allwissend, sogar aufreizend langsam erzählt. Elizabeth Bowen lässt ihren Figuren viel Zeit zum Denken und Reden, sie lotet winzige Seelenregungen aus, gibt scheinbar banalen Dingen statt wie dem trüben Nachmittagslicht, das sich in einer Kristallvase fängt. Wenn man so weit gekommen ist, dann hat der stete Mahlstrom ihres Erzählens seine Schuldigkeit schon getan, man erliegt ihm, ergibt sich, kann sogar süchtig werden, wie eine Zeitungskritikerin hierzulande glaubhaft versichert hat. Doch eine so versierte Autorin wie Elizabeth Bowen lässt es nicht bei der Hypnotisierung ihrer Leser nicht bewenden. Auf den allerletzten Seiten beschleunigt sie noch mal, sie zieht den Regler von Licht, Lautstärke und Tempo hoch und legt ein Finale hin, das Seinesgleichen sucht: Diese "Fahrt in den Norden", so viel steht fest, wird man so schnell nicht vergessen. Die erste deutsche Gesamtausgabe der Elizabeth Bowen führt eine große Erzählerin ein. Sigrid Ruschmeier ist die sehr flüssige Übersetzung eines Werks zu danken, das in England und Irland schon längst zum Kanon gehört.
Elizabeth Bowen
Die Fahrt in den Norden
Schöffling-Verlag, 440 S., EUR 24,90
Die Fahrt in den Norden , heißt dieser kluge Roman, der schon 1932 erschienen ist, und der nun beim Schöffling Verlag neu übersetzt wurde. Die Autorin ist Elizabeth Bowen, eine der großen irischen Schriftstellerinnen des letzten Jahrhunderts. Elizabeth Bowen lebte von 1899 bis 1973, sie ist eine letzte Vertreterin ihrer Klasse, der anglo-irischen protestantischen Gentry, deren Treue England, deren Liebe aber Irland galt. Die Bowens lebten ein herrschaftliches Leben, sie verbrachten die Winter in Dublin, ihre Sommer auf dem Familiensitz Bowens Court. Elizabeth Bowen verlebte eine behütete und idyllische Kindheit, die ein abruptes Ende fand durch eine Depression des Vaters und den frühen Tod der Mutter. Der Abriss des Familiensitzes Ende der fünfziger Jahre wurde für Elizabeth Bowen zum Symbol des Niedergangs. Immer wieder verlieren in ihren Romanen Menschen eine Heimat, und ein schönes, großes Haus zerfällt.
Den Rest ihres Lebens verbrachte Elizabeth Bowen in England, und wie kaum eine andere verkörperte und beschrieb den Zwiespalt ihrer Herkunft. Sie kannte den Snobismus der englischen Upper-Class genauso wie die Allüren des irischen Landadels. Beide Gesellschaftsschichten hat sie auf unverwechselbare Art und Weise beschrieben, wobei sich in ihrem Blick Ironie und Wehmut mischen. Obwohl weniger berühmt, darf man Elizabeth Bowen getrost den Rang einer Virginia Woolf zuschreiben, eine Autorin, mit der sie übrigens eng befreundet war. Und dann gibt es noch eine große englische Schriftstellerin, mit der Elizabeth Bowen gerne und zu Recht verglichen wird, es ist Jane Austen. Beide verstehen sich bestens auf die Disziplin der scharfen Dialogkunst und der feinen Charakterisierung. Und wie in den Gesellschaftsromanen Austens geht es auch bei Bowen immer wieder um das ewige Missverständnis zwischen Mann und Frau.
Sie (...) sah zu, wie er erneut ihr Glas füllte und die Flasche zukorkte. Als er fertig war, sagte sie: "Aber ich wollte keinen mehr."
Das, dachte Markie, war typisch. Wenn man sie bäte, würde sie mit einem zum Juwelier gehen, sich stundenlang neben einem über die Glasvitrine beugen, während man den ganzen Laden zusammentragen ließ, um ihr eine Kette auszusuchen, und wenn man, Etui in der Hand, den Laden endlich verließe, würde sie sagen: Aber ich trage keine Perlen. Vielleicht brachte sie die Dinge nicht so schnell mit sich in Verbindung und hatte sich eben nur gefreut zu sehen, wie der schöne rote Bordeaux ins Glas floss.
"Du solltest ihn trotzdem trinken", sagte er.
Die stille Emmeline verliebt sich leidenschaftlich in Markie. Der erfolgreiche Anwalt, der zu gleichen Teilen aus Intelligenz und Egoismus gestaltet ist, erkennt diese Leidenschaft erst nicht, dann entzieht er sich ihr. Im Gegensatz dazu gleiten die kapriziöse Cecilia und der farblose Julian eher träge in ihre Verlobung hinein. In unterschiedlichen Schattierungen epmpfinden alle vier die Ziellosigkeit ihres Daseins. Auf subtile Art und Weise beschreibt Elizabeth Bowen das Dilemma der Moderne, die Entfremdung des Menschen von sich selbst. Diese wird deutlich in der hektischen äußeren Bewegung der Figuren, in ihrem ständigen Unterwegssein, in den vielen Auto- und Zugfahrten, ja sogar Flugreisen, die die Erzählspur kreuzen. Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet Emmeline, die sich ihrem Bedürfnis nach Ruhe am ehesten bewusst ist, ein Reisebüro betreibt. Ein Wochenende, an dem sie sich mit Markie aufs Land zurückziehen will, wird zum Fiasko, denn Markie besteht darauf, sich kurz nach ihrer Anreise wieder in Gang zu setzen.
Das Cottage, das späte, wunderschöne Gefühl, angekommen zu sein, stimmte sie weich. Da sind wir, hatte sie beim Hereinkommen gedacht, aber sie hatte sich geirrt, sie waren nicht da. Immer und ewig kamen und gingen sie, ohne Ruhe, ohne Frieden. Wovor scheute Markie zurück? Sie dachte daran, wie sie mit dem Auto rückwärts aus dem Schuppen wieder hinaussetzen und die fünf Meilen über die holprige Landstraße nach Devizes fahren mußte, sie dachte an die kahle Straße, den engen Gastraum, den freundlichen, ungeschickten Ober, der an ihren Stuhl stoßen würde.
Obwohl das Reisen ständig Thema ist, bewegt sich dieser Roman, "Die Fahrt in den Norden", auf traditionellen Erzählgleisen. Er ist in der Form geschlossen, es wird auktorial und allwissend, sogar aufreizend langsam erzählt. Elizabeth Bowen lässt ihren Figuren viel Zeit zum Denken und Reden, sie lotet winzige Seelenregungen aus, gibt scheinbar banalen Dingen statt wie dem trüben Nachmittagslicht, das sich in einer Kristallvase fängt. Wenn man so weit gekommen ist, dann hat der stete Mahlstrom ihres Erzählens seine Schuldigkeit schon getan, man erliegt ihm, ergibt sich, kann sogar süchtig werden, wie eine Zeitungskritikerin hierzulande glaubhaft versichert hat. Doch eine so versierte Autorin wie Elizabeth Bowen lässt es nicht bei der Hypnotisierung ihrer Leser nicht bewenden. Auf den allerletzten Seiten beschleunigt sie noch mal, sie zieht den Regler von Licht, Lautstärke und Tempo hoch und legt ein Finale hin, das Seinesgleichen sucht: Diese "Fahrt in den Norden", so viel steht fest, wird man so schnell nicht vergessen. Die erste deutsche Gesamtausgabe der Elizabeth Bowen führt eine große Erzählerin ein. Sigrid Ruschmeier ist die sehr flüssige Übersetzung eines Werks zu danken, das in England und Irland schon längst zum Kanon gehört.
Elizabeth Bowen
Die Fahrt in den Norden
Schöffling-Verlag, 440 S., EUR 24,90