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Binationale Ehen
Der deutsche Alltag als Herausforderung

Eine binationale Ehe ist eine Herausforderung. Theoretisch weiß das jeder. Doch wenn das gemeinsame Leben dann begonnen hat, sind viele Paare überrascht, wie schwierig es tatsächlich ist. Das haben auch Luis und Jenny erlebt.

Von Aglaia Dane | 20.08.2015
    Zwei Eheringe
    Eheringe: Eine binationale Ehe bringt auch Schwierigkeiten. (dpa/picture-alliance/Friso Gentsch)
    Ab 16 Uhr ist Familienzeit. Alle sind Zuhause: Papa Luis Manuel, Mama Jenny und die neun Monate alte Sofia. Zeit, zum Beispiel um auf dem Fußboden Plastikbecher aufeinanderzustapeln. Papa Luis sitzt am Esstisch und guckt in den Bonner Regen hinaus. 18 Grad - deutscher Sommer. Hier in Deutschland ist vieles anders, sagt der 30-Jährige. Sogar seine Frau, die er in Kuba kennengelernt hat, ist hier eine andere. Ich wurde hinters Licht geführt, sagt er im Scherz.
    "Du schreibst auf einmal alles in einen Kalender, schreibst ständig E-Mail, lachst wenig."
    So richtig angekommen ist der Kubaner noch nicht. Aber es ging auch alles sehr schnell: kennenlernen, Hochzeit, Baby, auswandern. Das alles ist innerhalb von zwei Jahren passiert. Die Geschichte von Jenny und Luis Manuel beginnt im Sommer 2013. Jenny ist zu einem Forschungsaufenthalt in Kuba. Die 29-Jährige ist selbst halbe Kubanerin und hat Regionalwissenschaften Lateinamerika studiert. Jetzt schreibt sie ihre Doktorarbeit über den Transformationsprozess in Kuba. Sie lernt Luis bei einem Straßenfest kennen. Der Start ist holprig. Er will provozieren und macht eine blöde Bemerkung über die Intelligenz von Frauen.
    "Und dann habe ich ihn nur angeguckt und dachte, naja, der scheint ja total schlecht drauf zu sein. Also war eher Liebe auf den zweiten Blick – wenn überhaupt."
    Heirat auf Kuba, Umzug nach Deutschland
    Dann aber erwischt es die beiden richtig. Sie wollen keine Fernbeziehung. Er soll die Möglichkeit haben, auch in Deutschland zu leben. Deshalb heiraten sie schon wenigen Monate später, im März letztes Jahr. Weil es unkomplizierter ist, heiraten sie in Kuba.
    "Sonst hätten wir es ja so machen müssen, dass ich ihn als Tourist nach Deutschland einlade. Dann hier in Deutschland, während er zu Besuch ist, heirate und dass dann versuche, das im Nachhinein zu legalisieren. Allerdings kann er den Status, wenn er einmal hier in Deutschland als Tourist ist, nicht mehr ändern. Er hätte dann sowieso zurück nach Kuba gemusst."
    Zumindest bis der Aufenthalt genehmigt ist oder so. Das war den beiden zu teuer und aufwendig. Außerdem hat Jenny neben ihrem deutschen Pass auch einen kubanischen, weil ihr Vater Kubaner ist. Das hat das Prozedere im Kuba vereinfacht. Sie brauchte zum Beispiel keine Ledigkeitsbescheinigung. Allerdings: Weil Jenny nicht in Kuba lebt, hat sie kein Residenzrecht und musste eine Extragebühr von umgerechnet etwa 650 Dollar zahlen. Außerdem mussten beide in einem speziellen Standesamt für binationale Ehen heiraten. In der Regel werden hier arrangierte Ehen geschlossen. In ihrem Fall freute sich die Standesbeamtin, endlich mal ein verliebtes Paar zu trauen. Jenny blättert in dem Fotoalbum von ihrer Hochzeit.
    "Da, die Ringe werden aufzogen."
    Es sind typische Hochzeitsfotos: weißes Kleid, Torte, Schleier, lachende Menschen. Aber ein paar Bilder fallen aus der Reihe: Man sieht viel blau. Luis Manuel ist Berufstaucher. Für ihn war klar, wenn Hochzeit, dann auch im Meer.
    "Und dann haben wir den Schleier auch unter Wasser angezogen. Das kann man gleich sehen. Ich bin die hier vorne. Er hat mich die ganze Zeit nicht losgelassen. Er hat mich die ganze Zeit an einem Handgelenk festgehalten. Es war mein erster richtiger Tauchgang."
    Was Jenny da noch nicht wusste: Sie war da schon schwanger. Viel schneller als gedacht, mussten die beiden ihre Zukunft als Familie planen. Da Jenny in Deutschland ihre Doktorarbeit zu Ende schreiben will, entschieden sie, dass Luis Manuel nach Bonn kommt. Doch die beiden mussten feststellen: Eine Hochzeitsurkunde alleine reicht nicht, um nach Deutschland einzuwandern. Luis Manuel gehört zu der Kategorie Einwanderer, die schon im Heimatland erste Deutschkenntnisse vorweisen müssen – Sprachniveau A1, die Elementarstufe.
    "Das war halt irgendwie nicht machbar. Ich habe mich mit ihm hingesetzt und wir haben das versucht, das zu machen. Aber es liegt ihm einfach nicht. Und das Interesse an der Sprache an sich war auch nicht besonders groß. Er sagt, er hätte in Kuba nie und nimmer diesen Kurs bestanden."
    Bürokratieschock in Deutschland
    Die Lösung für das Problem: das noch nicht geborene Kind. Die deutschen Behörden stellen Luis Manuel ein spezielles Visum aus - zur Familienzusammenführung. So kommt er dann im letzten Herbst auch ohne Sprachnachweis nach Bonn. Aber der erste richtige Bürokratieschock folgt erst noch: beim ersten Termin in der Ausländerbehörde. Ein Beamter erklärt dem Paar, dass Luis Manuel mit diesem Visum weder arbeiten, noch einen subventionierten Deutschkurs besuchen darf – so lange das Kind nicht geboren ist.
    "In den drei Monaten hat er eben nicht viel zu tun gehabt. Sofia war ja noch nicht da. Und er hat mich dann jeden Tag gefragt, guck mal in die Zeitung, guck mal, was ich machen kann. Bei jedem Arbeitgeber war dann die Frage, spricht er Deutsch. Nee, noch nicht. Das war dann der Teufelskreis und da kamen wir nicht raus. Diese ersten drei Monate haben dann schon die Motivation genommen."
    Luis Manuel sitzt also den ganzen Herbst in der Neubauwohnung und hat nichts zu tun. Im Dezember ist es dann endlich soweit: Ihr Tochter Sofia kommt auf die Welt. Jetzt bekommt der Kubaner endlich die Möglichkeit, aktiv zu werden. Er sucht sich Jobs: Erst trägt er Zeitungen aus, dann schippt er Schnee, im Moment macht er Gartenarbeiten. Und er besucht den subventionierten Integrationskurs, in dem er Deutsch lernt und Grundlagen über die deutsche Kultur, Geschichte und das politische System. Dieser Integrationskurs ist für ihn als Kubaner Pflicht. Sollte er ihn abbrechen, muss er 1.000 Euro Strafe zahlen.
    Luis hat keine Motivation zum Deutschlernen
    Luis Manuel fühlt sich vom deutschen Staat bevormundet. In Kuba war er sein eigener Chef. Er hat als Tauchlehrer, Trainer für Selbstverteidigung und mit anderen Geschäften gut verdient hat. Sein Leben war angenehm. Und jetzt schreiben ihm Beamte vor, was er zu tun hat. Zumal Luis Manue findet, dass der Kurs ihm persönlich nichts bringt.
    "Auch, wenn ich irgendwann Deutsch spreche, die Chancen für mich bleiben die gleichen. Bei Ärzten oder Ingenieuren ist das was anders. Die können, wenn sie Deutsch sprechen, hier weiterkommen. Aber ich würde dann weiter in der gleichen Fabrik oder Zeitarbeitsfirma arbeiten, für genauso wenig Geld. Ich habe wenig Motivation."
    Luis Manuel kommt kaum mit in dem Deutschkurs. Außerdem ist er unzufrieden mit der beruflichen Situation. Immer nur Mini-Jobs. Mit ihnen kann er nur wenig zum Familieneinkommen beitragen. Im vergangenen Winter geht es ihm immer schlechter, im Februar kann er nicht mehr. Er und Jenny beschließen: So kann es nicht weitergehen. Luis packt seine Sachen und fliegt in die USA, Jenny und Sofia kommen hinterher.
    Vielleicht finden sie dort in Florida ihr Glück? Jenny gefällt es überhaupt nicht. Sie kommen zurück nach Bonn. Hier bleiben sie jetzt erst einmal, auch wenn für Luis Manuel klar ist, dass Deutschland nicht der richtige Ort für ihn ist. Er hofft, dass er mit seiner Familie irgendwann nach Kuba gehen kann. Auch Jenny kann sich das vorstellen, aber nur, wenn sie dort einen guten Job findet. Solange versuchen sie, das Beste daraus zu machen. Zum Beispiel mit gutem Essen. Luis brät Schweinefleisch an – auf kubanische Art.
    "Schade, dass das Mikrofon nicht riechen kann. Siehst du diese Flasche. In dem Öl sind Zwiebeln, Knoblauch und Chili eingelegt. Mit diesem Öl brate ich fast alles. Wie Kubaner mögen es schön würzig."
    Dazu gibt es spanische Sangría und deutschen Pflaumenkuchen. So sieht Abendbrot in einer multinationalen Familie aus.