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Biodiesel aus der Salzwüste

Umwelt. - Laut Angaben der Vereinten Nationen gehen jede Minute weltweit drei Hektar Land durch Versalzung als Produktionsfläche für die Landwirtschaft verloren. Eine Alternative, um diese Gebiete trotzdem weiter zu nutzen, könnte der Anbau von Pflanzen sein, die von Natur aus salztolerant sind. Wissenschaftler erkunden derzeit die Möglichkeiten.

Von Lucian Haas | 25.08.2011
    Für jeden zweiten Menschen auf der Erde ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel. Angebaut wird Reis hauptsächlich auf künstlich bewässerten Flächen, bei denen ständig die Gefahr der Versalzung besteht. Pflanzenzüchter haben schon lange das Ziel, Reispflanzen salztoleranter zu machen. Doch die Ergebnisse sind ernüchternd.

    "Beim Reis, der sehr empfindlich auf Salz reagiert, wird seit 20 Jahren daran gearbeitet. Doch es war nahezu unmöglich, die Salztoleranz nennenswert zu steigern. Im Grunde ist es bei allen Pflanzenarten sehr schwer, die Toleranz zu verändern."

    Der britische Biologe Tim Flowers von der Universität von Sussex erforscht, welche genetischen Faktoren darüber bestimmen, ob Pflanzen besser oder schlechter mit Salz zurechtkommen. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur einzelne Gene die Salztoleranz von Pflanzen bestimmen. Diese Eigenschaft wird vielmehr von einer Vielzahl von Genen gesteuert. Deren Wechselwirkungen sind so komplex, dass sie nur sehr schwer per Züchtung oder Gentechnik in den Griff zu kriegen sind – wenn überhaupt. Tim Flowers propagiert darum eine andere Lösung: Bauern mit versalzten Böden sollten besser gleich solche Pflanzen anbauen, die von Natur aus mit Salz zurechtkommen. Mit solchen Halophyten wäre sogar eine Bewässerungslandwirtschaft möglich, die kein Trinkwasser mehr verbraucht, sondern auf Brackwasser basiert. Freilich birgt dieser Weg auch noch Probleme. Flowers:

    "Es ist schwierig, aus Wildpflanzen Ackerpflanzen zu machen. Wie baut man die Arten an? Und wie schafft man es, dass die Menschen sie auch annehmen? Halophyten werden wohl niemals Reis, Weizen oder Mais ersetzen. Aber sie könnten in bestimmten Bereichen, bestimmten Ländern und für spezielle Produkte nützlich sein."

    Erste Anbau- und Vermarktungsversuche gibt es schon, wenn auch nur in kleinem Umfang. In den Niederlanden wird Queller, auch Friesenkraut genannt, als delikates Salzgemüse in Supermärkten gehandelt. In Israel gibt es Energieholz-Plantagen von Tamarinden, die mit dem Spülwasser von Meerwasser-Entsalzungsanlagen bewässert werden. Das größte Potenzial der Halophytennutzung sehen Experten allerdings in Entwicklungsländern. An der Universität von Karachi in Pakistan gibt es das "Institut zur nachhaltigen Halophyten-Nutzung". Dort erforscht der Biologe Ajmahl Khan seit Jahren, welche der heimischen Salzpflanzen eine Option für die Bauern sein könnten.

    "Ich denke, dass Halophyten als Nahrungsmittel die geringste Rolle spielen. Das größere Potenzial liegt im Bereich Viehfutter, Treibstoffe, Biodiesel und ähnliches. Unser Institut forscht viel über Öl. Es gibt salztolerante Pflanzen, die sogar genießbares Öl liefern, dessen Qualität vergleichbar ist mit Oliven- oder Rapsöl."

    Ajmahl Khan hat auch schon Pflanzen gefunden, die auf salzigen Böden genügend Biomasse liefern, um daraus im großen Stil Ethanol als Treibstoff gewinnen zu können. Was jetzt noch fehlt, sind Investoren, die die nötige industrielle Infrastruktur für die Verarbeitung aufbauen. Doch genau das stellt derzeit noch die größte Hürde für einen Erfolg der Halophyten in den ärmeren Ländern dar. Khan:

    "Wir haben wenig Erfahrung, eine Technik zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Wir haben keine Inkubationszentren. Und die Geldgeber im Land, von denen es nicht viele gibt, haben kein Vertrauen in unsere Wissenschaftler."

    Um seine Landsleute dennoch zu überzeugen, setzt Ajmahl Khan auf Forschungskooperationen mit Instituten und Geldgebern in Europa und den USA. Denn eins ist für ihn klar: Angesichts von Bevölkerungswachstum und Klimawandel wird die Menschheit in Zukunft auf die salztoleranten Pflanzen angewiesen sein.

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