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Biofeedback-Behandlung
Selbstkontrolle gewinnen - nicht nur für Schmerzpatienten

Nachhaltig und ohne Nebenwirkungen: Die Biofeedback-Behandlung kann für Schmerzpatienten, aber auch bei Angststörungen und Stress eingesetzt werden. Der Patient lernt, körperliche und physiologische Vorgänge in eine bestimmte erwünschte Richtung zu verändern.

Von Andrea Westhoff | 16.12.2014
    Ein jugendliches Mädchen mit Kopfschmerzen
    Biofeedback hilft, die eigene Wahrnehmung zu verändern (dpa/picture alliance/Frank Rumpenhorst)
    Es erinnert schon ein bisschen an Science-Fiction (oder Krimis): Zu Beginn der Biofeedback-Behandlung bekommen die Patienten zum Beispiel ein Stirnband mit einem "Blutvolumenpulssensor", oder einen Spezialgürtel um den Bauch für die Atemkontrolle, Elektroden an die Finger, um die Temperatur zu messen oder den "Hautleitwert", der indirekt den Grad nervlicher Anspannung anzeigt – wie beim Lügendetektor. Und all die Kabel werden schließlich mit einem Computer verbunden.
    "Also hier sehen wir die Schweißdrüsenfunktion, dann kommt die Körperoberflächentemperatur, was der Gefäßsituation in unserem Körper gleichkommt, rosa ist der Puls, dann kommt die Qualität der Atmung."
    Die einzelnen Körperfunktionen oder Biosignale, die in der Regel unbewusst ablaufen, werden aufgenommen und rückgekoppelt, das heißt, für den Patienten auf einem Computerbildschirm sichtbar gemacht und manchmal zusätzlich akustisch dargestellt.
    "Das Prinzip von Biofeedback basiert im Grunde genommen auf der Fähigkeit des Menschen, Kontrolle zu gewinnen über die eigenen Körperfunktionen," sagt die Psychologin Etleva Gjoni Biofeedback-Therapeutin am Schmerz- und Palliativzentrum der Berliner Charité.
    Kontrolle ist ein Stichwort: Also das übergeordnete Ziel ist, die Selbstkontrolle zu gewinnen. Es geht sozusagen bei einer Biofeedback-Behandlung darum, körperliche, physiologische Vorgänge in eine bestimmte erwünschte Richtung zu verändern.
    Das Biofeedback-Verfahren wird viel in der Psychosomatik eingesetzt, erklärt Petra Roth, leitende Physiotherapeutin in den Kliniken des Theodor-Wenzel-Werks Berlin:
    "Besonders gut eignet es sich für die Angstpatienten, für Patienten mit allgemeinen Stresserscheinungen, die also so unter Spannung stehen, dass der ganze Körper drauf reagiert, Schmerzpatienten, Migränepatienten, Kopfschmerzpatienten, viele Patienten, die die Zähne so zusammenbeißen, und oft auch diese Somatisierungsstörungen jeglicher Art, das heißt, wo also irgendwelche körperlichen Symptome bestehen, die von der inneren Spannung abhängig sind."
    Die Biofeedback-Behandlung beginnt für alle Patienten gleich: mit einem Stresstest. Dafür wird zuerst der Normalzustand erhoben, dann werden die Körperfunktionen unter Anspannung gemessen. Bei Menschen mit Angststörungen zum Beispiel arbeitet Petra Roth mit deren inneren Bildern:
    "Das heißt, der Patient denkt an eine Situation, die ihm bekannterweise nicht gut tut, und man schaut, wie der Körper reagiert, und dann soll er diesen Gedanken beiseite schieben und wieder für drei Minuten in die Entspannung kommen, diesmal ohne ein Feedback zu bekommen, und um bei dieser Kurve der Schweißdrüsenfunktion zu bleiben, erwartungsgemäß wäre zu erwarten, dass die wieder abfallend wird, weil die Schweißdrüse wieder weniger Schweiß produziert.
    Gute Ergebnisse bei Schmerzpatienten
    Aber hier sieht man deutlich, wie diese Patientin immer mehr in die Anspannung reinkommt. Auch die Atmung ist auffällig, ich würde versuchen, Atmung und Schweißdrüsenfunktion zusammen in die Übung mit reinzunehmen, ich gebe der Patientin Aufgaben, sie soll zum Beispiel ganz konzentriert an ihrer Ausatmung arbeiten, weil Ausatmung ist der Teil der Atmung, der uns zur Ruhe bringt, und allein schon durch das Konzentrieren auf diese kleine Aufgabe ist die Schweißdrüsenfunktion abfällig, weil die ganzen grübelnden Gedanken, die die Patientin sonst hat, sie gar nicht mehr in die Anspannung bringen können."
    Sehr erfolgreich wird Biofeedback auch bei Schmerzpatienten eingesetzt – und das ist eigentlich erstaunlich. Denn bei dieser Behandlung geht es – wie gesagt – darum, körperliche Prozesse genauer wahrzunehmen, die sonst eher unbewusst ablaufen. Doch Schmerzen sind ja alles andere als unbemerkt. Das klingt wirklich etwas merkwürdig, gibt die Psychologin und Schmerztherapeutin Etleva Gjoni zu:
    "Allerdings, auch bei anderen Störungsbildern beeinflussen wir nicht das Symptom direkt, sondern die körperliche Funktion, die mit diesem Symptom verbunden ist. Zum Beispiel die Muskelaktivität. Oder die Änderung der Hautleitfähigkeit: die Haut oder die Körpertemperatur ist auch so eine Körperaktivität, die bei der Behandlung von Schmerzen mit Biofeedback eine wichtige Rolle spielt, oder sogar elektrophysiologische Vorgänge im Gehirn. Und ganz wichtig auch die Atemaktivität."
    Bei Migräne beispielsweise trainieren die Patienten, bewusst ihre Schläfenarterie zu erweitern oder zu verengen. Diese Gefäßveränderung lässt sich mit dem Blutvolumenpuls messen, und das Ergebnis wird meistens nicht nur durch die Kurven auf dem Computer sichtbar gemacht, sondern mit speziellen Bildern unterstützt: Da erscheint etwa eine Blume, die auf und zugeht, oder ein Ring, der sich verengt oder weitet, oder zwei Comic-Figuren, die Wände zusammen- oder auseinanderschieben.
    Nicht für alle Patientengruppen geeignet
    Die Biofeedback-Methode ist gut erforscht und durchaus effektiv in der Migränebehandlung. Das heißt konkret: Bei jedem zweiten Patienten wurden die Schmerzen um die Hälfte reduziert.
    "Es ist eigentlich die Erfolgsquote, die man auch mit medikamentöser Behandlung erreicht. Aber im Gegensatz dazu ist die Biofeedback-Behandlung nachhaltiger und hat keine Nebenwirkungen."
    Für einige Patientengruppen allerdings eignet sich Biofeedback nicht, sagt Petra Roth von den Kliniken im Theodor-Wenzel-Werk Berlin:
    "Schwer Traumatisierte sind schwer zu erreichen, weil auch ganz viel mit inneren Bildern gearbeitet wird, Patienten mit Wahnvorstellungen, Patienten mit ganz ganz schweren Depressionen sind auch nicht sonderlich gut geeignet fürs Biofeedback, epileptische Anfälle sind eine Kontraindikation, und was auch ganz schwer zu beeinflussen sind, sind Essstörungen."
    Von vielen anderen Patientengruppen aber wird Biofeedback gut angenommen: "Fast alle sind begeistert davon, weil man wirklich sieht oder hört, was mit einem passiert, und ganz besonders Männer, die stehen auf die Technik dieser Methode."
    Die Biofeedback-Bbehandlung löst tatsächlich Aha-Effekte aus, ergänzt Etleva Gjoni vom Schmerz- und Palliativzentrum der Charité:
    "Also das zeigt ja auch die Erfahrung mit Schmerzpatienten: Sobald sie vor dem Monitor stehen und die Reaktion der eigenen körperlichen Funktionen kontrollieren können, ist ja so ein wunderbares Erlebnis. Sie machen die Erfahrung, selbst etwas gegen die Schmerzen zu tun. Selbst etwas für die eigene Lebensqualität zu tun. Denn Kontrolle bedeutet auch Lebensqualität."