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Biomedizin
Brillante Röntgenquelle im Wohnzimmerformat

Um Gewebeproben wie Tumorzellen zu analysieren, benötigen Forscher hochenergetisches Röntgenlicht. Erzeugt wird dies von großen Teilchenbeschleuniger. An der TU München geht dies nun kleiner und kompakter.

Von Veronika Köberlein | 22.01.2016
    "Jetzt wird's gleich laut! - Lautes Piepen."
    Dr. Klaus Achterhold vom Medizinisch-Physikalischen Institut der TU München schließt die Türe eines Raums, der von 500 Tonnen Schwerbeton umgeben ist. In ihm werden Röntgenstrahlen erzeugt, die hundertmal intensiver sind als jene einer im Krankenhaus üblichen Röntgenröhre.
    Diese hochenergetische Strahlung benötigen Forscher beispielsweise, um feine Gewebeunterschiede sichtbar zu machen, durch die sich Tumorzellen verraten. Bisher musste Klaus Achterhold die Gewebeproben dafür an Forschungseinrichtungen mit großen Teilchenbeschleunigern vermessen.
    "Der Nachteil ist, dass sie weit weg sind. Dass man Messzeit da beantragen muss und nicht sicher ist, dass man sie dann auch bekommt. Die Proben müssen fertig sein, wenn man da mal für einige Tage da hinfahren darf, um da zu messen."
    Die großen Synchrotrone erzeugen hochenergetische Röntgenstrahlung, indem schnelle Elektronen, die durch kreisförmige Stahlröhren flitzen, mit Magnetspulen vom Kurs gebracht werden. Dabei strahlen die Elektronen Energie ab – und zwar in Form von Röntgenstrahlung, sofern ihre Geschwindigkeit hoch genug ist. Die dazu nötigen Apparaturen füllen Hallen. Die Munich Compact Light Source in Garching ist viel kompakter und findet in einem wohnzimmergroßen Raum Platz.
    "Das Funktionsprinzip der Röntgenerzeugung ist ein total anderes. Wir erzeugen auch Elektronen und beschießen diese Teilchen von der anderen Seite mit den Lichtteilchen eines Infrarotlasers. Dann spielen die Elektronen und diese Lichtteilchen sozusagen Billard miteinander. Die hochenergetischen, ich sag mal dicken Elektronen, die stoßen die leichten, niederenergetischen Teilchen zurück, wie beim Billardspiel und diese Lichtteilchen können dabei Energie von den Elektronen aufnehmen."
    Elektronen auf Zickzackkurs
    Die Elektronen müssen den Laserstrahl dafür auf einer Zielfläche treffen, die halb so dick ist wie ein menschliches Haar. Der Laserstrahl, rund 10.000-mal leistungsfähiger als der eines Laserpointers, übernimmt dabei die Aufgabe der Magnete in großen Synchrotronen. Beide zwingen die Elektronen auf einen Zickzackkurs, wodurch sie beschleunigt werden. Das elektromagnetische Feld des Lasers wechselt jedoch mit einer sehr viel kürzeren Periode als die Magnetfelder in großen Beschleunigern. So lassen sich hochenergetische Röntgenstrahlen hoher Intensität erzeugen, ohne die Elektronen zuvor auf langen Strecken extrem zu beschleunigen.
    "Das physikalische Prinzip, dass man Lichtteilchen mit Elektronen zusammenstoßen lassen kann und damit Röntgenstrahlung erzeugt, das ist schon älter. Der Trick bei dieser Anlage ist, dass man das Ganze 65 Millionen mal pro Sekunde wiederholen kann. Indem man die Elektronen in einem Speicherring speichert und die Lichtteilchen zwischen den Spiegeln gefangen hält. Das heißt, das vergrößert diesen Effekt dann um 65 Millionen. Und damit bekommen wir sehr intensive, wir nennen das sehr brillante Röntgenstrahlung, die wir dann für unsere Experimente nutzen können."
    Die brillante Röntgenquelle liefert den Münchner Forschern nicht nur einen hochenergetischen Strahl mit sehr kleinem Durchmesser. Klaus Achterhold kann die Energie des Röntgenlichts sogar variieren und so auf die jeweiligen Probeneigenschaften abstimmen. Brillante Röntgenstrahlung, erzeugt in einem kompakten Aufbau - werden die Mini-Synchrotrone den großen Anlagen bald den Rang ablaufen?
    Es gibt eine Nutzungsnische, in die dieses Gerät genau passt. Das wird nie die ganz hervorragende Strahlung von den Großforschungseinrichtungen ersetzen können. Ein Formel-1-Rennwagen ist auch schneller als ein Auto mit dem sie zur Arbeit fahren. Aber wir haben diese Anlage in unserem Labor und wir können diese Anlage 24 Stunden am Tag siebenTage die Woche nutzen. Und das ist nicht möglich als Forschertruppe an einem Synchrotron, an einer Großforschungsanlage."