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Biosprit-Boom zulasten der Umwelt

Weg vom importierten Rohöl: In den USA ist die Unabhängigkeit der Energieversorgung der wichtigste Grund für den Anbau von Bioenergiepflanzen. Doch manchmal stellt sich die Sinnfrage - etwa, wenn Bioethanol aus Zuckerrohr aus Brasilien importiert, aber Bioethanol aus Mais nach Brasilien ausgeführt werden soll.

Von Heike Wipperfürth | 20.03.2013
    62 Milliarden Liter Biosprit - das ist die von der US Regierung vorgeschriebene Absatzmenge für Biokraftstoff dieses Jahr. Das sind neun Prozent mehr als 2012. Die Steigerung soll auch mithilfe der "Biokraftstoffe der zweiten Generation" umgesetzt werden. Dazu zählen nicht nur Kraftstoffe aus Zellulose, sondern auch Brennstoffe, die aus Zuckerrohr oder Ölpalmen gewonnen werden - und im Gegensatz zu den USA in Deutschland als erste Generation definiert sind. Die bisher größte Ethanolquelle bleibt in den USA weiterhin jedoch der Mais. Tim Searchinger, ein Agrarexperte an der Princeton Universität, mit der Begründung für die staatliche Hilfe:

    "Die US Regierung setzt sich für Biosprit ein, damit die Farmer mehr Geld verdienen können. Sie haben nun mal die besten Beziehungen zu hohen Kreisen in der Politik."

    Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht: Bis 2022 soll sich die jährliche Absatzmenge auf 136 Milliarden Liter erhöhen. Das sieht der "Renewable Fuel Standard" vor, ein vor acht Jahren von George W. Bush verabschiedetes Energiegesetz. Mit dem wachsenden Bedarf steigen die Preise und immer mehr Prärieflächen verschwinden. So wurden im US-Maisgürtel im Mittleren Westen seit Einführung der Vorgaben 5300 Quadratkilometer Grasfläche - das entspricht halb Belgien - in Mais und Sojafelder umgewandelt. Die Äcker sind anfällig für Dürren und Bodenerosion - doch der Umbruch der Prärie sei nicht zu stoppen, sagt Searchinger.

    "Selbst wenn das gesamte weltweit produzierte Getreide genutzt würde, um fossile Treibstoffe zu ersetzen: Damit würden nur 14 Prozent des Weltenergiebedarfs gedeckt. Die Suche nach geeigneten Anbauflächen wird sich also intensivieren."

    Die steigenden Getreidepreise rufen Gegner auf den Plan. Ein gutes Dutzend US Bundesstaaten, darunter Texas und Virginia und die Fleischindustrie forderten die Obama Regierung schon im November vergangenen Jahres auf, die Mengenziele für Biosprit zu vermindern - ohne Erfolg. Auch bei der Auto- und der Ölindustrie regt sich Widerstand. Beide Branchen werfen der Obama Regierung vor, die Pläne zum Einsatz des Sprits aus Zellulose seien unausgegoren. Denn bei Nichteinhalten der Quoten ist mit Strafzahlungen in Millionenhöhe zu rechnen. Dabei gebe der Markt die geforderte Menge von 52 Millionen Litern noch gar nicht her. Schade, sagt Peter Kerlemen, ein Geochemiker an der Columbia Universität in New York.

    "Ich weiß nicht, wie man die Leute dazu bringen kann, Biosprit aus Zellulose zu verwenden, aber das Material dafür ist überall zu finden und kostet nichts. Ich glaube, dass man für das Abholen sogar bezahlt wird."

    Sorgen bereitet Umweltschützern auch noch etwas ganz anderes: Brasilien produziert Biosprit aus Zuckerrohr und exportiert ihn in die USA, um dort die Nachfrage nach Biokraftstoffen der zweiten Generation zu befriedigen. Weil Brasilien bei Treibstoffen jedoch noch kein Selbstversorger ist, importiert es auf der anderen Seite Biosprit der ersten Generation aus den USA. 2010 waren es 70 Millionen Liter, Tendenz steigend, sagt Tim Searchinger.

    "Brasilien kann der Nachfrage nicht nachkommen. Weil Brasilien uns Biosprit aus Zuckerrohr liefert, schicken wir Biosprit aus Mais nach Brasilien. Das Ethanol pendelt buchstäblich hin und her. So erhöht sich die Nachfrage nach Ethanol aus Mais über die vereinbarte Menge."

    Auch Biodiesel steht Searchinger skeptisch gegenüber. Dieser Kraftstoff sei ein Klimakiller: In Malaysia und Indonesien wird Regenwald gerodet, um Palmölplantagen für die Produktion von Biodiesel anzulegen. Von ökologisch nachhaltigem Kraftstoff kann keine Rede sein.

    "Ungefähr zweieinhalb Prozent aller weltweiten Treibhausgase entweichen aus einer nur kleinen Region trockengelegter Torflandschaften in Indonesien und Malaysia. Dort wird die Produktion von Palmöl aber stetig ausgeweitet."