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Biosprit statt Kokain

Kolumbien verstärkt sein Vorgehen gegen die Kokainproduktion und setzt dabei nicht nur auf Polizei und Militär. Um Landwirten eine Alternative zum lukrativen Anbau der Kokapflanze zu geben, fördert das Land den Umstieg auf Ölpalmen für die Herstellung von Biosprit - eine Entwicklung mit Gewinnern und Verlierern.

Von Nils Brock | 18.02.2009
    Wer in der kolumbianischen Provinz Meta noch Geld hat, den Motorradtank zu füllen, ist ein reicher Mann. Im einstigen Goldenen Dreieck des Kokaanbaus herrscht wirtschaftlich Ebbe. Als die Armee Anfang des Jahres die Kokaernte zerstörte, verloren viele Bauern ihre Existenz. So auch Juan Mouriño, der seitdem fieberhaft nach einer agrarischen Alternative sucht:

    "Seit die Regierung mit dem Koka Schluss gemacht hat, geht hier im Dorf alles den Bach runter. Nur Bauern, die ein Auto haben, gelingt es, ihre Feldpflanzen in der Hauptstadt zu verkaufen. Uns anderen bleibt nichts weiter übrig, als unser Gemüse zu verschenken oder es vergammeln zu lassen. Wir hatten hier auf Süßkartoffeln umgestellt, aber alles ist vergammelt, es gab keine Käufer."

    Es ist das alte Lied: Süßkartoffeln sind einfach weniger gefragt und bringen weniger Gewinn als der Grundstoff für Kokain. Deshalb empfahl die kolumbianische Regierung den betroffenen Gemeinden auch den Anbau von Ölpalmen. Sogar ein paar Finanzspritzen gab es deshalb für die Region Meta. Aufforsten mit nachwachsenden Rohstoffen. Diese Idee überzeugte zuerst auch Hector Montoya, Bürgermeister der Gemeinde Vista Hermosa:

    "Wir haben uns anfangs sehr für die Ölpalmkulturen interessiert. Wir hatten sogar vor, die Produktion hier komplett auf Ölpalmen umzustellen. Aber uns ist schnell klar geworden, dass der Anbau von Ölpalmen sehr teuer ist. Und wir sind eine arme Gemeinde Die 2100 Hektar auf denen hier heute Ölpalmen wachsen, gehören den paar reichen Familien, die sich das leisten konnten. Das ist das Problem."

    Vor allem der Umstand, dass die Pflanzen viel Platz brauchen und erst nach drei Jahren zarte Früchte liefern, erschwert den Kleinbauernfamilien den Einstieg ins Ölpalmengeschäft. Und die staatlichen Zuschüsse reichen, wenn sie denn ankommen, nicht aus, das Warten auf die erste Ernte zu überbrücken. So sind die Ölpalmen vornehmlich für Großgrundbesitzer der Region erschwinglich, die seit Jahrzehnten gute Geschäfte in der Viehwirtschaft machen.

    Kein Startkapital für Ölpalmen und keine Käufer für Süßkartoffeln und Bananen - vielen Kleinbauern bleibt so nur der Exodus. Ein Teil versucht in den Vororten der großen Städte sein Glück, andere suchen sich ein ungestörtes Fleckchen um wieder Koka anzubauen - zum Beispiel Naturschutzgebiete aber auch die angestammten Gebiete indigener Gruppen. Ein Teufelskreis mit Methode, sagt der kolumbianische Politikberater Luis Alberto Gómez:

    "Der Anbau von Koka ist die Speerspitze bei der Erschließung eines neuen Gebiets. Danach tauchen für gewöhnlich paramilitärische Gruppen auf, um die Kontrolle über die Kokaproduktion zu übernehmen, Angst und Schrecken zu verbreiten. Dann, in einem dritten Moment, wird von staatlicher Seite die Kokaernte zerstört. Und als vierter Schritt wird der ganzen Bevölkerung dann ein alternatives Agrarprojekt angeboten. Und was könnte das wohl sein? Ein Projekt, das Kolumbien gut in der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts platzieren soll. Nachwachsende Rohstoffe zur Biospritherstellung."

    Kleine Landbesitzer, denen das Geld ausgeht, haben dann keine andere Wahl als ihr Land zu verkaufen und als Tagelöhner auf einer Ölpalmplantage anheuern - auch das gelingt längst nicht allen. Indirekt verstärkt der Ölpalmanbau so die Konzentration von landwirtschaftlichem Nutzland in den Händen weniger. Andererseits ist das Ziel der kolumbianischen Regierung, jährlich mehr als eine halbe Million Tonnen Biosprit zu produzieren ohne großflächige Monokulturen auch kaum zu erreichen.

    Ob die schleichende Verarmung der einstigen Kokahochburg Meta politisch gewollt ist, will man im Rathaus von Vista Hermosa nicht sagen. Aber man informiert sich inzwischen gründlich über die Ölpalmpläne der Regierung und realisiert derweil eigene Ideen für die künftige Entwicklung der Region.