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Birkner: Bei rückholbarer Lagerung ist Gorleben nicht die erste Wahl

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat einen Erkundungsstopp für Endlager Gorleben bis zur Bundestagswahl verfügt. Sollte es bei den angekündigten Bund-Ländern-Gespräche für die Suche nach einem bundesweiten Endlager zu einem Konsens kommen, dann müsse selbstverständlich in Gorleben ein Erkundungsstopp erfolgen, sagte Niedersachsen Umweltminister Stefan Birkner (FDP).

Stefan Birkner im Gespräch mit Martin Zagatta | 01.12.2012
    Christine Heuer: Immer wieder hatten Kritiker des Standorts Gorleben gefordert, die Erkundung des Salzstocks als Endlager für hoch radioaktive Atomabfälle solle gestoppt werden, und zwar endgültig. Endgültig ist es zwar nicht, was Bundesumweltminister Peter Altmaier jetzt verkündet hat, aber wenigstens ein Moratorium soll es wieder einmal geben für die Untersuchungsarbeiten an dem seit Jahrzehnten umstrittenen Standort. Bemerkenswerterweise soll dieses Moratorium mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl gelten, so hat es Peter Altmaier gestern formuliert. Über die Entscheidung der Bundesregierung sprach gestern Abend mein Kollege Martin Zagatta mit dem niedersächsischen Umweltminister Stefan Birkner. Seine erste Frage an den FDP-Politiker aus Hannover, ob er denn in der Ankündigung, die Gorlebenerkundung bis zur Bundestagswahl im September auszusetzen, auch ein Wahlkampfmanöver sieht.

    Stefan Birkner: Das sehe ich nicht so, sondern es unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der der Umweltminister Peter Altmaier diesen Prozess des neuen Endlagersuchgesetzes und der Suche nach einem Konsens betreibt.

    Martin Zagatta: Aber kann man denn Entscheidungen mit solcher Tragweite an der Bundestagswahl beziehungsweise an Wahlterminen ausrichten?

    Birkner: Das ist ja nicht allein die Entscheidung im Hinblick auf die Erkundung. Es bedarf ja noch weitergehender Entscheidungen, um tatsächlich hier zu einem gänzlich neuen Verfahren zu kommen, nämlich des neuen Endlagersuchgesetzes. Und um diesen Prozess voranzubringen und diesen Prozess zu beschleunigen und die abwartende und blockierende Haltung von Gabriel und Trittin zu brechen, ist es, glaube ich, richtig, hier ein entsprechendes Signal zu setzen in der Hoffnung und Erwartung, dass da dann Bewegung in diesen Gesamtprozess kommt, und man dann in den nächsten Wochen und Monaten, möglichst vor der Bundestagswahl noch, zu einem Konsens zu kommen.

    Zagatta: Sie sagen Bewegung, aber woher kommt denn dieser Sinneswandel? Union und FDP sind doch über Jahrzehnte nahezu vorbehaltlos für Gorleben eingetreten.

    Birkner: Ja, im Zusammenhang mit der Energiewende und den Gesprächen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin hat der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister ja auch dieses Thema auf die Tagesordnung gehoben. Und seitdem reden wir ja, seit Herbst letzten Jahres, in Bund-Länder-Gesprächen über die Endlagersuche, über eine bundesweite Öffnung. Dazu hat dann auch Herr Ministerpräsident Kretschmann ja seinen Beitrag geleistet, indem er die Öffnung auch Baden-Württembergs signalisiert hat und seitdem ist das Gegenstand. Die niedersächsische Landesregierung, wir haben schon sehr frühzeitig in Aussicht gestellt, dass wir dann meinen, wenn es gelingt, hier zu einem Konsens zu kommen, dass dann selbstverständlich auch in Gorleben auch ein Erkundungsstopp erfolgen muss.

    Zagatta: War das ein Fehler, über Jahrzehnte an Gorleben als einzige Endlageroption festgehalten zu haben? War das ein Fehler?

    Birkner: Das ist schwer zu beurteilen, zumindest im Rückblick zeigt sich, dass nach 30 Jahren Auseinandersetzung, man ja keinen wesentlichen Schritt weiter gekommen ist. Aus der Perspektive damals sprach sicherlich auch einiges dafür, in Gorleben zu Beginn zu erkunden, auch weiter zu erkunden, aber in der Retrospektive, spätestens seit dem Moratorium von Rot-Grün, wo zehn Jahre nichts passiert ist, war dann auch klar, dass das zumindest schwierig wird, hier auf dieser Basis weiter voranzukommen.

    Zagatta: Steht Gorleben überhaupt noch zur Debatte? Denn Ihr Ministerpräsident, David McAllister, der sagte jetzt, er sei für eine rückholbare Lagerung. Das würde Salzstöcke, das würde also auch Gorleben dann ja ausschließen.

    Birkner: Das ist eine Position, die wir schon seit über einem Jahr als niedersächsische Landesregierung gemeinsam vertreten, dass man prüfen muss, ob denn das Konzept der tiefengeologischen Endlagerung überhaupt noch das richtig ist, oder ob hier auch rückholbare Lageroptionen verfolgt werden sollten. Aufgrund unserer Forderung ist das ja auch in dem Entwurf des Endlagersuchgesetzes in die dieser ersten Phase der Prüfungen mit drin, also diese Frage nochmals geklärt wird. Und es ist natürlich völlig richtig, wenn man in eine rückholbare Lagerung gehen möchte, dann ist Salz sicherlich nicht die erste Wahl. Ginge theoretisch natürlich auch, aber durch die Konvergenz nicht unbedingt vorteilhaft für eine rückholbare Lagerung. In diesem Sinne sind die Äußerungen des Ministerpräsidenten zu verstehen, dass, wenn man sich für eine rückholbare Lagerung entscheidet, Gorleben und Salzstöcke sicherlich nicht die erste Wahl sein könnten.

    Zagatta: Herr Birkner, in Gorleben sind ja seit den 70er-Jahren 1,6 Milliarden Euro investiert worden. Ist das denn jetzt im Endeffekt sinnlos ausgegebenes Geld?

    Birkner: Nein, das denke ich nicht. Denn zum einen hat man vielfältige Erkenntnisse über Salz gewonnen, als Würzgestein. Zum anderen bleibt ja und das halte ich auch inhaltlich für absolut richtig Gorleben auch weiter in der Betrachtung, und wie es immer heißt "im Topf" bei der bundesweiten Suche nach einem Endlager. Denn es gibt bisher keine Erkenntnisse, die dafür sprechen, dass man Gorleben ausschließen müsste. Also kein K.o-Kriterium, das irgendwie erfüllt sei. Und insofern, weil die Geologie entscheiden muss und die wissenschaftlichen Kriterien in erster Linie und die sicherheitsgerichteten Kriterien, gibt es bisher keinen hinreichenden Grund Gorleben auszuschließen. Deshalb bleibt auch dieser Standort, das ist auch unsere Position als Landesregierung, in der Betrachtung, im Vergleich - muss sich allerdings so wie jeder andere Standort auch, an den noch zu definierenden Kriterien messen lassen, kann damit auch jederzeit rausfallen, kann aber auch, wenn die Kriterien erfüllt sein sollen, auch bis zum Ende drin bleiben.

    Zagatta:Bleibt es beim Standort Gorleben jetzt auch bei weiteren Castor-Transporten? Denn irgendwie muss ja der Atommüll aus Frankreich, aus Großbritannien, der deutsche Atommüll, der dort noch lagert, zurückgenommen werden.

    Birkner: Ich setze mich dafür ein, auch gegenüber meinen Länderkollegen und auch gegenüber den Energieversorgern, dass es nicht zu weiteren Castor-Transporten nach Gorleben kommt. Auch vor dem Hintergrund, dass ich die Glaubwürdigkeit dieses Endlagersuchprozesses unterstreichen möchte, dass eben nicht der Eindruck entstehen könnte und auch nicht die Argumentation weiter gefahren werden könnte, dass man ja nur, weil da schon Castoren stünden, befürchten müsse, dass dieser Standort in Gorleben auch dann der Endlagerstandort werden würde. Voraussetzung dafür ist aber, dass auch andere Länder Bereitschaft signalisieren, dass sie bereit sind, Castoren bei sich aufzunehmen, etwa in den Standortzwischenlagern an den Kernkraftwerken, wo das zumindest theoretisch möglich wäre. Und leider ist es so, wie ich erwartet habe, dass sich bisher kein anderes Land überhaupt bereit erklärt, im günstigsten Fall auf die gesamte Endlagersuchdiskussion pauschal verweist oder gar nicht antwortet auf eine solche Anfrage. Und das zeigt halt, dass gerade das, was man auch oft von grünen Landesregierungen hört, dass doch diese Castor-Transporte eigentlich misslich seien, dass dann, wenn es darauf ankommt, selbst Verantwortung zu übernehmen, die Bereitschaft sich da doch sehr in Grenzen hält.

    Zagatta: Und das heißt, es bleibt bei weiteren Castor-Transporten nach Gorleben?

    Birkner: Das Transportbehälterlager in Gorleben ist das einzige Lager, das bisher für diese Castoren genehmigt ist. Die nächsten Transporte stehen ab 2014 frühestens an aus Sellafield, beziehungsweise es gibt noch einen Transport aus La Hague. Und es ist bisher das einzige Lager, das jetzt dafür genehmigt ist. Und wenn es nicht gelingt, auch zunächst einmal politische Bereitschaft in anderen Ländern zu bekommen über einen Transport in ihre Länder und damit auch die Bereitschaft, entsprechende Genehmigungsverfahren durchzuführen bei sich, dann sehe ich im Moment keine Alternative, weil eben dieser Standort genehmigt ist, die Anträge dann entsprechend gestellt werden oder schon gestellt sind von den Energieversorgern, von den Verantwortlichen. Und insofern – da sehe ich im Moment leider, trotz unserer politischen Bitten und Werbens dafür auf anderer Seite im Moment leider keine Bereitschaft zeigt, und da werden wir doch recht allein gelassen.

    Heuer: Der niedersächsische Umweltminister im Gespräch mit meinem Kollegen Martin Zagatta.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.