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Bis der Krieg uns scheidet

Der Serbe Vlade Divac und der Kroate Drazen Petrovic gehörten Ende der 1980er Jahre zum Besten, was der jugoslawische Basketball zu bieten hatte. Die beiden waren unzertrennliche Freunde. Doch das Auseinanderbrechen Jugoslawiens ließ auch die Freundschaft zerbrechen.

Von Rayna Breuer | 02.06.2013
    Es ist der 19. August 1990: Die jugoslawische Mannschaft führt im Finale der Basketball-Weltmeisterschaft gegen die UdSSR. Es steht 18:9 in der 5. Minute, doch dem Trainer Dusan Ivkovic reicht das nicht, er gestikuliert unruhig am Rand: schneller, dynamischer sollen seine Jungs spielen. Er hat auf Vlade Divac und Drazen Petrovic gesetzt – wie immer. Sie gehören zum Besten, was der jugoslawische Basketball zu bieten hat. Der Serbe Vlade und der Kroate Drazen, deren Erfolgsgeschichte und gemeinsamer Weg in Freundschaft begann. Der Trainer der jugoslawischen Mannschaft erinnert sich:

    "Sie waren unzertrennliche Freunde, der Sport hat sie zusammen gebracht, sie sind gemeinsam damit aufgewachsen. Und überhaupt, das war eine Generation sehr talentierter Spieler und großer Freunde."

    Ende der 80er ging Vlade zu den Lakers nach Los Angeles, sein Freund Drazen – zu den Blazers nach Portland. Die NBA, die beste Basketballliga der Welt, war ein gelebter Traum. Und das Ergebnis harter Arbeit:

    "Alles was Drazen erreicht hat, hat er sich hart erarbeitet. Er war unser großes Vorbild vor allem was den Arbeitseifer angeht. Er war einer der besten Drei-Punkte-Werfer in Europa und Amerika - bis heute zählt er zu den Besten","
    erinnert sich Vlade Divac. Goldene Zeiten für die beiden Basketballer vom Balkan in Nordamerika. Doch dann erreichen Nachrichten aus der fernen Heimat die beiden, die ihren gemeinsamen Weg entzweien sollten:

    ""Ende der 80er hat noch keiner damit gerechnet. Wir haben uns nicht gefragt, woher wir kommen, wer wir sind, wir haben einfach gespielt - für uns, für Jugoslawien. Doch Anfang der 90er haben die nationalistischen Ressentiments auf dem Balkan auch uns eingeholt. Man musste sich mit einer Nationalität identifizieren."

    Menschenmengen drängen auf das Spielfeld, Mikrofone werden durchgereicht, Fotografen umringen die Spieler. Das Finale gegen die UdSSR hat Jugoslawien für sich entschieden. Die Euphorie ist groß, doch ein Zwischenfall trübt die Freude: Ein Mann kommt auf das Spielfeld, in seinen Händen trägt er die kroatische Flagge.

    "Ich habe ihn freundlich gebeten, die Flagge wegzustecken. Wir spielten schließlich für Jugoslawien, nicht für Kroatien, Serbien oder Bosnien. Er meinte zu mir, die jugoslawische Flagge sei Müll. Ich war wütend, ich hab ihm die Flagge weggerissen, und hab ihm gesagt, dass er gehen soll."

    Die jugoslawische Hymne erklingt bei der abschließenden Siegerehrung, die Flagge des Vielvölkerstaates wird gehisst. Doch der Zwischenfall überschattet den Sieg. Zurück in den Vereinen lassen die Ereignisse im eigenen Land die Spieler nicht los – die Politik gewinnt Oberhand über den Sport. Vlade ist nach seiner NBA-Zeit zurückgekehrt - nicht in das Jugoslawien von damals, sondern in das neue Serbien. Die Vergangenheit hat er mittlerweile ruhen lassen. Damals hatte er lange nach Antworten für die zerbrochene Freundschaft gesucht – ohne Erfolg, sein Freund Drazen blockte jedes Gespräch ab:

    "Als der Konflikt bei uns begann, hat jeder für sich versucht, das Ganze zu erklären. Ich wusste was hier in Serbien passiert. Aber ich wollte von den anderen erfahren, was in Kroatien passiert. Doch Drazen und die anderen Kroaten in der NBA wollten nicht darüber sprechen, sie sagten immer: Wir reden, wenn das ganze aufhört, aber nicht jetzt."

    Eine Mannschaft, die von der Politik auseinander gebracht wurde. Lange haben sie dagegen gekämpft, wie ihr langjähriger Trainer Dusan Ivkovic erzählt:

    "Genau während der Europameisterschaft in Italien 1991 hatte sich Slowenien für unabhängig erklärt. Ein slowenischer Spieler aus unserer Mannschaft hat einen Brief erhalten. Es hieß darin, falls er weiter für Jugoslawien spielen würde, werde er als Verräter in Slowenien gelten. Es war eine schwere Zeit und eine schwere Entscheidung - ich habe ihm geraten, besser nicht zu spielen. Daraufhin war nicht ganz klar, ob wir als jugoslawisches Team überhaupt die Meisterschaft zu Ende bringen dürfen. Die internationale Gemeinschaft traf aber eine Entscheidung, die uns das erlaubte. Das war auch unser Wunsch."

    Jugoslawien gewinnt schließlich die Meisterschaft in Italien - zum letzten Mal in seiner Basketballgeschichte. Doch nach Feiern ist nicht allen zumute:

    "Als wir das Finale gewonnen hatten, mussten wir - wie sich das gehört - auf das Siegertreppchen und einer musste die jugoslawische Flagge halten. Doch die meisten Spieler haben sich zurückgezogen, sie wollten das nicht. Dann hab ich kapiert, was passiert. Es war für alle klar. Das war das Ende."

    Der Sport unterliegt der Politik. Die beiden Freunde Drazen Petrovic und Vlade Divac bleiben für immer entzweit. Zu einer Aussprache der beiden Basketballstars kommt es nicht mehr. Das Schicksal entscheidet dagegen: Am 7. Juni 1993 stirbt Drazen Petrovic bei einem Autounfall in Deutschland.