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Bischof Overbeck rät Bischöfin Käßmann zu weniger Zuspitzung

Der katholische Bischof Franz-Josef Overbeck hält sich in der Wertung der Neujahrsansprache seiner evangelischen Amtskollegin Käßmann zurück. Käßmann hatte klare Worte zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr gefunden, die nicht überall Anklang fanden - Bischof Overbeck gibt sich in seiner Kritik diplomatisch.

13.01.2010
    Bischof Franz-Josef Overbeck
    Bischof Franz-Josef Overbeck (Nicole Cronauge)
    Jasper Barenberg: Nichts ist gut in Afghanistan und Waffen schaffen dort offensichtlich keinen Frieden. Für diese Passage ihrer Neujahrspredigt ist Bischöfin Margot Käßmann, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, hart angegangen worden: von der Bundesregierung und von Politikern der SPD. Amtsmissbrauch wird ihr seitdem vorgeworfen, Naivität und Populismus. Andere wiederum loben ihre mutigen und klaren Worte. Auch nach einem Gespräch mit Verteidigungsminister zu Guttenberg hält Bischöfin Käßmann an ihrer kritischen Haltung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan fest. Wie aber verhält sich in dieser Situation die Katholische Kirche? Springt sie der evangelischen Bischöfin an die Seite, oder hält sie Abstand? – Vor der Sendung habe ich den Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, gefragt, ob die EKD-Ratsvorsitzende mit ihren Äußerungen zu weit gegangen ist?

    Franz-Josef Overbeck: Nach dem Selbstverständnis unserer katholischen Bischofskonferenz würde ich sagen, dass wir als Christen deutlich die Aufgabe haben, immer dafür einzutreten, alles zu tun, dass Frieden herrscht, und wir müssen gleichzeitig wahrnehmen, dass die Wirklichkeit oft eine andere ist. Da entsprechend zu reagieren, ist angesichts der konfliktiven Situation, die wir in Afghanistan vorfinden, ausgesprochen schwierig.

    Barenberg: Schwierig, aber doch eine Pflicht, angesichts der Tatsache – Sie haben es selbst angesprochen -, dass die Bewahrung des Friedens ja zum Kern christlicher Religionsgemeinschaften gehört?

    Overbeck: Das ist selbstredend so, dass das nun zum Selbstverständnis des Christen und natürlich auch zum Verkündigungsauftrag von uns katholischen Bischöfen gehört. Entsprechend haben wir uns ja auch immer im Rahmen der Bischofskonferenz dazu verortet. Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz und auch der Bischof von Augsburg, der zuständig ist für das Militär und die Bundeswehr, hat das entsprechend getan.
    Es ist natürlich genauso wichtig, politisch wach zu reagieren, in welchem Zusammenhang wir dann welche Forderung stellen, um das richtige Ziel, nämlich dem Frieden zu dienen, erreichbar zu machen. Das ist, glaube ich, der Konflikt, der auch hier in den von Ihnen angesprochenen Punkten besteht.

    Barenberg: Insofern – so verstehe ich Ihre Andeutung – gibt es auch gleichzeitig nicht nur die Pflicht, sozusagen zum Frieden zu appellieren, sondern es gibt auch die Pflicht, den politischen Gesamtkontext einer Diskussion im Auge zu bewahren. Wie kann man diese Grenze ziehen von Seiten der Katholischen Kirche?

    Overbeck: Von Seiten der Katholischen Kirche ist alles dafür zu tun, um den Frieden zu erhalten und gleichzeitig dabei wach wahrzunehmen, wo wird ein so großer Schaden herbeigeführt, dass man alles das tun muss, um diesen Schaden zu verhindern. Da ist die Situation in Afghanistan eben so kompliziert, dass es einfache Lösungen in diesem Punkt nicht gibt.

    Barenberg: Nun hat es ja den Anschein in den letzten Wochen, in den letzten Monaten, als sei die Debatte um den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ein Stück weit ehrlicher geworden, ehrlicher mit Blick auf die Verhältnisse dort, die immer schwierigeren Verhältnisse dort, und einige haben den Eindruck, dass Bischöfin Käßmann jenseits diplomatischer Floskeln, jenseits diplomatischer Formulierungen etwas sehr Grundsätzliches eben angesprochen hat, diesen Einsatz betreffend. Ist das insofern auch ein nötiger, ein notwendiger Beitrag der christlichen Kirchen gewesen zu dieser Debatte?

    Overbeck: Das war der Beitrag, den die Evangelische Kirche durch die Ratsvorsitzende geleistet hat, den wir Katholiken so nicht getan haben, und es ist sicherlich richtig, dass gerade angesichts der Äußerung des derzeitigen Verteidigungsministers, dass es sich dort um kriegsähnliche Zustände handele, ein neues Wort notwendig war, in eine neue Diskussion einzutreten. Ich halte es für uns als Bischöfe vonseiten der Katholischen Kirche für klug, nicht genau darauf zu antworten, welche Mittel dazu zur Verfügung zu stellen sind, aber das Ziel auf jeden Fall im Blick zu behalten und dabei möglichst jeden Schaden von Menschen abzuwenden und zu wissen, dass man sich erst mal um das Gute mühen muss.

    Barenberg: Das klingt jetzt danach, Herr Bischof, dass Sie dafür plädieren, dass sich die Kirchen allgemein, dass sich aber auch die Katholische Kirche sehr zurückhält bei Kommentaren, bei Einlassungen, bei Diskussionsbeiträgen zu diesem Thema?

    Overbeck: Das ist im Rahmen einer Güterabwägung die klügste Lösung, weil wir vom Selbstverständnis her nicht dafür da sind, politische Handlungsanweisungen zu erteilen, sondern all die Wertemaßstäbe und die dafür notwendigen Kriterien zur Verfügung zu stellen, um eine im Gewissen verortete und der Würde der Menschen und das heißt eben dem Frieden dienende Lösung zu finden.

    Barenberg: Wenn Sie noch mal sagen, wo haben denn Interventionen der Kirchen dann genau ihre Grenzen?

    Overbeck: Meiner Meinung nach haben genau wie bei allen anderen politischen Entscheidungen unsere Interventionen da ihre Grenzen, wo bis auf Extremsituationen es um konkrete Handlungsanweisungen geht. So würde ich das auch für diesen sehr konfliktiven, aber ebenso schwierigen Fall der Handlungen halten, die jetzt in Afghanistan zu dem führen, was eben unsere Debatte ausgelöst hat.

    Barenberg: Der Bischof von Augsburg und der katholische Militärbischof Walter Mixa, er hat vor einiger Zeit schon sich auch skeptisch über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan geäußert. Er hat gesagt, die Situation derzeit vor Ort sei nicht so, dass man noch von einem Stabilisierungseinsatz sprechen könne, und die Verantwortlichen müssten überlegen, ob der Einsatz noch gerechtfertigt sei. Im Grunde ist das ja auf der inhaltlichen Ebene gar nicht sehr weit entfernt von dem, was Bischöfin Käßmann jetzt in ihrer Neujahrspredigt gesagt hat. Warum ist die Kritik an ihr im Vergleich dazu so harsch? Haben Sie dafür eine Erklärung?

    Overbeck: Ich glaube, das liegt an der Formulierung des konkreten Zieles, das sie benannt hat, und auch an der Zuspitzung der Lage, die in den letzten Wochen entstanden ist. Auf der anderen Seite ist die Formulierung des Bischofs von Augsburg genau die Position, die die Katholische Kirche in diesen Punkten immer wieder einnimmt und von der ich gerade schon gesprochen habe.

    Barenberg: Nichts ist gut in Afghanistan, hatte ja Bischöfin Käßmann gesagt. Waffen schaffen offensichtlich keinen Frieden. Und als Drittes, was anstößig diskutiert wurde, Krieg in Afghanistan sei nicht zu rechtfertigen. Wo bei diesen drei Punkten gehen Sie denn mit und wo sagen Sie, das können wir nicht teilen?

    Overbeck: Dass Krieg in Afghanistan nicht zu rechtfertigen sei, ist eine Position, die alle Teilnehmer genauso teilen würden. Allerdings muss sie unter den Umständen, die dort obwalten, entschieden werden und das ist wiederum Aufgabe der Politiker und der Militärs, nicht die der Kirche. Frieden zu schaffen ohne Waffen ist dasjenige, was als Obersatz gelten kann. Auch der muss sich allerdings in der Wirklichkeit bewähren. Sonst wird das zu einer moralischen Maxime, die man nicht verhindern kann.

    Barenberg: Also nichts ist gut in Afghanistan, diesen Punkt würden Sie durchaus teilen?

    Overbeck: Ich würde durchaus kritisch sagen, so weit meine Kenntnisse reichen, dass es nicht pauschal gilt, einfach nur zu sagen, nichts ist gut in Afghanistan.

    Barenberg: Ist der Krieg denn ethisch zu rechtfertigen aus Sicht der Katholischen Kirche?

    Overbeck: Krieg einfach ethisch zu rechtfertigen ist er nicht. Es kann aber Situationen geben, in denen man um die Verteidigung eines hohen Gutes, nämlich des Lebenswillens, zu Mitteln greifen muss, die man unter normalen Bedingungen, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, die zum Frieden führen können, tätigen muss, allerdings nur als Extremausfaltung der Möglichkeiten, die man sonst nicht mehr ausschöpfen kann.

    Barenberg: Und ist das hier der Fall?

    Overbeck: So weit reichen meine politischen Kenntnisse nicht. Erst mal sehr zurückhaltend beantworten.

    Barenberg: Was würden Sie also einem Angehörigen der Bundeswehr sagen, der zu Ihnen kommt und fragt, kann ich diesen Einsatz mit meinen christlichen Grundsätzen in Übereinstimmung bringen, kann ich ihn auch mit meinem christlichen Glauben verantworten?

    Overbeck: Wenn nach den Kriterien der Gewissensentscheidung, die wir als Katholische Kirche dafür kennen, angelegt worden sind und er dazu ja sagen kann, würde ich sagen, er muss das tun, was er für richtig hält.

    Barenberg: Auf der anderen Seite, Bischof Overbeck, ist es ja so, dass sowohl die Katholische als auch die Evangelische Kirche sich in Afghanistan selber, wenn man das so sagen darf, engagiert. Jedenfalls gibt es Seelsorger vor Ort, die sich um die Soldaten kümmern. Gibt es da einen Widerspruch oder ein Spannungsverhältnis zwischen dem, was man hier von Deutschland aus sagt, und dem Engagement der eigenen Mitarbeiter vor Ort?

    Overbeck: So weit ich weiß ist das Engagement der Seelsorger, die wir als Katholische Kirche dort entsenden, eines, das die menschlichen Umstände, unter denen die Soldaten dort leben, stärken muss und stützen soll. Das geschieht in vielfacher Weise und wird sehr dankbar wahrgenommen. Das gehört zum klassischen Seelsorgeauftrag, den wir als Kirche allen Menschen gegenüber zu erfüllen haben.

    Barenberg: Zum Schluss, Herr Bischof. Gibt es, würden Sie sagen, grundsätzliche Unterschiede in der Friedensethik zwischen der Katholischen und der Evangelischen Kirche in Deutschland?

    Overbeck: Ich glaube, es gibt schon in einigen Punkten andere Akzentsetzungen. Das ist in den letzten Jahren deutlich geworden, wobei uns als Kirchen bindet, dass wir zuerst als Obersatz sagen, wir tun alles, um Frieden zu schaffen.

    Barenberg: Und wo liegen die Unterschiede?

    Overbeck: Die Unterschiede liegen, glaube ich, in der Bewertung einzelner Vorgänge und der damit verbundenen politischen Maßgaben und Entscheidungswirklichkeiten.

    Barenberg: Können Sie das etwas konkreter beschreiben?

    Overbeck: Im Blick auf den Afghanistan-Einsatz haben Sie das schon gesehen, dass wir uns da zurückgehalten haben, und im Blick auf die damit zu formulierenden ethischen Handlungsanweisungen sind wir zurückhaltend.

    Barenberg: Aber was diese Zurückhaltung angeht, nehmen Sie sich da nicht auch die Möglichkeit, christliche Überzeugungen, christliche Werte mit in die Diskussion einzubringen, die ja jetzt notwendiger ist denn je?

    Overbeck: Das tun wir ja auf deutliche Weise, indem wir auch die Komplexität der Wirklichkeit, um die es jetzt in diesem konkreten Fall geht, wissen und darauf hinweisen, dass man da mit diesen entsprechenden Güterabwägungen handeln muss. Das scheint mir genauso zur Friedensethik zu gehören wie manchmal, aber nur hin und wieder radikale Schlussfolgerungen, wie sie jetzt gezogen worden sind, die wir aber so nicht mitgemacht haben.

    Barenberg: Radikale Schlussfolgerung, das ist explizit Ihre Wertung der Äußerung der Bischöfin Käßmann von der EKD?

    Overbeck: Ich würde das - Sie haben mich ja im Sinne der evangelischen Friedensethik gefragt – darauf beziehen und mich nicht auf eine solche politische Diskussion mit Frau Käßmann nur an diesem einen Punkt einlassen.

    Barenberg: Aber in Ihren Augen ist die Position der EKD radikal im Vergleich zu Ihrer?

    Overbeck: Ist sie zumindest zugespitzter formuliert. Das Wort "radikal", wissen Sie, hat allzu oft einen Klang, den man in diesem Zusammenhang, den Sie jetzt herstellen, nicht unbedingt unterstützen kann.

    Barenberg: Mir ist nur nicht klar geworden, wie Sie ihn meinen, den Begriff, den Sie ja selbst gewählt haben.

    Overbeck: Ich würde dann sagen, um es deutlicher zu machen, es geht darum, es nicht so zugespitzt zu formulieren, wie es da geschehen ist.

    Barenberg: Der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.

    Links zum Thema:
    Predigt der EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann im Neujahrsgottesdienst in der Frauenkirche Dresden