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Bischofsrücktritt
"Opfer einer Medienkampagne"

Den Limburger Bischof Tebartz-van Elst haben nach Ansicht des katholischen Publizisten Martin Lohmann die Medien zum Rücktritt gezwungen. Die katholische Kirche sei "eingeknickt vor einem Druck von den Medien kommend", sagte Lohmann im Deutschlandfunk.

Martin Lohmann im Gespräch mit Jürgen Liminski | 27.03.2014
    Christiane Kaess: Erst verordnete Papst Franziskus dem umstrittenen Limburger Bischof Tebartz-van Elst eine Auszeit. Gestern nun hat der Vatikan den Amtsverzicht, den der Bischof angeboten hat, auch angenommen. Das ist kein Schuldspruch und auch kein Rausschmiss, vielmehr nimmt Franziskus so den umstrittenen Oberhirten aus der Schusslinie. Später soll er dann eine neue Aufgabe erhalten.
    Der Rücktritt wird allgemein begrüßt, aber Tebartz-van Elst hatte auch bis zuletzt mächtige Fürsprecher im Vatikan. Einer seiner Fürsprecher in Deutschland ist Martin Lohmann, Chefredakteur des katholischen Privatsenders K-TV. Mit ihm hat mein Kollege Jürgen Liminski gesprochen und ihn zuerst gefragt, ob die jüngsten Entwicklungen eine logische Folge der im Bericht aufgelisteten Verfehlungen ist, oder ob Tebartz-van Elst nur das Opfer einer Kampagne geworden ist.
    "Er hatte keine Chance, als Mensch wahrgenommen zu werden"
    Martin Lohmann: Ich glaube, da gilt ein sowohl als auch. Das kann man nur beides miteinander verbinden. Er hat etliche Verfehlungen, das haben wir ja auch alles gehört, zu verantworten. Er war auch in einer tragischen Weise beratungsresistent, in vielfacher Weise, in vielen Situationen. Aber ich glaube schon, dass auch eine Kampagne hier losgetreten worden ist, und da stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Medien.
    Schauen Sie mal, es ist in den letzten Wochen und Monaten immer vom Protzbischof gesprochen worden. Er hatte gar keine Chance mehr, als Mensch wahrgenommen zu werden. Und das viel zitierte Wort von der Barmherzigkeit und Klima der Barmherzigkeit und der Versöhnung, was ja immer wieder von den Gegnern auch gesagt worden ist, wurde gerade von den Gegnern von Tebartz-van Elst verunmöglicht. Ich glaube, dass die Bischöfe, auch die in Rom gesagt haben, Kardinal Müller zum Beispiel, es gibt hier eine regelrechte Menschenhatz auf Tebartz-van Elst, dass man das auch wohl sehr bedenken muss.
    Ich glaube, dass hier eine richtige Kampagne gegen den ehemaligen Bischof von Limburg losgetreten worden ist, und da ist ein Klima geschaffen worden, das höchst vergiftet war, und das stellt einige Anfragen auch an uns als Medienleute und an diejenigen, die sich daran beteiligt haben, auch an das Domkapitel in Limburg, das ja nach wie vor im Amt ist.
    Jürgen Liminski: Aber haben die Medien hier nicht nur ihre Pflicht getan?
    "Medien müssen auch fair bleiben"
    Lohmann: Die Medien müssen aufklären, aber sie müssen auch fair bleiben und sie müssen dafür sorgen, dass auch ein Mensch Mensch bleiben kann. Ich habe heute erfahren, dass es dem Bischof Tebartz-van Elst heute sehr, sehr schlecht geht. Das kann ich nur verstehen. Wer jetzt an dieser Stelle zum Beispiel feixend am Hörer sitzt und sagt, oh, das ist aber gut, dass es ihm schlecht geht, den würde ich mal fragen, ob die Koordinaten noch stimmen.
    Auch Tebartz-van Elst ist ein Mensch, ein Mensch, der Fehler gemacht hat. Aber wo bitte ist die Gabe der Vergebung? Wo ist auch die Gabe der Fairness? Und die Medien dürfen nicht Ankläger, Richter und Staatsanwalt in einer Person sein. Ich glaube, dass wir bei Licht besehen am Ende des Tages auch uns der Frage stellen müssen, wie ist es um die Ethik, die Gradlinigkeit, die Echtheit und die Maßstabsgerechtigkeit der Medien in Deutschland bestimmt. An diesem Beispiel können wir nachweisen, dass es da einiges zu korrigieren gibt.
    Liminski: Vielleicht eignet sich dieses Beispiel gerade nicht, weil er ja Verfehlungen hatte, und in der Politik wäre es vielleicht sogar früher zum Rücktritt gekommen. Da ist ja Barmherzigkeit Mangelware. Gelten für die Kirche nicht andere Maßstäbe, oder ist sie hier schlicht vor dem gesellschaftlichen Druck eingeknickt?
    Lohmann: Sie ist sicherlich eingeknickt vor einem Druck, von den Medien kommend. Das glaube ich schon. Aber ich glaube, dass es vielleicht ja auch barmherzig sein könnte, ihn nicht wieder zurückzuschicken in diesen Hexenkessel. Denn das war ja nun eindeutig überall wahrzunehmen, dass man in Limburg immer wieder gesagt hat, bis auf wenige, die dann aber nicht zitiert worden sind, den wollen wir hier in Limburg nicht mehr sehen. Es kann sein, dass das eine Folge der Barmherzigkeit ist, aber vielleicht wäre es noch barmherziger gewesen, wenn man ihm heute gleichzeitig gesagt hätte, was seine neue Aufgabe ist.
    Martin Lohmann, Theologe und Chefredakteur des katholischen Fernsehsenders K-TV, ist drei Tage vor der Bundestagswahl aus der CDU ausgetreten.
    Martin Lohmann, Theologe und Chefredakteur des katholischen Fernsehsenders K-TV, ist drei Tage vor der Bundestagswahl aus der CDU ausgetreten. (dpa picture alliance / Horst Galuschka)
    "Kirche ist vor Mediendruck eingeknickt"
    Tebartz-van Elst ist einer der intelligenten Leute in der katholischen Kirche. Er ist ein groß gefeierter Professor gewesen. Und die Frage stellt sich schon, was macht man jetzt mit ihm, wo wird er seine Aufgabe finden. In der Politik wäre es schneller zum Rücktritt gekommen, das glaube ich auch. Er selber hat ja wohl diesen Rücktritt bereits im Oktober, wie heute rausgekommen ist, angeboten dem Heiligen Vater, und der Papst hat heute von diesem Angebot Gebrauch gemacht.
    Liminski: Aber er war sicher nicht intelligent genug, früh genug sozusagen die Verfehlungen zu erkennen oder sie überhaupt nicht zu begehen, und diese Einzelheiten des Berichts werfen ja auch einen langen Schatten auf das Bischofshaus als Luxusobjekt. Wer garantiert, dass das nur in Limburg der Fall ist?
    Lohmann: Das kann niemand garantieren. Aber ich möchte zunächst einmal sagen: Ist das denn wirklich nur ein Luxusobjekt? Alle, die sich auskennen mit Gebäuden, mit Renovierungen, mit Bebauung auf historischem Grund, wo ganz viele Vorschriften berücksichtigt werden müssen, sagen mir immer wieder und auch anderen, dass ist ein hervorragendes Bau-Ensemble, was da geschaffen worden ist, aus sieben Gebäuden bestehend, und dafür seien die Kosten sogar gerechtfertigt. Das kann ich nicht beurteilen, weil mehr als 31 Millionen sind wahnsinnig viel Geld.
    "Deutsche Bischöfe wohnen nicht auf Apfelsinenkisten"
    Aber Tatsache ist, dass die Bischöfe in Deutschland in der Regel eigentlich nicht auf Apfelsinenkisten wohnen, sondern dass sie eigentlich sehr gut wohnen. Ist das nun Luxus oder nicht Luxus? Das ist die Frage, die man sich stellen wird. Ich glaube, dass dieser Vorfall in Limburg dazu beitragen wird, dass die Menschen künftig ganz gezielt nachfragen, Bischof, was verdienst du. Wir wissen ja, dass die Bischöfe aufgrund der Vereinbarungen mit dem Staat aus Steuermitteln finanziert werden, und sie werden gut honoriert, sie bekommen ein gutes Gehalt im Ministerrang oder Ministerpräsidentenrang.
    Es geht ihnen schon gut, den Bischöfen in Deutschland. Das ist seit vielen Jahren so und ich weiß nicht, ob man jetzt von Luxus oder nicht Luxus sprechen kann. Die Bischöfe sollen auch ordentlich wohnen. Aber die Fragen werden kommen von den Gläubigen: Warum wird hier ein Kindergarten geschlossen und der Bischof wohnt so oder so. Ich glaube, dass dieser Vorfall in Limburg einiges an Folgewirkungen haben wird, auch für die Kirche in Deutschland und auch für die Transparenz, was die Bischöfe selbst angeht.
    Kaess: Der katholische Publizist Martin Lohmann – die Fragen stellte mein Kollege Jürgen Liminski.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.