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Bjarne Riis
Radsport-Comeback des Dopingsünders

Bjarne Riis ist zurück im Radsport. Gemeinsam mit zwei dänischen Geschäftspartnern erwarb der frühere Tour de France-Sieger einen Drittel der Anteile am WorldTour-Team NTT Cycling. Riis hatte als Sportler gedopt und auch als Teamchef Doping zugelassen und unterstützt.

Von Tom Mustroph | 19.01.2020
Bjarne Riis, neuer Teilhaber des Radsport-Teams NTT
Bjarne Riis, neuer Teilhaber des Radsport-Teams NTT (Ritzau/Scanpix Liselotte Sabroe imago)
Bjarne Riis war vor allem stolz als er vor anderthalb Wochen in Kopenhagen offiziell sein Comeback in den großen Radsport verkündete. Am Rande der Pressekonferenz sagte er in einem Videostament seines Unternehmens Virtu Cycling zum neuen Engagement beim Rennstall NTT Cycling:
"Wir haben uns in das Radsportteam eingekauft und sind nun Teil der WorldTour."
Es war ein langer Weg. Einst prägte der Däne den Radsport. Er gewann als Aktiver die Tour de France. Gedopt, wie sich später herausstellte. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere baute er einen eigenen Rennstall auf. Der sorgte unter den Namen CSC, Saxo Bank und Tinkoff für Gesamtsiege bei allen drei großen Rundfahrten - und weitere Dopingfälle. Vor fünf Jahren zog sich Bjarne Riis aus dem Radsport zurück. Grund: gesundheitliche Probleme und auch Streit mit Hauptsponsor Oleg Tinkov, einem russischen Unternehmer.
Riis schien außerdem als Vertreter des alten, von Epo-Doping geprägten Radsports nicht mehr in die neue, Doping-sensiblere Zeit zu passen. Der Ausstieg dauerte nicht lange.
"Einige waren begeistert, Andere haben es für ambitioniert gehalten"
"Vor vier Jahren saßen Lars und ich schon in dem gleichen Raum und haben über unsere Pläne, Wünsche und Visionen informiert. Einige waren begeistert darüber, andere haben es für ziemlich ambitioniert gehalten", erinnerte sich Riis am Rande der Pressekonferenz am 8. Januar.
Lars ist Lars Seier Christensen, Gründer der Saxo Bank, über viele Jahre Hauptsponsor von Riis’ Rennställen. Gemeinsam haben sie damals Virtu Cycling gegründet. Dieser Rennstall blieb allerdings unterklassig und war weitgehend erfolglos.
Mit der Unternehmensplattform Virtu hatte sich Riis parallel um den Einstieg bei anderen Teams bemüht, unter anderem schon 2015 bei MTN Qhubeka, dem Vorläufer des Teams NTT. Damals jedoch war dort Riis‘ Dopingvergangenheit nicht vereinbar mit den Wertvorstellungen des Sponsors, eines afrikanischen Telekommunikationsunternehmens. An die Philosophie in den Anfangsjahren erinnerte auf der Pressekonferenz vom 8. Januar in Kopenhagen noch einmal Doug Ryder, Teamchef von MTN-Qhubeka und auch jetzt von NTT:
"Wie Sie wissen, wurde unser Team aus einem Traum heraus aufgebaut – dem Traum, ein afrikanisches Team zur Tour de France zu bringen. Wir haben das 2015 geschafft, und dabei auch einen Etappensieg an Nelson Mandelas Geburtstag errungen."
Riis soll für neue Erfolge sorgen
Hinter dem Rennstall steckte zudem die Qhubeka-Stiftung. Sie versorgt afrikanische Schulkinder mit Fahrrädern, um ihnen Schulbesuch und Mobilität zu ermöglichen.
Der Rennstall war eine moralische Instanz im Radsportgeschäft. Er war eine Zeitlang auch sportlich erfolgreich, vor allem dank der Sprintsiege von Mark Cavendish. Dessen langwierige Erkrankung konnte das Team aber nicht kompensieren. Im letzten Jahr war Dimension Data – so hieß MTN Qhubeka nach einem ersten Sponsorenwechsel - nur Schlusslicht der WorldTour.
Nach dem erneuten Sponsorenwechsel heißt der Rennstall nun NTT. Riis’ Firma Virtu kaufte ein Drittel der Anteile auf. Als neuer Teammanager soll der Taktikfuchs und Motivationskünstler Bjarne Riis jetzt für Erfolge sorgen. Unter dem neuen Sponsor, dem japanischen Medienunternehmen NTT, gelten offenbar nicht mehr die alten Werte aus den Anfangstagen des Rennstalls. Teamgründer Doug Ryder auf der Pressekonferenz über den Einstieg von Riis:
"Bjarne kommt mit jeder Menge Erfahrung. Radsport ist ein technischer Sport, man bekommt viel Information über technische Parameter, aber menschliche Interaktion ist auch wichtig. Man lernt mehr aus seinen Fehlern als aus seinen Siegen."
"Können eines der weltbesten Teams aufbauen."
Ob Riis in den letzten Jahren etwas gelernt hat oder nicht, wird sich zeigen. Bei seinem bisherigen Team Virtu gab es in den letzten Jahren keine Dopingfälle. Jetzt jedenfalls setzt er sich große Ziele, wie er in seinem Videostatement erklärt:
"Wir können eines der weltbesten Teams aufbauen, wir müssen das. Die Ambitionen sind groß, die Vision ist klar, jetzt müssen wir loslegen"
Natürlich machen sich angesichts von Riis’Dopingvergangenheit Zweifel breit, auf welcher Grundlage dieses neue Weltklasseteam entstehen soll. Teamgründer Doug Ryder reagierte bei der Pressekonferenz nur ausweichend:
"Wie ich schon sagte, man lernt aus seinen Fehlern. Als Team nehmen wir eine sehr entschiedene Position in dieser Sache ein. Wir hatten keinen einzigen Dopingfall, sind Mitglied der MPCC.
Das ist die Vereinigung der Teams für einen glaubwürdigen Radsport. Sie unterwerfen sich bei der Medikamentennutzung freiwillig strengeren Regeln als es das Reglement vorsieht.
Riis mit neuer Rolle beim Tourstart in Dänemark
Gerade deshalb wirkt die Verbindung von Riis und dem Rennstall so erstaunlich. Teamchef Ryder traut Riis aber offenbar zu, dass der die richtigen Lehren aus seinen Fehlern gezogen hat. Ein mulmiges Gefühl scheint aber selbst der Weltradsportverband UCI zu haben. Ein UCI-Sprecher sandte aus eigenem Antrieb einem auf der Pressekonferenz anwesenden dänischen Journalisten dieses Statement:
"Die UCI wurde offiziell informiert über die Veränderungen in der Finanzierung und des Managments von NTT Pro Cycling Team. Wie alle WorldTour-Teams wird dieses Team gemäß den UCI-Regularien am Ende der Saison überprüft, auf der Basis der Kriterien Administration, Ethik, Finanzen und Organisation."
Zum Riis-Comeback wollte sich beim Tour de France-Ausrichter ASO niemand äußern. In Frankreich war Riis vor allem deshalb in Ungnade gefallen, weil er im Zuge seines Dopinggeständnisses salopp gesagt hatte, sein gelbes Trikot läge in der Garage, und wer wolle, könne es sich abholen. Das war ein Affront in den Augen der Tourchefs, wohl größer noch als das Doping selbst. Für den Grand Depart der Tour de France 2021 in Riis’ Heimat Dänemark war für den einstigen Tourhelden keine Rolle als Werbeträger geplant.
Mit dem Einstieg bei NTT wird er aber eine Rolle spielen: Als Manager eines Teams mit Startgarantie bei der Tour.