Freitag, 29. März 2024

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Björk-Ausstellung im MoMa
Futuristisches Nymphen-Spektakel

Die Schlangen vor dem Museum of Modern Art sind zur Zeit wieder lang. Der Grund ist ein 49 Jahre altes Phänomen aus Island: die Sängerin Björk. Das Museum zeigt eine Werkschau über die Pop-Prinzessin - inklusive viel Hype. Eine kritische Betrachtung über Musik im Museum und das Buhlen um junges Publikum.

Von Sacha Verna | 10.03.2015
    Ein Besucher geht durch die Björk-Ausstellung im Museum of Modern Art in New York
    Das Museum of Modern Art in New York zeigt eine Ausstellung über die Sängerin Björk (picture alliance / dpa / Justin Lane )
    Gehört Popmusik ins Kunstmuseum? Ja, sagt Klaus Biesenbach. Jedenfalls gehört seiner Ansicht nach Björk ins Museum of Modern Art. Der Kurator und Initiator der Retrospektive auf die isländische Pop-Sirene hat eine Menge Argumente bereit, um das aufwendige Unternehmen im New Yorker Tempel der Moderne zu rechtfertigen. Björk sei eine bahnbrechende Künstlerin. Sie schaffe seit über zwanzig Jahren innovative Formen für ständig neue Inhalte. Klaus Biesenbach bräuchte sich gar nicht so anzustrengen. Denn das Björk-Spektakel ist ein garantierter Erfolg - trotz der Kritiken, die bisher durch die Bank negativ ausfielen. Die Leute stehen jetzt schon Schlange, und daran wird heute gemessen, wer einen Platz neben Picasso und Jackson Pollock verdient.
    Die Propheten des Kulturbetriebs hausieren seit Langem mit dem Museumsmodell der Zukunft, in dem sich die Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen auflösen und Masse und Klasse miteinander verschmelzen. "Björk" ist ein Schritt in diese Richtung, für den die Organisatoren keinen Aufwand gescheut haben. Mit Sensoren ausgestattete Geräte lotsen Besucher durch ein Labyrinth aus dunklen Kabuffen zu Björks Lebens- und Karrierestationen, während dazu der jeweilige Soundtrack von Björks Solo-Alben im Kopfhörer erklingt.
    High-Tech-Parcours durch Björks Requisitenkammer
    "Black Lake" ist eine Installation, die das Museum bei der 49-Jährigen in Auftrag gegeben hat: Björk beim melodiösen Herzschmerz-Verarbeiten in einer Wüste aus Lava, auf zwei Leinwänden und durch 6000 speziell konstruierte und positionierte Lautsprecher. Ein weiterer Teil der Ausstellung präsentiert sämtliche Björk-Musikvideos, Wunder der digitalen Animation, die Björks futuristische Ästhetik zur Geltung bringen.
    Allerdings fühlt man sich beim Gang durch diese Schau wie bei einem High-Tech-Parcours durch Björks Requisitenkammer. Hier eine 3-D-gescannte Kopie der Diva in einem ihrer legendären Kostüme, dort ein computergesteuertes Zupfinstrument, aber kein Bezugspunkt außerhalb des Björk-Universums, nirgends.
    Das Museum of Modern Art plant einen Anbau, in dem Performance und die neuen Medien die Hauptrolle spielen sollen. Mit solchen und ähnlichen inklusiven und interaktiven Projekten versuchen sich traditionelle Institutionen einer veränderten Gesellschaft anzudienen, in der die Nivellierung triumphiert und "immer mehr" "immer besser" bedeutet. Egalitär statt elitär lautet das Motto, Kult statt Kunst.
    Ausstellung lockt junges Publikum an
    Björk passt hervorragend in dieses Konzept. Die Nymphe aus dem Norden war stets von einer Aura umgeben, die sie für die Intelligentsia gleichermaßen attraktiv machte wie fürs Fußvolk: skurril genug, um Anspruch zu suggerieren, und doch wie Softeis, das vielen schmeckt. Außerdem sind Björks melodramatische Selbstinszenierungen wie geschaffen für die Selfie-Generation. Björk ist Facebook-kompatibel und Twitter-versiert und auf Seelenwellenlänge mit der Jugend, die anzulocken sich Museen bis zum Purzelbaumschlagen bemühen.
    Björk gewinnt mit einer Hagiografie im Museum of Modern Art Prestige und die Unterhaltungsindustrie ein bisschen Salonfähigkeit. Das Museum profitiert von Publikum und demnächst vermutlich von Lady Gaga.