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Blick ins Innere der Materie

Physik.- Am Helmholtz-Zentrum in Berlin ist man dem atomaren Aufbau von Metallen und anderen Festköpern auf der Spur. Dafür setzen die Forscher Neutronen frei, die wie eine Sonde ins Innere der Materie eindringen. Um diese Neutronen zu erhalten, wird ähnlich wie in einem Atomkraftwerk Uran 235 gespalten.

Von Thomas Gith | 22.08.2011
    Um zum Forschungsreaktor des Berliner Helmholtz-Zentrums zu gelangen, fährt man durch eine idyllische Wohngegend mit vielen alten Villen. Hier, im Südwesten von Berlin, zwischen Havel und Großem Wannsee gelegen, wurde bereits 1973 erstmals reines Uran 235 gespalten, um so Neutronen freizusetzen, erzählt die Ingenieurin Karin Haas.

    "Also der Forschungsreaktor wurde zwischen 1985 und 1991 komplett umgebaut. Und bei diesem großen Umbau kam unter anderem die kalte Neutronenquelle, wurde die eingebaut, das wurde der Beryllium-Reflektor eingebaut und 1991 haben wir die komplett neue Betriebsgenehmigung erhalten."

    Die Vorläufer des Reaktors reichen bis in die 50er-Jahre zurück. Nachdem die Amerikaner eine Betriebsgenehmigung für den Bau der Neutronenquelle in West-Berlin erteilt hatten, wurde sie 1958 in Betrieb genommen. 1972 wurde der Reaktor stillgelegt, die Bauarbeiten für den Nachfolger waren da bereits in vollem Gange. In dem damals errichteten, Fabrikhallen ähnlichen Gebäude wird also seit mittlerweile fast 40 Jahren mit Neutronen geforscht, sagt Physiker Klaus Kiefer.

    "Also die Neutronen sind wunderbare Sonden, um die Struktur von Materie, also zum Beispiel auch die magnetische Struktur von Materie, anzuschauen. Und Neutronen sind deswegen besonders gut geeignet, weil sie auch tief in Materie eindringen können."

    Die Wissenschaftler betreiben hier vor allem Grundlagenforschung. Um die freien Neutronen zu erhalten, muss daher - wie auch in einem Atomkraftwerk -Uran 235 gespalten werden. Anders als in einem AKW wird dabei aber nur wenig Wärme erzeugt.

    "Ja, der Reaktor ist natürlich ziemlich klein, wir haben eine Leistung von zehn Megawatt thermisch, das ist ein Faktor 300 bis 400 Mal kleiner als ein Kernkraftwerk hat."

    Während in Atomkraftwerken oft rund 1,5 Tonnen Uran jährlich verbraucht werden, sind es im Forschungsreaktor etwa 2,5 Kilogramm. Verteilt ist das Uran auf knapp 30 Brennstäbe, die in einem elf Meter tiefen Wasserbecken hängen. Das Wasser kühlt die Brennstäbe, schirmt radioaktive Strahlung ab und es reduziert die Geschwindigkeit der Neutronen, die auch für die Kernspaltung benötigt werden. Klaus Kiefer.

    "Wasser ist ein sehr guter Moderator, weil es leichte Elemente enthält, und damit kann das Neutron gut Energie abgeben an Wassermoleküle. Und dadurch wird es abgebremst."

    Pro Kernspaltung wird so auch immer ein Neutron verlangsamt und eingefangen, um die Kettenreaktion aufrechtzuerhalten. Den Betreibern zufolge kann es eine unkontrollierte Spaltung des Urans im Forschungsreaktor aus physikalischen Gründen übrigens nicht geben.

    "Also der Reaktor ist deshalb inhärent sicher, weil das leichte Wasser, das zur Kühlung dient, gleichzeitig der Moderator ist. Ohne Moderator kann ich die Kettenreaktion nicht aufrecht erhalten. Wenn das Wasser verdampft, verliere ich auch den Moderator und der Reaktor geht von selber aus."

    Durch die kontrollierte Kernspaltung erwärmt sich das Wasser im Reaktor zwar auch – es verdampft jedoch nicht. Drei hintereinander geschaltete Wasserkreisläufe sorgen dafür, dass die Wärme abgeführt wird. Seit Oktober 2010 allerdings ruht der Reaktor – wegen Umbauarbeiten. In dieser Zeit wurde bekannt, dass in einer Trennwand ein Riss besteht. Diese Wand wird bei Reparaturarbeiten in das Reaktorbecken eingelassen, um den Wasserstand zu regulieren – all das geschieht nur, wenn der Reaktor abgeschaltet ist. Laut TÜV ist der Riss ungefährlich, sagt Karin Haas.

    "Also die Stelle, um den Riss zu sanieren, zu beheben, das ist natürlich eine sehr aufwendige und komplizierte Arbeit, wir sind schon seit vielen Monaten mit Firmen in Kontakt, um das beste Konzept zu erarbeiten, aber da eben keine Sicherheitstechnische Bedeutung besteht, können wir in Ruhe nach der besten Lösung suchen."

    Außerdem soll es jetzt eine zusätzliche Sicherheitsprüfung für den gesamten Reaktor geben.

    "Die bezieht sich auf Störfälle, die bisher noch nicht betrachtet wurden. Das natürlich alles im Hinblick auf Fukushima. Und das man eben auch Randbedingungen von außen, Naturkatastrophen oder was auch immer, jetzt genauer beleuchtet."

    Dabei werden wohl auch die neuen Berliner Flugrouten berücksichtigt, die möglicherweise über Berlin Wannsee führen. Ursprünglich sollte der Reaktor diesen Herbst wieder in Betrieb gehen – und damit nach dem Ende der Umbauphase. Derzeit ist allerdings noch offen, ob bis dahin auch die Sicherheitsprüfung abgeschlossen sein wird.