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Blick unter die Arktis

Umwelt. - Die Eiskappe der Arktis wird stetig kleiner, dies belegen unstreitig zahllose Messdaten. Schwieriger ist indes die Frage, wie es um die Dicke des Eises bestellt ist. Um die Lücken im Datenmaterial zu schließen, wollen Forscher jetzt ein kontinuierliches Profil der Eisdicken von Spitzbergen bis nach Alaska erstellen.

Von Susanne von Schenck | 12.02.2008
    "Ja, wir stehen hier auf der Erdachse und die ganze Welt dreht sich nur um uns."

    Christian Haas, Geophysiker am Alfred Wegener Institut für Polarforschung, steht genau am geographischen Nordpol. Ein magischer Ort, Ziel von Wissenschaftlern, von Abenteurern und immer mehr auch von Touristen. Eiswüste, soweit das Auge schauen kann, klar, weiß, fast ein anderer Planet. Unter dem etwa zwei Meter dicken Eis liegt der 3000 bis 4000 Meter tiefe arktische Ozean.

    "Warum wir hier sind? Weil dieses Eis schmilzt, seit dreißig Jahren. Die Eisschmelze nimmt zu. Unsere Expedition "Total Pole Airship" hat sich zum Ziel gesetzt, diese Eisdicke über dem Ozean zu messen."

    Jean Louis Etienne arbeitet mit dem vierzigjährigen Christian Haas zusammen. Der drahtige kleine Etienne ist so etwas wie der Arved Fuchs der Franzosen – ein Abenteurer. Und ein Logistiker für Forschungsexpeditionen. Beide sind in der Polarregion, um den "EM Bird" zu testen, ein Gerät, das die Eisdicke messen soll. Über die ist bisher nicht viel bekannt. Christian Haas hat das Gerät entwickelt. 3,50 Meter lang ist es und sieht aus wie eine schlanke Rakete. Nun soll es auf einem Hubschrauberflug vom Pol zurück ins circa 100 Kilometer entfernte Basiscamp Barneo geeicht werden. In zwanzig Metern Entfernung von der Eisfläche hängt das Gerät an einem Seil unter dem Hubschrauber. Mit einem Laser-Entfernungsmesser soll es kontinuierlich seine Distanz zur Eisoberfläche messen. Und über ein elektromagnetisches Feld, das an der Grenze zwischen Eisunterkante und Meerwasser als Signal vom Bird registriert wird, kann die Messsonde die Entfernung zur Eisunterkante, also dem Übergang zum Wasser, ermitteln. Die Differenz zwischen der Eisober- und –unterkante ergibt die Eisdicke. In den vergangenen Wochen hat Christian Haas bereits mehrere Versuchsflüge in der Arktis durchgeführt.

    "Wir haben einen 400 Kilometer langen Flug gemacht in Richtung der kanadischen Küste und dabei haben wir eine Eisdicke von 2,30 Metern gemessen. Das Überraschende war, dass diese Eisdicke sehr gleichförmig die gesamte Strecke entlang aufgetreten ist. Und wenn wir die Schneedicke abziehen von diesen 2,30 m, dann ergibt sich eigentlich, dass das Eis im Vergleich zu 2001 dünner geworden ist."

    Bisher wurde die Eisdicke nur punktuell und sporadisch vermessen: während des Kalten Krieges von U-Booten, seit den neunziger Jahren mehrfach mit der "Polarstern", dem Forschungseisbrecher des Alfred Wegener Instituts, auch mit Helikoptern oder Flugzeugen. Im nächsten Jahr soll erstmals flächendeckend gemessen werden – mit dem EM Bird.

    Im Camp Barneo hat inzwischen Ghislain Bardou seinen Taucheranzug angezogen. Der 27jährige Student der Ingenieurswissenschaften wird gleich mit zwei anderen Tauchern in ein kleines Eisloch hinabsteigen und unter Wasser einen ferngesteuerten Roboter beobachten.

    "Die Aufgabe des Tauchers ist es, vor dem Roboter zu tauchen, um zu sehen, ob der Arbeitsbereich der richtige ist, um zu verhindern, dass der für nichts und wieder nichts eingesetzt wird, dass er vereist. Es ist also sinnvoll, einen Taucher vorzuschicken."

    Der Roboter soll eine 200 mal 60 Meter große Eisfläche von unten räumlich vermessen und exakte Daten zu deren Eisdicke liefern. Zugleich wird diese Eisfläche auch von oben vermessen. Die Ergebnisse werden dann mit den Messungen des EM-Bird verglichen. Alle diese Maßnahmen dienen dazu, den EM Bird zuverlässig zu eichen. Der wird im nächsten Jahr dann unter ein Luftschiff gehängt. Mit dem eigens dafür gebauten "Total Pole Airship" werden Christian Haas und Jean Louis Etienne drei bis vier Monate über die Polarregion fliegen. Diese großflächige, systematische Vermessung könnte die Zusammenhänge von Arktis und Klima bewerten.

    Webseite von Jean Louis Etienne zu Total Pole Airship