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Blicke ins Dunkel

Deutschland und Afrika, eine vergleichsweise junge Geschichte. Erst kamen die Missionare und die Händler, dann die Schutztruppen. Und spätestens mit ihnen der herablassende Blick auf die Ureinwohner Afrikas. Bis heute ist uns der schwarze Kontinent suspekt geblieben.

Von Oliver Ramme | 16.10.2004
    Vor über 100 Jahren wähnte sich das kaiserliche Deutschland auf der Seite der Guten. "Nun wollen wir mit Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen, ... die edelsten und gottähnlichsten Kinder erziehen", träumte bereits ein junger Richard Wagner. Wo genau auf der Welt dieser Traum in Erfüllung gehen sollte, blieb noch unklar. Ende des 19. Jahrhunderts waren es dann Männer wie der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz oder der Kolonialpropagandist Carl Peters, die dem zögerlichen Reichskanzler Bismarck Kolonien in Afrika schmackhaft machten. Von nun an machte Deutschland das, was die anderen Kolonialmächte auch taten: Sie regierten ihre afrikanischen Ländereien mit harter Hand und beuteten sie aus.
    Den Menschen in Berlin und anderswo blieb der Kontinent suspekt. Afrika war bestenfalls ein Schauplatz von Abenteuerromanen wie "Peter Moors Fahrt nach Südwest". Auch hinterließen die Afrikaner einen Furcht einflößenden Eindruck. In so genannten Kolonialausstellungen wurden sie in Zoos gezeigt - neben Elefanten- und Löwengehegen. Die deutsche Kolonialzeit, die nur 30 Jahre währte, war kein Ruhmesblatt. Im Gegenteil: Immer wieder kam es zu Gewalt zwischen Siedlern und Eingeborenen. Trauriger Tiefpunkt war die blutige Niederschlagung des Herero-Aufstands vor 100 Jahren im heutigen Namibia. Das stolze Hirtenvolk wurde dabei fast ausgerottet.
    Ein weiteres Problem in den Augen der kaiserlichen Gefolgschaft: Die Vermischung mit den Einheimischen. Ein Umstand, der später noch die Nazis beschäftigen würde. Viele tausend Afrikaner lebten in Deutschland. Der Rassenwahn des 3. Reichs ließ ihnen kaum Überlebenschancen. Eine der wenigen Möglichkeiten sich beruflich zu betätigen, waren Statistenrollen in den UFA Filmproduktionen.
    Nach dem Wegfall der vier deutschen Afrikakolonien zum Ende des 1. Weltkriegs, blieb es bei den gleichen Denkmustern. Kolonialrevisionisten in der Weimarer Republik und später die Propaganda des Dritten Reichs ließen die Kolonialromantik wieder aufleben und zelebrierten Grundsätze wie "Volk ohne Raum" oder "Deutsches Land in fremder Hand".
    Nicht alle deutschen Spuren in Afrika sind verwischt. Noch heute dampft das Passagierschiff "Graf Goetzen" (jetzt unter dem Namen "Liemba") über den tansanischen Tanganjikasee. Im namibischen Swakopmund gibt es die Bismarck-, in Lüderitz die Bahnhofsstraße. In Togo schiebt sich eine deutsche Eisenbahn durch den Dschungel.
    Stehen diese Relikte aus einer vergangenen Zeit für gute Beziehungen? Die Nationalparks in Afrika und ihre Löwen gefallen uns, ebenso die weißen Sandstrände unter Palmen und die Holzschnitzereien. Wirtschaftlich reizvoll sind, wie schon in den letzten Jahrhunderten, die immensen Bodenschätze.
    Was unseren heutigen Blick auf Afrika aber wirklich prägt, sind zwei Dinge: Klischees wie das vom faulen Schwarzen oder die unendliche Trägheit unter heißer Sonne. Und, es sind die Sorgen, die wir mit diesem Kontinent verbinden: Kriege, Armut, AIDS.
    Die Lange Nacht begibt sich auf die Suche nach einem etwa 200 Jahre alten Verhältnis. Entstanden sind dabei wenige Freundschaften. Viele dunkle Flecken prägen die Vergangenheit. Nach den Glanzlichtern deutschen Schaffens in Afrika muss sehr genau gesucht werden.
    Studiogäste:
    Martin Baer
    In diesem Jahr jährt sich die blutige Niederschlagung des Herero-Aufstandes zum einhundertsten Mal. Einer der wenigen Deutschen, der sich mit jenen schrecklichen Ereignissen des Kolonialkriegs kritisch auseinandersetzt, ist der Filmemacher Martin Baer. Sein Film "Weiße Geister" ist eine erstaunlich subjektive Betrachtung des Kolonialkriegs. weiterlesen: Völkermord in Südwestafrika -
    Frank Willmann im Gespräch mit Martin Baer, veröffentlicht unter: "Weisse Geister - Der Kolonialkrieg gegen die Herero"
    Homepage des Dokumentarfilmers Martin Baer

    Prof. Andreas Eckert
    Historiker an der Universität Hamburg, Seminar für Afrikawissenschaften
    Einfach mitten durchgeschnitten - ohne Rücksicht auf historische Begebenheiten - Die oft willkürliche Grenzziehung aus den Zeiten des Imperialismus gilt als Ursache vieler Konflikte in Afrika - das ist jedoch nur bedingt richtig - von Martin Eckert:
    Wochenzeitung Das Parlament: Einfach mitten durchgeschnitten
    Uwe Timm
    wurde 1940 in Hamburg geboren. Er machte zunächst eine Kürschnerlehre, später studierte er Philosophie und Germanistik in München und Paris. 1971 promovierte er über Camus. Er war Mitherausgeber der AutorenEdition. Von 1981 bis 1983 lebte er in Rom, es folgten längere Aufenthalte in Lateinamerika, Afrika und in New York. Heute lebt Uwe Timm mit seiner Familie in Herrsching am Ammersee. Für sein schriftstellerisches Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet. Weiterlesen: dtv-Autorenporträt: Uwe Timm
    Uwe Timm
    Morenga
    Roman
    . 2000. -DTV-
    Deutsch-Südwestafrika, 1904. Beginn eines erbarmungslosen Kolonialkrieges, den das Deutsche Kaiserreich gegen aufständische Hereros und Hottentotten führt. An der Spitze der für ihre Freiheit kämpfenden Schwarzen steht Jakob Morenga, ein früherer Minenarbeiter. Was damals in dem heute unabhängigen Namibia geschah, hat Uwe Timm in einer geschickten Montage von historischen Dokumenten und fiktiven Aufzeichnungen zu einem grandiosen historischen Roman verdichtet.
    Deutsche Kolonien
    Hrsg. v. Uwe Timm.
    m. zahlr. histor. Fototaf. sowie 7 Ktn.
    2001. -GLB PARKLAND-

    Weitere Links und Literaturtipps:
    Allgemeine Zeitung, einzige deutschsprachige Tageszeitung Afrikas

    Deutsche Schutzgebiete - Die Kolonien des Deutschen Reiches in zeitgenössischen Postkarten und Texten

    Homepage des Traditionsverbandes ehemaliger Schutz- und Überseetruppen, Freunde der früheren deutschen Schutzgebiete - er bekennt sich zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Er ist parteipolitisch neutral.
    Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen - Freunde der früheren deutschen Schutzgebiete e.V.

    Es gibt in der Bundesrepublik schätzungsweise 800 - 1000 Initiativen und Institutionen, die Beziehungen nach Tanzania haben: Städte, Schulen, Kirchengemeinden, Firmen, Universitäten, Missionswerke, Institutionen. Hier findet sich eine unglaubliche Vielfalt mit großem Potential. Vieles läuft noch unkoordiniert, manches wird doppelt erarbeitet.
    Das Tanzania-Network.de wurde initiiert durch Vertreterinnen und Vertreter - Tanzanier und Deutsche - von Gruppen und Organisationen aus Politik, Gesellschaft und Kirchen, die langjährige und intensive Verbindungen nach Tanzania pflegen.
    Tanzania-Network.de e.V.

    Gerhard Seyfried
    Herero
    Roman.
    2004. -AUFBAU TB-

    Kolonialmetropole Berlin
    Eine Spurensuche. Hrsg. v. Ulrich van der Heyden u. Joachim Zeller.
    2002. -BERLIN EDITION-
    Ulrich van der Heyden
    Rote Adler an Afrikas Küste
    Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika
    2. Aufl. 2001. -SELIGNOW-

    . . . da und dort ein junges Deutschland gründen'
    Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert.
    Eingel. u. hrsg. v. Horst Gründer.
    1999. -DTV-
    Horst Gründer
    Geschichte der deutschen Kolonien
    2004. -UTB; SCHÖNINGH-
    Horst Gründer
    Eine Geschichte der europäischen Expansion
    Von Entdeckern und Eroberern zum Kolonialismus.
    2003. -THEISS-
    Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte
    Bd.4. Mit Beitr. in engl. Sprache. Im Auftr. d. Forschungsstiftung f. Europäische Überseegeschichte
    hrsg. v. Markus A. Denzel, Horst Gründer, Hermann J. Hiery u. a..
    2004. -HARRASSOWITZ-
    Kolonialismus
    Kolonialdiskurs und Genozid.
    Hrsg. v. Mihran Dabag, Horst gründer u. Uwe-K. Ketelsen.
    Genozid und Gedächtnis.
    2004. -FINK (WILHELM)-

    Namibia
    Grenzen nachkolonialer Emanzipation.
    Hrsg. v. Henning Melber;
    Mit Beitr. v. Sufian H. Bukurura, Clement Daniels, Reimer Gronemeyer u. a..
    2003. -BRANDES & APSEL-
    Reinhart Kößler, Henning Melber
    Globale Solidarität?
    Eine Streitschrift.
    2002. -BRANDES & APSEL-

    Martin Baer, Olaf Schröter
    Eine Kopfjagd
    Deutsche in Ostafrika.
    Spuren kolonialer Herrschaft.
    2001. -LINKS-

    Völkermord in Deutsch-Südwestafrika
    Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen.
    Hrsg. v. Jürgen Zimmerer u. Joachim Zeller.
    2003. -LINKS-
    Die Literaturliste führt, nach Titeln geordnet, Sachbücher, Romane, Teilnehmer- und
    Augenzeugenberichte zur deutschen Kolonialgeschichte: Schwerpunkt Deutsch-Südwestafrika bzw. Namibia auf:
    Gerhard Seyfried: Literatur zur deutschen Kolonialgeschichte
    Humboldt-Universität zu Berlin, Seminar für Afrikawissenschaften: Liste der Afrika-Institute
    Eine Herero-Frau (rechts) gibt bei der Wahl 1999 in Namibia ihre Stimme ab.
    Eine Herero-Frau (rechts) gibt bei der Wahl 1999 in Namibia ihre Stimme ab. (AP)