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Blitzanalyse vor Ort

Analytik. - Schon ein paar Tropfen Blut reichen aus, um eine Krankheit zu diagnostizieren. Trotzdem ist der Aufwand für solche Analysen im Labor hoch – teure Geräte, Reagenzien und Arbeitskräfte. Als Alternative entwickeln Wissenschaftler sogenannte Labors auf einem Chip. Das sind Reaktionskammern im Miniaturformat, und dort laufen einfache Reaktionen auf kleinstem Raum ab. Vor kurzem haben Forscher eine weitere Neuerung vorgestellt: das Labor auf der CD.

Von Hellmuth Nordwig | 01.06.2012
    Wer Karussell fährt, kennt sie: Die Zentrifugalkraft schleudert den Sessel während der Kreisbewegung nach außen. Genau diese Kraft nutzen auch Daniel Mark und seine Kollegen von der Hahn-Schickard-Gesellschaft in Villingen-Schwenningen. Sie haben ein Mikrolabor gebaut - auf einer runden Plastikscheibe, die nur so groß ist wie eine CD.

    "Was man im Labor üblicherweise macht, ist ja, Flüssigkeiten in bestimmter Weise zu mischen, abzumessen, zu verteilen, und mit bestimmten Reaktionskomponenten in Verbindung zu bringen. Und je nachdem, was in der Probe drin war, wird ein Farbumschlag erfolgen, den man nachher optisch auslesen kann. Und diese Kontrolle der Flüssigkeiten, das Abmessen und Mischen, wollen wir nicht einem Labormitarbeiter per Hand zumuten, sondern das wird alles auf einer rotierenden Scheibe durch die auftretenden Zentrifugalkräfte automatisch erfolgen."

    Auf den ersten Blick sieht man auf einer solchen Plastikscheibe zwei Strukturen: Erstens winzige Hohlräume, jeder nur so groß wie ein Stecknadelkopf. In diesen Kammern können Chemikalien enthalten sein, zum Beispiel für den Nachweis von Krankheitserregern. Verbunden sind diese Hohlräume - zweitens - durch hauchdünne Kanäle, teils U-förmig gebogen, manche kaum dicker als ein Haar. Sie sind gerade so dünn gewählt, dass bei einer bestimmten Umdrehungszahl eine festgelegte Menge Flüssigkeit hindurch gedrückt wird. Das Ganze ist hintereinander angeordnet, so dass eine Analyse Schritt für Schritt genauso durchgeführt wird wie in einem Labor. Daniel Mark hat gerade eine Pipette bereit gelegt, um ein paar Tropfen einer Probenflüssigkeit aufzunehmen; das könnte zum Beispiel eine Blutprobe sein. Auch die Plastikscheibe ist vorbereitet – und die legt er jetzt in eine Art CD-Spieler.

    "Die werde ich jetzt einfach mal einlegen in unser Gerät. Dann kommt noch ein kleiner Haltering drauf, dass uns das Ganze nicht wegfliegt. Und jetzt die Probe, beziehungsweise eine Pseudo-Probe, denn wir wollen ja hier keine Krankheitserreger verschleudern. Die ist schön blau, ein Druck, das Ganze ist drin. So, jetzt dreht das Ganze erst mal langsam los, um das gemütlich in die Verteilkanälchen zu drücken."

    Die Kammer für die Probe liegt nahe am Mittelpunkt der Scheibe. Von dort aus wird die Flüssigkeit jetzt an den Rand gedrückt - und verteilt sich dabei gleichmäßig auf mehrere Hohlräume. Auch im Labor wird eine Blutprobe für mehrere Tests zunächst aufgeteilt.

    "Und dann geht es mit richtig viel Kraft los, wenn es darum geht, die Flüssigkeit weiter nach außen zu drücken in diese engen Kanälchen. So, die Flüssigkeit ist schön in den außen liegenden Messkammern angekommen. Da wird sie jetzt gemischt mit den vorliegenden Nachweisreagenzien. Von diesen Substanzen braucht man nicht viel, das ist relativ schwer zu sehen. Aber das ist das Entscheidende für den Nachweis."

    Ein Teil dieser Reagenzien bewirkt, dass zum Beispiel ein bestimmtes Gen eines Krankheitserregers vervielfältigt wird. Mit anderen Chemikalien wird dieser Erbgutabschnitt dann angefärbt. Und ein Laserstrahl registriert schließlich, in welchen Reaktionskammern sich die Farbe verändert hat.

    "Und am Ende kann man dann schauen, wenn zum Beispiel in den Kammern 1, 3 und 5 eine große DNA-Menge nachweisbar ist, war das entsprechende Gen in meiner Probe vorhanden. 40 Dann weiß ich, dass der entsprechende Krankheitserreger vorhanden war."

    Beim Nachweis von gefürchteten Krankenhauskeimen, den sogenannten MRSA-Bakterien, hat sich das System bereits bewährt. Mit anderen Reagenzien bestückt, ist es auch in der Lebensmittelkontrolle einsetzbar oder bei der Überwachung von Trinkwasser. Das Potenzial der rotierenden Scheiben sehen die Forscher überall dort, wo es zu lange dauert, eine Probe ins Labor zu schicken und auf das Ergebnis zu warten. Also immer dann, wenn vor Ort rasch eine zuverlässige Analyse gefragt ist – ob in der Arztpraxis oder im Klärwerk.