Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Blockchain Stories
#6 Revolution des Patentrechts?

Seit der Erfindung des Papiers werden wichtige Dokumente mit einem Stempel verifiziert. Heutzutage versehen Computer Dateien mit einem Zeitstempel. Die Blockchain könnte dieses Verfahren vereinfachen und sicherer machen - für Musiker und andere Kreative. Steht eine Revolution des Patentrechts bevor?

Von Dennis Kastrup | 24.01.2019
    Ein Halter mit ihreren Stempeln. Auf dem vordersten Stempel steht "Geprüft".
    Analoge Stempel - sie könnten dank der Blockchain und dem "Timestamping-Verfahren" bald der Vergangenheit angehören (imago)
    Loïc Bisière: "In der Vergangenheit haben Autoren eine Kopie ihres Manuskripts gedruckt und das mit der Post an ihre eigene Adresse verschickt. Der Umschlag wurde aber nie geöffnet. Sie besaßen also einen Stempel, der beweisen konnte, dass der Brief an einem bestimmten Tag bei der kanadischen Post lag und dann in ihr Haus geliefert wurde."
    Loïc Bisière arbeitet bei "2PS", einem globalen Kollektiv aus unabhängigen Unternehmensberatern. Der Franko-Kanadier hat sich darauf spezialisiert, Firmen mit Hilfe von neuen Technologien effizienter und erfolgreicher arbeiten zu lassen. Zum Beispiel durch den Einsatz der Blockchain-Technologie und dem digitalen Zeitstempel-Verfahren, dem Timestamping.
    "Heutzutage schreibt man ein Buch als Datei auf dem Computer. Das ist ein Dokument. Dann kann man dafür ein einzigartiges Erkennungsmerkmal erzeugen, sozusagen das 'Gen' des Buches. Das verbindet man dann mit dem Timestamp. Niemand kann so später behaupten, dass man das Buch gestohlen habe, weil man beweisen kann, dass die Datei, die für das Gen meines Buches steht, vor einem Jahr mit einem Timestamp versehen wurde."
    Um dieses besondere Gen zu erzeugen, wird das so genannte Hashing angewendet. Hierbei wird eine beliebig große Datei mit Hilfe eines Algorithmus‘ in eine kleine Anzahl von Bits umgewandelt - einer festgelegten Abfolge an Buchstaben und Zahlen, die auch als Beweis auf dem Computer gespeichert wird. Der Zeitpunkt wird in der Blockchain als Zeitstempel, Timestamp, registriert.
    "Wenn ich ein Foto nehme, kann ich davon eine einzigartige Identität herstellen, indem ich die Daten hashe. Diesen Hash, diese Nummer, kann ich in die Blockchain einfügen. Das ist dann ein Unikat. Wenn jemand anderes das exakt selbe Foto noch einmal hashen würde, käme dieselbe Ziffernfolge heraus. In der Blockchain könnte ich dann sehen, ob es diese bereits gab: wann und zu welcher Zeit."
    Einmal in die Blockchain eingebracht, ist der Hash, also die Ziffernfolge und nicht die ursprüngliche Datei selbst, für immer gespeichert. Es gibt bereits einige Anwendungen im Netz und Applikationen für Smartphones, die das Timestamping in der Blockchain als Open Source anbieten.
    "Normalerweise muss man einen Anwalt oder jemanden vom Staat beauftragen, Zeit zu investieren und Informationen zu überprüfen. Man muss auf eine Antwort warten. Dann bekommt man einen Stempel auf einer Fotokopie und muss vielleicht hunderte von Dollars für diesen Beweis bezahlen."
    Geringe Kosten und eine schnellere Abwicklung
    Das Versprechen von Timestamping in der Blockchain lautet also: geringere Kosten, schnellere Abwicklung und mehr Sicherheit. Denn Urheberrechtsverletzungen von Kunstwerken könnten viel einfacher erkennbar sein, weil das dezentrale Netzwerk als Kontrollinstanz funktioniert. Peter Harris baut mit seinem Streaming-Dienst "Resonate" auch auf die Blockchain:
    "Wir haben uns das aus Musikersicht angeschaut. Wenn man die Herkunft der Quelle mit einer Blockchain beweisen kann, dann hätte man zum Beispiel sehr eindeutige Informationen darüber, an welchem Arbeitsplatz ein Song produziert wurde. Die Timestamps würden dann zeigen, wer das geschrieben hat und wie das geschrieben wurde."
    Trotz dieser positiven Eigenschaften ist das Timestamping in der Blockchain aber noch lange nicht perfekt. Um Werke zu schützen, müsste die Blockchain an Identitäten gebunden sein. In der Welt der Kryptowährungen mit ihren anonymen Wallets ist das bis jetzt aber noch nicht der Fall.
    Peter Harris: "Man hat auf der einen Seite so etwas wie Bitcoin, was ein total dezentralisiertes System ist, in dem es absolut keine Identität gibt. Dann gibt es aber auf der anderen Seite kreative Arbeiten, bei denen sich alles um die Identität dreht. Die Herausforderung für mich und andere in dem Bereich ist es also, ein gutes Gleichgewicht zwischen den beiden herzustellen."
    Loïc Bisière glaubt wie viele andere Blockchain-Fans fest an das Überwinden der Probleme und an den späteren Erfolg. Für ihn sei jede neue Entwicklung einem Hype ausgesetzt, der sich wieder lege. Erst danach kristallisierten sich die besten Anwendungen und Ideen heraus. Und Timestamping in der Blockchain gehöre auf jeden Fall dazu.
    "Die Gesetze müssen sich bei Technologie immer erst anpassen. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird man der Technologie aber vertrauen. Dann werden Experten das legal benutzen."
    Eine Veränderung des Urheberrechts
    Timestamping in der Blockchain hat das Potenzial, die Urheberrechtsstreitereien zu vereinfachen und den Umgang mit dem Urheberrecht zu verändern. Denn die Ursprünge von Bildern, Texten, Musik, Audios oder Filmen werden für immer nachvollziehbar sein. Jeder kann so auf eine erschwingliche Art beweisen, dass seine Kunst kopiert wurde. Aber auch Unternehmen könnten damit günstig Patente erlangen. Von einem Streit, der damit vor Gericht geklärt wurde, hat Bisière aber bisher noch nicht gehört. Trotzdem ist er sich sicher:
    "Wenn dein Argument gegen mein Argument steht und ich dazu noch einen Timestamp habe, bin ich mir sicher, dass das vor Gericht als Beweismaterial anerkannt wird."