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Blog: Postkarten aus Cannes
Meditative Filmkost an Pfingsten

An den Pfingstfeiertagen gab es in Cannes für die aufgekratzten Festivalgemüter geradezu meditative Filmkost. Der US-amerikanische Regisseur Jim Jarmusch erzählt in "Paterson" von einem ruhigen und genügsamen Zeitgenossen, der Gedichte schreibt, während sein Landsmann Jeff Nichols mit "Loving" die wahre Geschichte einer übermächtigen Liebe verfilmte.

Von Maja Ellmenreich | 16.05.2016
    In einer Szene des Films "Paterson" von Jim Jarmusch liegen der US-amerikanische Schauspieler Adam Driver und die iranische Schauspielerin Golshifteh gemeinsam im Bett und umarmen sich.
    Ruhig und gemütlich: So beginnt der Tag von Paterson aus Jim Jarmuschs gleichnamigen Film, der auf dem 69. Filmfestival in Cannes gezeigt wurde. (picture alliance / dpa / Cannes Film Festival / Handout)
    Ommmmmm! Wir atmen ein, und wir atmen aus. Wir lassen Gedanken kommen und wieder gehen. Der Atem ist ruhig und entspannt, er fließt leise und sanft. Es ist still geworden auf der Leinwand in Cannes. Die US-amerikanischen Regisseure Jim Jarmusch und Jeff Nichols besänftigen an den Pfingstfeiertagen die aufgekratzten Festivalgemüter mit geradezu meditativen Filmen.
    Jarmusch beschränkt sich in "Paterson" auf einen besonders kleinen Bewegungsradius: Wir begleiten den Busfahrer Paterson - gespielt von Adam Driver - durch seinen Alltag in Paterson, New Jersey. Im Großen und Ganzen gleicht ein Tag dem anderen: Paterson wacht auf, schmiegt sich an seine noch schlafende Frau Laura, bevor er aufsteht, frühstückt, zur Arbeit geht, mit dem Bus seine Runden dreht, am Nachmittag nach Hause kommt, gemeinsam mit Laura zu Abend isst, den Hund um den Block führt und noch auf ein Bier in der Kneipe einkehrt.
    Ruhiges Filmerlebnis mit "Paterson" von Jim Jarmusch
    Die Tage von Paterson aus Paterson sind gleichförmig und beinahe ereignislos, doch ihm mangelt es wohl an nichts. Durch Patersons Kopf schweben Worte, Gedanken und Beobachtungen, und die bringt er in Gedichtform zu Papier. Sein Name gleicht dem seiner Heimatstadt – wahrscheinlich, um das Leben nicht unnötig kompliziert zu machen. Ein ruhiger und genügsamer Zeitgenosse, dieser Paterson aus Paterson.
    Auch Richard Loving ist alles andere als eine Plaudertasche. Wenn die Reporter ihm ihre Mikrofone entgegenstrecken, ist er erst recht einsilbig. Das Reden überlässt Richard seiner Frau Mildred. Die nutzt die Gelegenheit, sich in den Medien nicht nur für ihr eigenes Familienwohl starkzumachen; Mildred möchte auch anderen im US-Bundesstaat Virginia den Weg ebnen für Eheschließungen zwischen Weißen und Nichtweißen.
    Wahre Geschichte einer übermächtigen Liebe: "Loving" von Jeff Nichols
    1967 wurde der Fall "Loving versus Virginia" vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zugunsten des Paares entschieden – ein Urteil, das US-Menschenrechtsgeschichte schreiben sollte. Regisseur Jeff Nichols hat sich für seine Erzählung der wahren Geschichte ganz bewusst gegen den Gerichtssaal als Handlungsort entschieden: Er wollte von den Lovings erzählen, von Mildred und Richard und ihrer leisen, aber übermächtigen Liebe zueinander.
    Sein Film sei wohl einer der ruhigeren Filme des Jahres, sagt Nichols schmunzelnd in Cannes. Vielleicht wird "Loving" aber auch noch für den ganz großen Knall sorgen. Wenn zum Beispiel die Hauptdarstellerin Ruth Negga, Tochter einer irischen Mutter und eines äthiopischen Vaters, für den Oscar nominiert würde. Verdient hätte sie es. Aber mit der Ruhe um sie wäre es dann vorbei. Ommmmmmm!