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Bloggen als Kulturtechnik

Für immer mehr Mediennutzer und Macher gehören die Blogs, die Internettagebücher, zum Alltag. In Berlin fand nun die bislang größte Konferenz der Bloggerszene statt: "Re-publica". Diskutiert wurde über rechtliche Fragen im Internet, aber auch über die Qualität der Blogs und über die zunehmende Konvergenz zwischen den als Hobby betriebenen Blogs und den klassischen Medien.

Von Michael Meyer | 14.04.2007
    Sind Blogger die neuen Journalisten? Diese Frage schwebte über einigen der Diskussionsforen der Konferenz in Berlin. Die Internettagebücher sind das Trendthema des neuen Jahrhunderts – sind sie doch Segen und Fluch zugleich: Auf der einen Seite können Blogger fast ohne jede Restriktion drauf los schreiben – auf der anderen Seite leiden die Internetpublizisten manchmal aber auch an mangelnder Glaubwürdigkeit: Klassische Medien genießen meist größeres Vertrauen. Dennoch möchte Markus Beckedahl, einer der Organisatoren der Konferenz, die Blogs nicht auf eine bestimmte Richtung festgelegt sehen:

    "Bloggen ist eine Kulturtechnik und diese Kulturtechnik wird von so vielen verschiedenen Menschen so verschieden angewendet, dass man eine riesige Vielfalt hat. Es gibt welche, die möchten mit ihrem Hobbybloggen ein bisschen Geld verdienen, um sich noch mehr darauf konzentrieren zu können, noch mehr Spaß dabei zu haben, es gibt andere, die lehnen es vollkommen ab, und das ist auch gut so, weil es gibt diese riesige Vielfalt und man kann umschalten, wenn man Werbung nicht sehen möchte. Es gibt hunderttausende an deutschsprachigen Blogs, die jedem etwas bieten können."

    Die Zeit der Unschuld im Netz ist jedoch vorbei. Seitdem im März das "Telemediengesetz" in Kraft getreten ist, müssen auch Blogger gewisse Spielregeln einhalten: Beispielsweise muss ein Impressum auf der jeweiligen Seite stehen und auch die Trennung von Werbung und Text ist einzuhalten, wie bei jedem anderen Medium auch. Mit diesen Regeln könne man noch leben, jedoch: Es gebe auch im Internet eine Regulierungswut seitens der Politik, beklagt Markus Beckedahl:

    "Auf jeden Fall haben wir zu viele Fallstricke für normale Bürger, die einfach nur im Netz publizieren wollen, ..., ich finde es okay, dass es Rahmenbedingungen gibt, die zum Beispiel Werbung und Inhalt klar trennen, das ist auch in meinem Interesse als Verbraucher und Konsument, aber trotzdem haben wir zum Teil zuviel Regulierung. Und es ist ja nicht nur das Telemediengesetz, viel schlimmer ist das Urheberrecht. Das Urheberrecht baut auf Paradigmen auf aus der Off-line-Zeit. Und es ist überhaupt nicht mehr kompatibel zur Online-Welt, wo Wissen ausgetauscht wird, wo kommuniziert wird, wo auf bestehendem Wissen aufgebaut wird."

    Diese Verknüpfungen, die Verlinkungen machen viele Texte im Internet so interessant, zum Teil aber auch schwer lesbar, denn man muss oft auf andere Seiten wechseln, um den Haupttext überhaupt zu verstehen. Dies erfordert von den Lesern ein versiertes Umgehen mit der Technik – ein großer Unterschied im Vergleich zu den Online-Auftritten klassischer Zeitungen und Magazine.

    Festzuhalten ist: Die Affinität zum Internet trennt heutzutage die Generationen. Die Jüngeren wachsen völlig selbstverständlich mit Blogs und Online-Medien auf. Diese Lücke wird auch in den Redaktionen selbst in den kommenden Jahren eine große Herausforderung sein, meint der Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer:

    "Wir haben jetzt einen sehr kritischen Punkt erreicht. Weil: Redaktionen sich derzeit teilen. Sie teilen sich in die Leute, die sagen: Hey, das mit dem Internet ist doch total klasse, ich kann mich da viel freier auslassen, ich kann da multimedial arbeiten, ist doch super. Und es gibt diejenigen, die sagen: Mein Gehalt steigt nicht mehr, sinkt faktisch sogar, ..., Kollegen verlieren nach langen Jahren ihre Arbeitsplätze, ..., und das alles wegen des Internets und ihr seid die Verräter, die da im Internet auch noch mitmachen. (...) Diesen richtigen Kulturkrieg wird in den nächsten ein, zwei Jahren in den Redaktionen ausgelebt und das wird für die interne Stimmung ganz erhebliche Folgen haben."

    Aber: Viele Journalisten sehen auch die Vorteile der neuen Entwicklung, etwa wenn Kommentarfunktionen auf den Internetseiten ein viel direkteren Dialog mit den Lesern ermöglichen. Die beiden Welten werden in den Zeitungshäusern zwangsläufig immer weiter zusammenwachsen, meint die Online-Chefin des Berliner Tagesspiegels, Mercedes Bunz:

    "Also ich kann beim Tagesspiegel sehen, dass die Vorbehalte bei den Print-Redaktionen ganz stark gefallen sind, ..., die sind eigentlich eher aufgeschlossen und geben Artikel von selber hoch oder rufen an, wollt ihr das gesamte Interview Online haben – also da fängt die Zusammenarbeit an zu wachsen, was ganz schön ist. (...) Es ist beides Schrift aber es sind beides zwei unterschiedliche zeitliche Produktionsformen. (....) Es ist ein anderes Produzieren in der Zeit, das wird man nie rauskriegen. Es ist einfach dadurch, dass es ein anderes Produzieren in der Zeit sind, zwei andere Medien, und die überlappen sich teilweise."