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Bloggerin Stefanie Sargnagel
Facebook-Nachrichten als Buch

Braucht es das ausgedruckte Internet im Jahr 2017? In "Statusmeldungen" erscheinen Stefanie Sargnagels Facebook- Einträge jetzt als Buch. Darin berichtet die 31-jährige umstrittene Autorin, die längst zum trashigen Shootingstar avanciert ist, aus ihrem Alltag: "kurze Momentaufnahmen, die sind sehr reduziert."

Von Miriam Zeh | 21.07.2017
    Die österreichische Bloggerin und Autorin Stefanie Sargnagel sitzt in einem braunen Ledersessel
    Provokante Bloggerin und Autorin: Die Österreicherin Stefanie Sargnagel veröffentlicht ihr neues Buch mit ihren Gedankenfetzen der letzten zwei Jahre. (picture alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Heute erscheint das neue Buch von Stefanie Sargnagel. Es trägt den Titel "Statusmeldungen" und dieser Titel ist Programm. Denn ebenso wie ihre vorherigen Bücher enthält auch die neueste Publikation der Wiener Autorin ausschließlich Facebook-Posts. Zwischen Juli 2015 und Februar 2017 veröffentliche Sargnagel diese kurzen und kürzesten Formen auf der Social-Media-Plattform. Und ohne Facebook ist das Medien-Phänomen Sargnagel auch kaum zu begreifen. Im Internet ist die 31-jährige Autorin nämlich längst zum trashigen Shootingstar avanciert mit einer enormen Reichweite.
    Sargnagel beschreibt ihre Schreibweise dabei als eng verknüpft mit den medialen Bedingungen, unter denen sie entstehen: "Also ich hab ja früher gebloggt und da hab ich zum Beispiel längere Texte geschrieben. Ich glaub schon, dass ich kürzer schreibe, hat schon auch was mit der Benutzeroberfläche zu tun. Facebook war ja am Anfang, wie Twitter, mit einer begrenzten Zeichenzahl. Da konnte man dann auch nur ganz kurze Sachen schreiben."
    Vor allem aus der jungen, unabhängigen Literaturszene rekrutieren sich die Fans von Stefanie Sargnagel. Hier wird Sargnagel zur Gallionsfigur des Feminismus stilisiert wegen ihrer schamlosen Einstellung zum eigenen Körper. So schreibt Sätze wie: "Ich nehm die Pille nur, weil die Gewichtszunahme und die Thrombosegefahr sich vielleicht gut auf meine Karriere auswirken als fette, einbeinige Fäkalautorin." In diesen provokativen Schilderungen mag ein wichtiger Grund für das mediale Interesse an der jungen Autorin liegen. Rechtskonservativen Männern sie seit längerem Anlass zur Aufregung.
    Grenzüberschritung wichtiger als der sezierende Blick
    Unter ästhetischen Gesichtspunkten ist die mediale Faszination an Stefanie Sargnagel nur bedingt nachvollziehbar. Thematisch kreisen Sargnagels scheinbar dahingeworfenen Skizzen thematisch um den Alltag der Autorin, um ihre prekäre Existenz als Kunstschaffende. Hier wirkt ihre Selbstironie jedoch oft etwas einfallslos und reichlich träge, etwa wenn sie fragt: "Warum wollen Menschen Karriere machen? Ist ihnen langweilig in der Freizeit?" Eine entlarvende Milieustudie, wie sie etwa bei Heinz Strunk zu finden ist, gelingt Sargnagel jedenfalls nicht.
    Ihr ist die grenzüberschreitende Pointe wichtiger als ein detailgenauer, sezierender Blick. Man nähert sich ihren Texten womöglich konstruktiver, wenn man Sargnagel als Stand-up-Comedian begreift. Und in dieser Unterhaltungstradition verortet sich Stefanie Sargnagel auch selbst: "Ich fühl mich halt der Humoristik sehr zugewandt. Ich zeichne auch gerne Cartoons, im Buch sind ja auch viele Cartoons, die ich gezeichnet habe. Und ich sehe auch die Texte ähnlich wie Cartoons. Es sind kurze Momentaufnahmen, die sind sehr reduziert. Bei einem Cartoon macht man ja auch mit wenigen Strichen ein Bild."
    In ihrem neuen Buch ist Stefanie Sargnagel politischer geworden. Sie beschreibt, wie sie im September 2015 als sogenannte "Schlepperin" Geflüchteten in privaten PKWs hilft, die österreichische Grenze zu passieren. Als "Refugee McMoments" bezeichnet sie ihre Erlebnisse mit Geflüchteten und übt damit Kritik an der österreichischen Willkommens-Euphorie in dieser Zeit.
    Der Leser müht sich durch die Lektüre
    Problematisch werden Sargnagels Kommentare zur aktuellen Politik, wenn ihre Zeitdiagnostik bisweilen doch etwas zu platt daherkommt. Kurz vor der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten im Mai 2016, als der Kandidat der konservativen FPÖ Norbert Hofer eine verpflichtende, mehrtägige Bedenkzeit für Frauen vor der Abtreibung gefordert hatte, kommentiert Sargnagel etwa: "Ich glaub, ich setz die Pille ab, damit ich noch ein paarmal abtreiben kann, bevor Hitler Bundespräsident wird."
    Man mag Stefanie Sargnagel einige luzide Momente zugestehen, in denen ihre kurze Formen beinahe aphoristischen Qualität annehmen. Vielleicht, wenn sie schreibt: "Idealismus ist auch nur eine Art Größenwahn, in dem einem die eigene Meinung über sich selbst einfach viel wichtiger ist als die der anderen, die man für Trottel hält."
    Der Leser schmunzelt kurz. Aber leider nur, um sich auf etlichen darauffolgenden Seiten wieder durch eine Lektüre zu mühen. Warum die FAZ-Redakteurin Sandra Kegel Sargnagel als "kunstvoll arrangiert" und "virtuos" bezeichnet, bleibt ein Rätsel. Stefanie Sargnagel ist wie das Internet. Ziemlich viel an ihr ist banal und redundant. Manches an ihr ist ganz witzig. Wir holen in der U-Bahn kurz das Smartphone aus der Hosentasche, scrollen durch unsere Facebook-Timeline, wir lesen oder liken vielleicht etwas - und vergessen es wieder.
    Stefanie Sargnagel: "Statusmeldungen"
    Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2017, 304 Seiten, 19,95 Euro