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Bluttransfusion
Bessere Überlebenschancen im Krieg

Bei schweren Verletzungen können Blutkonserven Leben retten, das gilt vor allem im Krieg. In den Niederlanden wurden die Regeln für die Erstellung und Handhabe von Blutkonserven vor einigen Jahren überarbeitet – mit Erfolg, wie eine Studie zeigt.

Von Michael Stang | 09.01.2017
    Blutkonserven in einem Kühlraum im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
    Blutkonserven retten Leben - auch tief gefroren kommen sie beim Militär zum Einsatz. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Femke Noorman arbeitet beim niederländischen Verteidigungsministerium in Leiden. Dort ist die Biochemikerin für die Qualität der Blutprodukte verantwortlich, die Militärangehörige bei einer Operation erhalten. Zu den Produkten gehören unter anderem rote Blutkörperchen, zudem Blutplasma und Blutplättchen, die alle in speziellen Blutbeuteln gelagert werden.
    "Das niederländische Militär verwendet tiefgefrorene Blutprodukte vor allem bei Auslandseinsätzen. Wir lagern sie bei minus 80 Grad Celsius. Dadurch sind sie länger haltbar, Transportprobleme gibt es nicht und Blutspender vor Ort müssen wir auch nicht mehr suchen."
    Die Blutprodukte müssen sicher und jederzeit schnell verfügbar sein. Seit 2001 verwendet das niederländische Militär die tiefgefrorenen Blutprodukte. Femke Noorman hat untersucht, ob und wie sich diese Methode beim Einsatz in Afghanistan von 2006 bis 2010 bewährt hat.
    "In Afghanistan hatten wir viele Patienten. Für unsere Studie haben wir geschaut, ob die Blutprodukte dort genauso sicher waren wie in den Niederlanden, wann und wie oft sie eingesetzt wurden. Das haben wir dann mit den Überlebensraten der Patienten verglichen. Nach Ende des Krieges haben wir analysiert, ob und wie unsere Produkte tatsächlich geholfen haben."
    Gefrorene Blutprodukte haben keine Nachteile
    Demnach waren die gefrorenen Blutprodukte genauso sicher wie zuvor eingesetzte flüssige Blutprodukte - nur mit dem Vorteil, dass die gefrorenen Produkte länger haltbar und besser verfügbar sind. 272 Einsätze in Afghanistan konnte die Forscherin untersuchen. Mehr als 80 Prozent dieser Patienten hatten Schusswunden oder Verletzungen, die durch Explosionen entstanden waren. In die Studie flossen die Daten von mehr als 3.000 Transfusionen ein. Für eine deutliche Verbesserung der Überlebensraten sorgte aber erst eine weitere Änderung.
    "Während des Einsatzes in Afghanistan haben wir ein neues Transfusionsprotokoll eingeführt. Danach sollte Patienten nicht nur hauptsächlich rote Blutkörperchen und Kochsalz verabreicht werden, sondern zusätzlich Plasma und Blutplättchen, um die Blutgerinnung zu erhöhen. Denn ohne Gerinnung bluten Verwundete immer weiter. Und nachdem diese neuen Regeln Anwendungen fanden, stiegen direkt die Überlebensraten."
    Die Sterberate sank von zuvor 44 auf nur noch 14 Prozent. Das bedeutet, dass von 100 Schwerverletzten 30 Menschen mehr überlebten. Die Änderungen wurden in Anlehnung an das Procedere beim US-Militär angewendet. Die USA hätten es 2007 eingeführt, und zwar so erfolgreich, dass das US-Militär die Einführung als eine der besten zehn Erfindungen des Jahres ausgezeichnet habe, so Femke Noorman.
    Blut nicht zu sehr verdünnen
    Frühere Transfusionsprotokolle waren auf die sparsame Anwendung von Blutprodukten ausgelegt und die Verwendung von Kochsalz, denn Natriumchlorid ist überall vorhanden und muss nicht extra gekühlt werden. Für die Lagerung in Kriegsgebieten war das von Vorteil, nicht aber für die Überlebensraten.
    "Das Geheimnis ist, dass man das Blut nicht zu sehr verdünnen darf, sondern das Blut muss gerinnen, um die Patienten zu heilen."
    Heute ist diese Methode Standard bei vielen Militärs. Demnächst wollen die niederländischen Forscher untersuchen, ob und wie sich diese Regeln für die Anwendung von Blutprodukten auch auf zivile Krankenhäuser außerhalb von militärischen Organisationen übertragen lassen.
    In Deutschland schreibt seit 1998 das Transfusionsgesetz die Regeln für die Herstellung und Anwendung von Blutprodukten vor. Änderungsvorschläge wurde in der Vergangenheit von der Bundesärztekammer (Richtlinien) und dem Paul-Ehrlich-Institut erarbeitet.