Donnerstag, 25. April 2024

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BND-NSA-Affäre
"Eigenleben des BND muss beendet werden"

In der Abhöraffäre um den Bundesnachrichtendienst hat SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi im DLF umfassende Aufklärung und eine bessere Kontrolle des Geheimdienstes gefordert. Dem Koalitionspartner CDU warf sie in der Diskussion um ein No-Spy-Abkommen unlauteres Verhalten im Wahlkampf vor.

Yasmin Fahimi im Gespräch mit Christine Heuer | 12.05.2015
    Die Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi.
    Die Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Es gehe ihr nicht um eine Distanzierung vom Koalitionspartner im Bund, sagte Fahimi, sondern um ein Interesse der Öffentlichkeit: den BND-Skandal aufzuklären. "Wir können nicht die Kumpanei in der Koalition höher stellen als das Aufklärungsinteresse der Bevölkerung", sagte die SPD-Generalsekretärin. Man müsse klären, ob der BND zum Büttel der NSA geworden sei. "Und ich hoffe, dass alle ein Interesse haben, das aufzuklären."
    Dass die Bundesregierung ein No-Spy-Abkommen mit den USA in Aussicht gestellt und im Wahlkampf damit geworben habe, sei unlauter - schließlich sei dieses Abkommen von den USA nie in Aussicht gestellt worden. Auch diese Art der Vernebelung müsse aufgeklärt werden. Zudem müsse der BND besser ausgestattet werden, um rechtsstaatlich sauber zu arbeiten. Auch die Kontrolle durch das Bundeskanzleramt gehöre verbessert.
    Fahimi äußerte sich auch zu den deutlichen Verlusten ihrer Partei bei der Bürgerschaftswahl in Bremen. "Wenn man einen klaren Regierungsauftrag erhält, kann man schon davon sprechen, dass wir die Wahl gewonnen haben", sagte sie. Sie wolle aber das Ergebnis nicht schönreden, es sei ein Auftrag, Wähler stärker zurückzugewinnen. Den Rücktritt des amtierenden Bürgermeisters und SPD-Spitzenkandidaten Jens Böhrnsen habe sie mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen, gleichzeitig verdiene dieser Schritt Respekt.
    Eine Große Koalition erwartet Fahimi trotz der massiven Verluste der Regierungsparteien nicht. "Wunschkoalition bleibt Rot-Grün", sagte sie. Allerdings liege die endgültige Entscheidung bei den Parteifreunden in Bremen - und die müssten erst das endgültige Wahlergebnis abwarten.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Die SPD gewinnt die Bremen-Wahl, am nächsten Tag tritt der amtierende und von den Bremern, wenn auch knapp wiedergewählte Bürgermeister des Stadtstaates zurück. Jens Böhrnsen übernimmt damit die politische Verantwortung für das mit knapp sechs Prozent minus äußerst schlechte Wahlergebnis seiner Partei in Bremen. Hat das Auswirkungen auf die SPD im Bund und wie ist es überhaupt um die SPD in der Großen Koalition mit der Union bestellt? In der BND-Affäre greifen Sozialdemokraten das Kanzleramt direkt an. Stoff genug für ein Gespräch mit der SPD-Generalsekretärin. Guten Morgen, Yasmin Fahimi.
    Yasmin Fahimi: Schönen guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Hat die SPD die Bremen-Wahl gewonnen oder verloren?
    Fahimi: Na ja, wenn man einen klaren Regierungsauftrag bekommen hat, dann würde ich erst mal davon sprechen, dass man die Wahl gewonnen hat. Aber natürlich braucht man sich auch die Ergebnisse nicht schön zu reden. Gleichzeitig ist das Ergebnis auch ein Auftrag an die SPD in Bremen, sich auf den Weg zu machen, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler auch wieder stärker zurückzugewinnen.
    "So eine Entscheidung verdient den Respekt"
    Böhrnsen tritt nach den Verlusten bei der Landtagswahl nicht wieder als Regierungschef an. Das teilte der Politiker am 11.05.2015 in einer Erklärung mit.
    Böhrnsen tritt nach den Verlusten bei der Landtagswahl nicht wieder als Regierungschef an. Das teilte der Politiker in einer Erklärung mit. (dpa / Jochen Luebke)
    Heuer: Ja was ist das in der Tat für ein merkwürdiger Sieg, wenn der Gewinner anschließend zurücktritt?
    Fahimi: Na ja, zunächst einmal muss ich sagen, dass ich das wirklich mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen habe. Gleichzeitig verdient so eine Entscheidung natürlich auch Respekt. Jens Böhrnsen sagt, er möchte den Weg frei machen für einen Neustart der SPD in Bremen und seinem Nachfolger die vollen vier Jahre der Amtszeit auch überlasen. Das muss man erst mal, nachdem er ja nun wirklich auch - wie soll ich sagen? - ein sehr beliebter Bürgermeister gewesen ist, so viel Mut und so viel Verantwortung für die SPD, das muss man erst mal aufbringen. Aber es ist am Ende eben auch seine persönliche Entscheidung gewesen, die, glaube ich, auch typisch Jens Böhrnsen ist. Er ist halt eine sehr integre Persönlichkeit gewesen. Deswegen haben die Bremer ihn ja auch so gemocht.
    Heuer: Er ist aber schon aus politischen und nicht aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Er hat ja gesagt, er übernimmt als Spitzenkandidat die Verantwortung für das enttäuschende Wahlergebnis der SPD. Sie sprechen von einem Neustart, Frau Fahimi. Ist der denn nötig in Bremen?
    Fahimi: Na ja. Wissen Sie, in Bremen hat die SPD seit 70 Jahren nun durchgehend regiert und Jens Böhrnsen ist offensichtlich zu der Entscheidung gekommen, dass dieses Ergebnis der Bremer für ihn persönlich, politisch kein ausreichendes Mandat gegeben hat. Und ja, natürlich ist dann insofern ein Neustart notwendig, weil der Anspruch der SPD in Bremen natürlich ist, nicht nur eine Regierung zu stellen, sondern hier natürlich auch in einem sehr viel deutlicheren Mandat die Bremer zu vertreten.
    "Wunschkonstellation bleibt Rot-Grün"
    Heuer: Wie soll es denn da jetzt weitergehen? Mit einer Großen Koalition wie im Bund?
    Fahimi: Nein. Im Wahlkampf ist ja nun sehr deutlich geworden, was die Wunschkonstellation ist. Die ist und bleibt Rot-Grün. Aber zurecht sagt der Landesvorstand, dass man natürlich jetzt die endgültige Auszählung der Stimmen wirklich noch mal abwarten muss, und dann muss man entscheiden und das bewerten, wie stabil diese Regierung werden kann, und ich denke, am Montag werden wir dazu mehr wissen.
    Heuer: Sie hat drei Stimmen Mehrheit.
    Fahimi: Na ja, das ist noch nicht so ganz klar. Das wissen wir erst am morgigen Tag abschließend. Das alleine sagt jetzt noch nicht so viel aus. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben wir ja gute Erfahrungen gemacht, auch mit einer eher knappen Mehrheit zu regieren. Das entscheidet am Ende nicht über die Stabilität, sondern die Frage, auf welchen Koalitionsvertrag, was man verabreden kann für die nächsten vier Jahre, und insofern bedarf es, glaube ich, jetzt einfach zunächst einmal einer Klärung in den eigenen Reihen und dann muss man auf die Partei zugehen.
    Heuer: Frau Fahimi, das klingt, als seien Sie persönlich für Rot-Grün in Bremen, nicht so sehr für eine Große Koalition. Liegt das daran, dass Sie im Bund schlechte Erfahrungen mit diesem Bündnis machen?
    Fahimi: Nein. Ich glaube, dass sich Rot-Grün einfach in den vergangenen zwei Amtszeiten auch in Bremen durchaus bewährt hat. Allerdings muss man sehen, ob man tatsächlich auch gemeinsam wieder zusammenkommt und ob man einen Fahrplan für die nächsten vier Jahre solide aufstellen kann, und das ist eine Entscheidung, die können nur die Bremer Genossinnen und Genossen treffen und nicht wir im Bund.
    Heuer: Sie merken, dahin will ich, in den Bund, zur SPD im Bund. Schadet Ihnen die Große Koalition dort?
    Fahimi: Nein. Ich glaube, wir können als SPD in der Großen Koalition beweisen, dass wir vieles umgesetzt bekommen haben, dass wir der Stabilitätsmotor dieser Koalition sind und dass wir wirklich auf eine sehr respektable Bilanz der letzten 15 Monate zurückblicken können.
    "Alle müssen zur Aufklärung beitragen"
    Abhöranlagen des BND in Bad Aibling
    Abhöranlagen des BND in Bad Aibling (imago stock & people)
    Heuer: Jetzt in jüngster Zeit hatte man aber eigentlich nicht mehr den Eindruck, dass die SPD in der Großen Koalition ist. Da klingt vieles im Zusammenhang mit der BND-Affäre eher so, als wäre die SPD in der Opposition. Ist das Absicht? Distanzieren Sie sich bewusst von der CDU?
    Fahimi: Na ja, es geht nicht darum, ob wir uns von der CDU distanzieren, sondern es geht darum, einem Interesse nachzugehen, das, glaube ich, sich deckt mit dem der Öffentlichkeit, nämlich in der Frage, welche Verfehlungen sich im Zusammenhang mit dem BND ergeben haben, diesen Vorfall, diesen Skandal, kann man auch sagen, aufzuklären. Wir können ja nicht sozusagen die Kumpanei in der Großen Koalition höherstellen als ein Aufklärungsbedürfnis, das die Öffentlichkeit zurecht hat, inwieweit hier der BND ein entweder Eigenleben entwickelt hat, oder aber tatsächlich zum Büttel der NSA geworden ist. Und ich finde, das ist eine Frage der inneren Sicherheit und auch eine Frage der Wirtschaftsspionage, der wir dringend nachgehen müssen, und ich hoffe doch, dass alle auch in der Koalition jetzt wirklich sehr ernsthaft zu der Aufklärung beitragen wollen.
    Heuer: Trotzdem ist es ja so, dass der Ton schärfer wird. Sozialdemokraten werfen Christdemokraten im Kanzleramt vor, gelogen zu haben. Sigmar Gabriel rückt Angela Merkel in den Fokus. Wohin soll das führen?
    Fahimi: Wir wollen Aufklärung in dieser Angelegenheit, weil es sich natürlich um zum Teil sehr schwerwiegende Vorwürfe handelt und weil es um unsere innere Sicherheit geht. Der Bundesnachrichtendienst ist insbesondere zur Terrorabwehr da und nicht dafür, für die USA in Europa Wirtschaftsspionage zu betreiben.
    Das Zweite ist, dass natürlich rund um diese Frage des Verhältnisses auch zwischen USA und Deutschland ein Abkommen in Aussicht gestellt worden ist, mit dem 2013 unter anderem auch Wahlkampf betrieben worden ist, und das ist in der Tat unlauter. Da muss sich auch die Union in Gänze dem Vorwurf stellen, inwiefern sie jetzt hier uns quasi weiß gemacht hat, es gäbe möglicherweise ein Anti-Spionage-Abkommen mit den USA, das die nie auch nur ansatzweise in Aussicht gestellt haben. Und ich finde, das ist eine Art der Vernebelung. Auch das gehört zur Aufklärung, den Wählerinnen und Wählern hier ganz klar zu sagen, wo hat die Union da eigentlich gestanden, hat sie versucht, in einer so wichtigen Frage das Thema zu vernebeln.
    Heuer: Wenn es diese Vernebelung gab, unlautere Absichten, welche Folgen muss das dann haben? Muss jemand zurücktreten, Frau Fahimi?
    Fahimi: Na ja, weil jemand im Wahlkampf sich nicht an die Wahrheit gehalten hat, glaube ich, muss niemand zurücktreten. Das wäre zu weit gegriffen. Aber ich finde, man muss sich zu diesem Thema stellen. Bei den Fragen, die sich rund um den Bundesnachrichtendienst ergeben, kann ich Ihnen nicht sagen, was am Ende möglicherweise die Konsequenzen sind. Unsererseits wollen wir auf jeden Fall sicherstellen, dass wir jetzt genau prüfen, ob der Bundesnachrichtendienst nicht besser ausgestattet werden muss, damit er rechtsstaatlich sauber arbeiten kann und im Zweifelsfall auch unabhängiger von der NSA. Ich glaube, man muss auch schauen und prüfen, ob man das Bundesnachrichtengesetz präzisieren muss. In jedem Fall muss man das Eigenleben des Bundesnachrichtendienstes hier beenden und eine ernst genommene Kontrolle durch das Bundeskanzleramt sicherstellen.
    Heuer: Die, sagen Sie, findet bisher nicht statt. Verantwortlich dafür war unter anderem Thomas de Maizière. Der war ja Kanzleramtsminister. Schließen Sie aus, dass er am Schluss zurücktreten muss?
    Fahimi: Ich kann nichts ausschließen, aber das ist jedenfalls nicht unser Begehren. Es geht ja auch nicht darum, jetzt hier vorschnelle Rücktrittsforderungen in den Raum zu stellen, sondern noch einmal: Es geht um Aufklärung und ich hoffe, dass man am Ende dieses Thema für Deutschland und im Sinne einer guten Terrorabwehr beantworten kann. Da geht es mir nicht so sehr um Rücktritte, sondern darum, wie der Bundesnachrichtendienst rechtsstaatlich sauber arbeiten kann, und zwar zu der wesentlichen Aufgabe, für die er da ist: zur Terrorabwehr. Das muss das Ziel sein.
    Heuer: SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Haben Sie Dank fürs Gespräch.
    Fahimi: Danke auch! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.