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BND-NSA-Affäre
"Es geht um Verfassungsrechte des Parlaments"

Das Kanzleramt sei verpflichtet, dem Parlamentarischen Kontrollgremien sämtliche Akten mit den Suchbegriffen des US-Geheimdienstes NSA zur Verfügung zu stellen, sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Es gehe dabei um Grundrechte des Bundestages.

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Martin Zagatta | 06.05.2015
    Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele.
    Hans-Christian Ströbele: "Das Kanzleramt hat die Verfügungsgewalt über diese Akten." (Imago / Jürgen Heinrich)
    Martin Zagatta: Heute tritt das Kontrollgremium des Bundestages zusammen, um Innenminister de Maizière und Kanzleramtsminister Altmaier anzuhören. Mit dabei ist dann auch Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Herr Ströbele, wenn wir mit diesen Selektoren vielleicht beginnen, mit diesen Stichworten. Frau Merkel will sich da erst noch mit den USA abstimmen, ob man diese Selektoren bekannt macht, um die es da jetzt geht. Das ist doch irgendwie auch legitim, es geht ja schließlich um Geheimdienstarbeit. Oder sehen Sie das anders?
    Hans-Christian Ströbele: Erst einmal muss man ja festhalten, dass diese Selektoren, das heißt die aus den Computern ausgedruckten Listen schon längere Zeit im Bundeskanzleramt lagern. Das heißt, die Bundesregierung, das Kanzleramt hat die Verfügungsgewalt über diese Akten. Und nach dem Grundgesetz sind alle Behörden, auch das Kanzleramt grundsätzlich verpflichtet, dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium sämtliche Akten zur Verfügung zu stellen. Da geht es nicht um Peanuts oder will sie oder will sie nicht, sondern da geht es tatsächlich um Grundrechte, um Verfassungsrechte des Parlaments im Verhältnis zur Regierung.
    Das Zweite ist ja: Es handelt sich hier um Dokumente, die zum Inhalt haben illegal verwendete Selektoren, also Telekommunikationsmerkmale, nach denen dann in den deutschen Dateien gesucht worden ist. Und ich kann überhaupt nicht begreifen, wie man, wenn jemand illegalerweise unter Verstoß gegen die getroffenen Vereinbarungen, NSA, Bundesnachrichtendienst, Deutschland mit den USA, solche Selektoren da einstellt, und dann will man von seiner Zustimmung abhängig machen, ob Deutschland, ob das deutsche Parlament die zur Kenntnis nehmen darf.
    "Ich erwarte, dass de Maizière dazu konkrete Angaben macht"
    Zagatta: Aber da argumentiert ja der Innenminister, als der Verdacht aufgekommen sei, die NSA gehe da zu weit mit ihren Anfragen, da habe man schon Gegenmaßnahmen ergriffen. Haben sie da irgendwelche Erkenntnisse, oder sind das alles nur Mutmaßungen bisher?
    Ströbele: Ich habe das auch gehört. Der Innenminister wird uns ja gleich zur Befragung zur Verfügung stehen. Er hat sich, ich will nicht sagen aufgedrängt, aber sehr intensiv zur Verfügung gestellt. Ich erwarte, dass er dazu konkrete Angaben macht. Er kann nicht einfach sagen, wir haben daraus Schlussfolgerungen gezogen, sondern ich will natürlich ganz genau wissen, welche Schlussfolgerungen im Bundesnachrichtendienst sind getroffen worden, hat man überhaupt versucht, das ganze Ausmaß dieser Ausspähung festzustellen, was hat man dazu unternommen und welche Gegenmaßnahmen hat man ergriffen, insbesondere hat man mit der NSA und der US-Administration mal ein ernstes Wort geredet, auf den Tisch gehauen und gesagt, ihr seid wohl verrückt geworden?
    Zagatta: Wenn jetzt die Geheimhaltung doch irgendwie sichergestellt werden soll, Herr Ströbele, da heißt es ja jetzt schon aus den Reihen der Union, man könne ja etwa den Obleuten im NSA-Ausschuss diese Selektoren offenlegen. Wäre das ein Kompromiss?
    Ströbele: Nein, das ist natürlich kein Kompromiss. Das sind - und das ist völlig unstreitig zwischen dem Parlament und dem Kanzleramt - originäre Akten, die voll in den Aufgabenbereich dieses Untersuchungsausschusses reinfallen. Das sind Akten, die natürlich der gesamte Untersuchungsausschuss zur Verfügung haben muss und aus denen auch jetzt am morgigen Donnerstag in der Sitzung, aber auch in den weiteren Sitzungen Vorhalte gemacht werden können müssen. Sonst können wir ja unsere Arbeit nicht machen. Wir können ja nicht aus dem Gedächtnis bei 40.000 Selektoren auf der einen Seite und 12.000 Selektoren, die dann nachher noch mal nachkommen, irgendwie Vorhaltungen machen. Und außerdem hat auch das Parlamentarische Kontrollgremium dieses Anrecht. Der Minister im Kanzleramt, Herr Altmaier, hat das auch bei der letzten Sitzung zugesagt, dass die Bundesregierung alles tun will, damit wir die Akten bekommen. Ich warte noch heute darauf, das war vor 14 Tagen, und ich hoffe, wir kriegen jetzt ein klares Wort. Am liebsten hätte ich die Akten.
    "Die Diskussion geht völlig fehl im Augenblick"
    Zagatta: Der BND hat in diesem Zusammenhang ja auch schon klargestellt, es gehe ausschließlich um Informationen aus Krisengebieten und ausdrücklich nicht um E-Mails mit der Endung „.de", also für Deutschland. Wenn das stimmt, wozu dann die ganze Aufregung?
    Ströbele: Weil auch Deutsche, deutsche Firmen, aber auch deutsche Bürger, ja nicht nur unter dem Kennwort „.de" kommunizieren, sondern in vielfach anderer Weise. Deshalb hat ja auch der Bundesnachrichtendienst bei der Suche nach diesen unerlaubten Selektoren andere Begriffe eingegeben, weil er natürlich genau weiß, dass gerade Firmen, gerade internationale Firmen unter den verschiedenen Adressen agieren, die nicht sofort als deutsche Adressen zu erkennen sind. Und ich will Ihnen sagen: Die Diskussion geht völlig fehl im Augenblick. Es geht nicht darum, dass Selektoren verwandt worden sind, etwa die mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus, mit Drogenhandel oder mit Waffenhandel oder so was zu tun haben, sondern es geht allein um Selektoren, die mit all dem nichts zu tun haben und deshalb vom Bundesnachrichtendienst ausgesondert worden sind. Die hätten die ja nicht ausgesondert, wenn die in Ordnung gewesen wären. Die sagen ja selber, der Bundesnachrichtendienst ist der Auffassung, diese Selektoren verstoßen gegen die Vereinbarung, weil sie genau solche Adressen, die jetzt mit Terrorismus zu tun haben, nicht betreffen. Da ist eine Diskussion, die völlig schief liegt. Uns interessieren gerade derzeit - über die anderen Sachen kann man auch immer wieder reden - aber diese Selektoren, diese illegal zustande gekommenen Selektoren und illegal eingespeiste.
    Zagatta: Herr Ströbele, was erwarten Sie in diesem Zusammenhang eigentlich von der Regierungspartei SPD? Das ist ja ungewöhnlich, dass der SPD-Chef da aus vertraulichen Gesprächen mit der Kanzlerin zitiert. Was erwarten Sie da jetzt?
    Ströbele: Ich bin natürlich froh über jede Information und auch über eine solche Information, dass sie offenbar darüber gesprochen haben, weil die Kanzlerin hat sich ja mehrfach in der Vergangenheit, etwa kurz vorm Wahlkampf 2013, in der Öffentlichkeit dazu geäußert. Und ich will jetzt auch von der Kanzlerin gerne wissen, wie kam sie damals dazu, ganz fest zu behaupten, dass deutsche Unternehmen nicht ausspioniert worden sind. Welche Informationen lagen dem zugrunde, wie hat sie die Informationen überprüft und was unternimmt sie jetzt, dass sie vielleicht in Zukunft bessere Informationen, zuverlässige, wahrheitsgemäße Informationen bekommt? Dafür müsste die Kanzlerin nicht nur im Untersuchungsausschuss aussagen, sondern sie hätte heute auch die Gelegenheit, das Parlament in der Aktuellen Stunde und die deutsche und die Weltöffentlichkeit darüber zu informieren.
    Zagatta: Hofft der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele von den Grünen, der fast schon auf dem Weg ist, um an der Sitzung des Kontrollgremiums des Bundestages teilzunehmen. Herr Ströbele, danke für dieses Gespräch, danke für diese Informationen.
    Ströbele: Okay! Auf Wiedersehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.