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"BND steckt vermutlich hinter Kosovo-Anschlag"

Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom vermutet, dass der BND an dem Anschlag auf das EU-Hauptquartier im Kosovo beteiligt war. Es gebe starke Indizien dafür. Durch den Anschlag wolle Deutschland "Bewegung in die festgefahrene Debatte um die Anerkennung des Kosovo" bringen, so Schmidt-Eenboom.

Erich Schmidt-Eenboom im Gespräch mit Friedbert Meurer | 27.11.2008
    Friedbert Meurer: Diese Geschichte klang ziemlich abenteuerlich. Drei Agenten des Bundesnachrichtendienstes sollen im Kosovo einen Bombenanschlag verübt haben, auf das Hauptquartier der EU ausgerechnet. Dabei ist niemand verletzt worden. Aber die drei wurden festgenommen, von den Behörden des Kosovo. In Deutschland stößt das alles auf ziemliche Verblüffung. Warum sollen BND-Agenten eine Einrichtung der EU attackieren? Vermutet wird da eher, dass das ganze so eine Art Retourkutsche der Regierung von Pristina gegen den BND sei.

    Heute Nachmittag tagt in Berlin das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, das die Geheimdienste überwacht. Erich Schmidt-Eenboom ist Geheimdienstexperte und für ihn ist klar: Die BND-Mitarbeiter waren doch an dem Anschlag beteiligt. Guten Tag, Herr Schmidt-Eenboom.

    Erich Schmidt-Eenboom: Ich grüße Sie.

    Meurer: Haben Sie Beweise für Ihre Behauptung?

    Schmidt-Eenboom: Beweise nicht, aber es gibt starke Indizien. Wenn Sie den Charakter des Anschlages anschauen, dann ist der nicht von einer richtigen Terrororganisation verübt worden. Kosovaren würden nicht mit etwa 300 Gramm TNT nur operieren und quasi nur Fensterscheiben zum Bersten bringen. Das ist ein Anschlag, der als Miniaturanschlag ganz klar politischen Knalleffekt haben sollte, mehr nicht.

    Meurer: Aber das sind ja nur Interpretationen. Gehen Sie da nicht ziemlich weit, wenn Sie den BND beschuldigen, ohne Zeugenaussagen oder Indizien?

    Schmidt-Eenboom: Die kosovarischen Beweise, die einmal vorlagen und jetzt unterdrückt werden, waren ja auch relativ eindeutig, denn es ist ja auch wohl eine Mär zu glauben, dass die BND-Mitarbeiter am Anschlagsort waren, um den Anschlag, die Anschlagswirkung zu sehen.

    Dafür hat der BND einen Legalresidenten in Pristina mit hervorragenden Beziehungen zu allen Sicherheitsbehörden. Wenn man das hätte aufklären wollen, dann müsste das auf diesem Wege geschehen und nicht dadurch, dass man eine hoch geheime abgetarnte Einrichtung durch solchen Dilettantismus gefährdet.

    Meurer: Herr Schmidt-Eenboom, haben Sie dieses berühmte Video gesehen, auf dem das abgebildet sein soll?

    Schmidt-Eenboom: Nein, habe ich leider nicht.

    Meurer: Da heißt es ja, da ist überhaupt niemand zu erkennen.

    Schmidt-Eenboom: Auf dem Video ist niemand zu erkennen, aber was mich stutzig macht ist die Offensive, mit der die kosovarische Regierung den Affront gegenüber Berlin gesucht hat. Das hätte Herr Thaçi - und von einer unabhängigen Staatsanwaltschaft dürfen Sie ja in Pristina nicht ausgehen - nie getan, wenn er nicht etwas in der Hinterhand gehabt hätte.

    Jetzt ist der Druck aus Berlin allerdings so groß geworden, dass man offensichtlich auf beiden Seiten geneigt ist, die Geschichte zu vernebeln.

    Meurer: Offenbar ist Herr Thaçi wütend darüber, dass der BND sagt, er ist bestens vernetzt mit der Mafia im Kosovo.

    Schmidt-Eenboom: Das ist eine alte Rechnung, die Herr Thaçi in der Tat offen hat. Es gibt einen BND-Bericht aus dem Jahre 2005, der sehr deutlich macht, dass nicht nur Thaçi, sondern große Teile des kosovarischen Staats- und Regierungsapparates in nahezu alle Bereiche der organisierten Kriminalität verwickelt sind.

    Aber auch da geht der Vorwurf Richtung BND, denn der Bundesnachrichtendienst hat durch die Kooperation mit der UCK doch erst diese mafiosen Strukturen politisch geadelt.

    Meurer: Welchen Sinn soll es machen, dass der BND eine EU-Institution angreift?

    Schmidt-Eenboom: Man will Bewegung bringen in die festgefahrene Debatte um die Anerkennung des Kosovo. Dazu gibt es im Augenblick ein historisches Fenster. Wir haben ja die Anerkennung durch 28 Staaten und ob das weitergeht oder nicht, dafür spielt Russland eine Schlüsselrolle. Man wird sicherlich europäischerseits und auch seitens der Amerikaner die Situation in Georgien akzeptieren müssen, Abchasien und Ossetien aus dem Staatsverband raus, und gerade Moskau hat immer darauf hingewiesen, dass es da eine völkerrechtliche Parallele zum Kosovo gibt. Insofern lautet der deutsche Vorstoß, Moskau müsse dann in ähnlicher Weise auch beim Kosovo-Anerkennungsprozess neue Wege gehen.

    Meurer: Noch ganz kurz die Frage, Herr Schmidt-Eenboom. Sie sind ja vor einigen Jahren bespitzelt worden vom Bundesnachrichtendienst. Das alles flog dann auf. Sie sind zusammen mit anderen Journalisten bespitzelt worden. August Hanning, BND-Chef, hat sich bei Ihnen entschuldigt. Was sagen Sie denjenigen, die Ihnen jetzt unterstellen, das ist eine Retourkutsche von Schmidt-Eenboom gegen den BND?

    Schmidt-Eenboom: Ich habe nach der Bespitzelung, die ich ja seit Sommer 2005 wusste, sehr viel über den BND publiziert, seine Operationen weiter beobachtet, und da kann man nie sehen, dass es Retourkutschen sind, sondern ich bemühe mich immer aufzuklären, was der Bundesnachrichtendienst im Ausland tut.

    Meurer: Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk. Schönen Dank und auf Wiederhören, Herr Schmidt-Eenboom.

    Schmidt-Eenboom: Bitte schön. Auf Wiederhören!